Der Wind heult und es krächzt im Gebälk. Wütend schlagen die Äste aufs Dach und wir lassen die Frage, Strandspaziergang ja oder nein, lange unbeantwortet. Stattdessen schauen wir dem stürmischen Treiben durchs Fenster zu, trinken Friesentee mit Kluntjes und genießen die wohlig-warme Gemütlichkeit. Dann raffen wir uns doch auf, sausen mit dem Wind im Rücken zum Meer, wo das Wasser noch bis an den Strand reicht. Kurz darauf zieht es sich auch schon zurück, weicht der eigenwilligen wellengeformten Nasswüste namens Watt. Der Wind peitscht uns ins Gesicht, dringt noch durch die dicksten Wind-und-Wetterjacken, aber was ist das schon gegen das Licht und eine Weite voller Schätze, die nur darauf warten, gefunden zu werden: perlmuttschimmernde Muscheln, Lochsteine, gewaschenes Holz, geschliffenes Glas. Unsere Tüte wird immer voller und schwerer und bevor wir sie kaum mehr tragen können, taucht das Café hinter den Dünen auf, lockt uns ins Warme, wo die heiße Suppe die letzte Kälte vertreibt.
Es ist mehr als 30 Jahre her, dass ich die Ferien an der Nordsee verbracht habe. Nicht dass ich nicht wollte, nur liegt die Ostsee einfach näher: Vier Stunden sind’s von Berlin nach Usedom; bis zur »Friesischen Karibik«, wie sich die größte und bevölkerungsreichste deutsche Insel selbst(-bewusst) nennt, ist es doppelt so weit. Doch die achtstündige Fahrt* hat sich gelohnt. Föhr macht selbst bei »Schmuddelwetter« Spaß, vorausgesetzt man mag das flache eingedeichte Geest– und Marschland, die Gezeiten und den unablässigen Wind, mit dem das Wetter gerne innert kürzester Zeit wechselt. Das Ostseeklima ist deutlich milder, Wasser und Wetter beständiger und die Landschaft abwechslungsreicher (mehr über Nord- und Ostsee). Wir mochten den Unterschied und die karge windige Weite.
*Wir sind mit Bahn und Fähre gefahren und fanden das sehr bequem.
»Das Ego verschwindet, die Zeit fliegt. Jede Handlung, jede Bewegung und alle unsere Gedanken ergeben sich nur aus der vorangegangenen.« Mihaly Csikszentmihalyi
Rad- und Wattwandern, Museums- und Fischmarktbesuche, Fähr- und Pferdeausflüge – das und mehr lässt sich auf der nordfriesischen Insel tun. Genauso gut aber kann man sich dem süßen Nichtstun und dem Müßiggang hingeben: Am schier endlosen Strand entlang schlendern, selbstvergessen Sandburgen bauen, den Blick in die Ferne schweifen und die Gedanken ziehen lassen wie die Wolken am Himmel, der hier höher scheint als anderswo. Oder man bleibt einfach zuhause und tut und lässt, wonach einer/einem gerade ist: lesen, dösen, schlafen, glotzen, malen, kochen, liegen, spielen und so fort. Wir haben von allem etwas gemacht, doch mindestens einmal am Tag den Kopf in den Wind gestreckt, um ihn kräftig durchpusten und das Denken wieder weit und beweglich werden zu lassen.
Meine Tipps und Empfehlungen für Ferien auf Föhr habe ich in gewohnter Listenmanier zusammengestellt.
Wohnen auf Föhr
Ferienunterkünfte gibt es auf Föhr beinah wie Sand am Meer. Doch gerade bei »Schiet- und Schmuddelwetter« brauche ich einen Ort, an dem ich mich wohl fühle, und davon habe ich dann doch nicht ganz so viele gefunden:
- Ferienhaus ANNA ELENE (Nieblum)
- Ferienwohnung im Apfelgarten (Oldsum)
- Ferienlodges (Wyk und Nieblum)
- Haus Steuermann (Nieblum)
- Haus Alt Wyk (Wyk)
- Insel Refugium (Utersum)
- Süderweg 7 Obergeschoss (Alkerum) – Hier haben wir gut und gerne gewohnt.
- Süderweg 7 Untergeschoss (Alkersum)
- von Deska Countryhouses (Nieblum)
Kennt ihr noch andere schöne Ferienwohnungen?
Kunst & Kultur
Nicht nur landschaftlich mit dem Biosphärenreservat und UNESCO-Weltnaturerbe Watt, auch kulturell hat die Insel einiges zu bieten. An erster Stelle muss hier das »Museum Kunst der Westküste« genannt werden, das gleich hinter dem Süderweg 7 in Alkersum liegt und dem kleinen Ort ein wenig vom Glanz der weiten Welt verleiht, der sich angesichts der intransparenten Firmengeschichte des Museumsstifters, dem schweizerisch-schwedischen Unternehmer Frederik Paulsen, gleich wieder ein wenig trübt. Doch die Ausstellungen mit Werken von Künstler*innen der Westküstenländer Niederlande, Deutschland, Dänemark sowie Norwegen und das dazugehörige Vermittlungsprogramm bleiben davon unbenommen einfach gut. Eine Entdeckung waren für mich vor allem die zeitgenössischen norwegischen Künstler*innen Rune Guneriussen, Trond Ansten, Ingen Anette Mæhlum und vor allem A K Dolven, deren Videoarbeit »Melankoli« mich mit ihrer zärtlichen Ironie besonders angesprochen hat (hier gibt es noch mehr Videoarbeiten von ihr).
Empfehlen möchte ich aber auch das Friesen-Museum in Wyk, das bereits im Jahr 1908 auf Initiative des Arztes Dr. Carl Haeberlin gegründet wurde. Die naturkundlich-ethnologisch ausgerichtete Einrichtung widmet sich von der Steinzeit bis ins 19. Jahrhundert der Geschichte Nordfrieslands und der Insel Föhr. Die zehn Räume des Hauses erzählen anhand von reichlich Anschauungsmaterial von der frühen Seefahrt, dem regionalen Handwerk, von Walfängern, Brauchtümern und Föhrer*innen, die ihr Glück einst in Amerika suchten (und fanden). Sehenswert ist auch der Museumsgarten, in dem unter anderem das älteste Haus der Insel steht und dessen Ein- und Ausgang die imposanten Kieferknochen eines Blauwals flankieren. Sechs Meter ragen sie in die Lüfte und brachten M.’s Weltbild leicht ins Wanken: »Woah, die sind ja größer als Papa!«
Für Kinder hat das Vermittlungsteam des Museums eine kleine Rallye entwickelt. Die richtige Lösung der 16 Aufgaben zu finden, ist gar nicht immer so leicht – und macht durchaus auch im Erwachsenenalter noch Spaß: Welche Tiere wurden in Vogelkojen gefangen?1 Zeichne den Schnabel eines Säbelschnäblers. Was wurde in der Wyker Apotheke im 19. Jahrhundert als Salbenbehälter verwendet?2 Wofür wurde Walbart (Gewebemasse im Pottwalschädel) verwendet?3 Welchen Verein haben die nach Amerika ausgewanderten Föhrer*innen dort gegründet?4 …
Was bei einer kulturellen Landpartie auf Föhr nicht fehlen sollte, ist ein Besuch der St. Johannis-Kirche, auch Friesendom genannt. Die größte Dorfkirche Schleswig-Holsteins wurde im 13. Jahrhundert erbaut und steht in Nieblum, dem offiziell schönsten Dorf auf Föhr – wir fanden Oldsum schöner.
1 Enten | 2 in Miesmuscheln | 3 Dosen, Baumaterial | 4 Föhringer Krankenunterstützungsverein
Ausflüge & Bewegung
Ganz gleich ob per pedes, Velo, Fähre oder Pferd – wer sich gerne bewegt, kommt in Föhr auf ihre/seine Kosten.
Spaziergänge am und/oder im Wattenmeer sind zu jeder Jahreszeit und bei (fast) jedem Wetter schön. Dasselbe gilt fürs Radfahren auf Föhr. Die 10 schönsten Touren findet ihr hier. Und Räder mieten kann fast überall.
Pferde gibt es fast ebenso viele wie Fahrräder auf der Insel – 850 genau genommen, die sich auf entsprechend viele Gestüte und Reitställe verteilen. Wir haben das Angebot des Inselgestüts Christiansen genutzt und können den Reitstall guten Gewissens weiterempfehlen: Die Pferde und Ponys sind gutmütig, die Reitlehrer*innen geduldig und zugewandt.
Ein Besuch auf Amrum ist quasi ein Muss – und wer es nicht tut, verpasst etwas. Die kleine Insel ist lieblicher als Föhr, landschaftlich abwechslungsreicher: Fünf Dörfer (Nebel hat uns sehr gefallen, Wittdün dagegen gar nicht, obwohl es sich dort im Dünenhaus sicher aushalten ließe), umgeben von Dünen, Wäldern, Heide, Marsch – und im Westen erstreckt sich schier unendlich der Kniepsand, dieser gigantische Sandstrand.
Mit dem Rad lässt sich die Insel an einem Tag gut umrunden, zum Erkunden ist ein Tagesausflug zu kurz. Doch die Zeit reichte, um zu wissen, dass wir hier gerne einmal Ferien machen möchten.
Zum krönenden Abschluss unserer Ausflugs nach Amrum haben wir auf der Fährüberfahrt nach Föhr übrigens noch eine Robbe und sechs oder sieben Schweinswale gesehen.
Essen & Trinken
Anders als erwartet und von der Ostsee gewohnt, gibt es hier nicht an jeder Ecke Fisch; die Insulaner*innen sind eher Fleisch-, denn Fischesser*innen. Ob das ein Grund für die geringe Bedeutung der Fischerei ist oder eher die Konsequenz? Ich weiß es nicht. Fakt ist, dass hier allerorts Friesentee, –torte und –waffeln, Kartoffeln, Kohl und Lamm angeboten wird und man Fischbrötchen und -restaurants eher ein wenig suchen muss.
Meine kulinarischen Leuchttürme auf Föhr waren:
- in Oldsum: Café im Apfelgarten (feine Kuchen & mehr)
- in Alkersum: Grethjens Gasthof (Mittagstisch, Kaffee & Kuchen)
- in Wyk: Klein Helgoland (Café-Restaurant),
- in Wyk: Alte Druckerei (für guten Wein, Essen kann ich nicht empfehlen)
- in Wyk: Alt Wyk (feine Küche, hochpreisig)
- in Boldixum/Wyk: Restaurant Störtebecker (gute Küche, faire Preise)
- in Nieblum: NamineWitt (Bistro & Feinkost)
Mehr Tipps und Infos rund ums Essen findet ihr auf Süddeutsche.de.
Einkaufen & Shoppen
Wer gern »shoppen« geht, kommt auf Föhr nicht wirklich auf ihre/seine Kosten. Das Inselangebot ist recht überschaubar und konzentriert sich im Wesentlichen aufs Wesentliche. Doch das ein oder andere regionale und kunsthandwerkliche Kleinod findet sich zwischen all dem Nützlichen.
In Wyk
- Beim E aktiv markt Knudtsen gibt es alles für den Ferienalltag inklusive Spielzeug, Glühbirnen, Wasserkochern, Geschirr und Schreibwaren.
- Auf dem sonntäglichen Fischmarkt findet man endlich den ersehnten frischen Fisch sowie ganze und gepulte Nordseekrabben.
- Schöne Dinge gibt es bei der privatsache.
- Im Kontor 1710 findet man nachhaltig-biologische Wellness-Artikel für daheim.
- Ausgewählt schöne Kinderkleider hat Lütte Lüd.
- Wollflur bietet alles Erdenkliche aus Schafwolle.
- Tee gibt es u.a. im Teeladen Wyk oder im Föhrer Teekontor oder im Friesischen Teehaus Wyk.
- Anke Scheuermann macht schönen Schmuck.
- Helen Hanisch von Helenscraft webt wunderschöne Tücher, Schals, Tisch- und Küchenwäsche.
Anderswo
- Die Föhrer Werkstätten in Oevenum bieten Kunsthandwerkliches von Menschen mit Behinderung.
- Hof- und Bauernläden gibt es in vielen Dörfern auf Föhr.
- In der Nieblumer Inselweberei gibt es wunderschöne Wolldecken.
- Feine Marmelade & Co findet man in Oldsum.
Mehr Einkaufstipps findet ihr auf Süddeutsche.de.
Ach ich liebe Föhr! Als Kind waren wir jahrelang in jedem Sommer dort und seit zwei, drei Jahren haben meine Mama und ich die Tradition wieder aufleben lassen. Ich hab also noch ein paar mehr Tipps:
Das beste und selbstgemachte Schoko, Vanille und Zitroneneis gibt`s in der kleinen Bäckerei an der Ecke gegenüber der Privatsache. In Nieblum im alten Landhaus kann man am Mittagstisch leckeren Fisch bekommen oder auch in der Fischerei in Wyk. Meine Mama und ich lieben es im Café Insel zu sitzen. Da gibt`s feinen Milchreis mit heißen Kirschen, guten Kaffee und Aussicht auf die Mittelbrücke. Das sind aber wahrscheinich eher Kindheitserinnerungen, alle anderen Cafés am Sandwall bieten ähnliches. Und der Sonnenuntergang in Utersum mit Blick auf Amrum und den Hörner Leuchtturm auf Sylt ist toll! Ja, so könnt ich wahrscheinlich ewig weitermachen… ich freu mich jedenfalls schon so sehr auf Föhr in diesem Sommer! : )
Viele Grüße! Julika
So so schön!! Mein Herz hängt an beiden …seen und fühlt sich auch manchmal sehr zerrissen. Es ist das Licht, was mir immer Sehnsucht nach der Nordsee zaubert. Dieses Licht ist so unvergleichlich. Danke für den kleinen Mini-Urlaub! Deine Bilder machen mich so froh. 🙂
Liebe Grüße!
Ach… schön. 🙂