So ein Westberliner Sonntag. Oder: Mit dem Fahrrad durch den Grunewald

15. August 2013
Der vergangene Sonntag war für mich ein typisch ‚Westberliner Sonntag‘: Wir sind quer durch die wohlhabenden Westbezirke zum Grunewald geradelt und haben dort den Havel-Blick bei Currywurst, Live-Musik und Berliner Weiße genossen.
Bild 1 | Bild 2 | Bild 3: Filmszene aus: Der Himmel über Berlin 

Westberlin oder offiziell Berlin (West) – das ist lang her. Aber ich erinnere mich noch an die ‚Halbe Stadt, die es nicht mehr gibt‚ (Ulrike Sterblich). Verwaltet von den drei westlichen Besatzungsmächten USA, Vereinigtem Königreich und Frankreich, inmitten fremden Territoriums (DDR) und mit Subventionen künstlich am (Wirtschafts-)Leben erhalten, war Berlin (West) ein seltsam schräger Ort: eine Art Gewächshaus, in dem der berühmte ‚Berliner Filz‚ ebenso prächtig gedieh wie die berüchtigte Westberliner Subkultur (die Wolfgang Müller in seinem Buch Subkultur Westberlin 1979-1989 so subjektiv wie mitreißend erzählt) und die ‚Wilmersdorfer Witwen‚ ein ebenso bequemes Dasein fristeten wie westdeutschen Wehrdienstverweigerer. Die Atmosphäre in diesem ‚Gewächshaus‘ war entsprechend disparat. Als jugendliche Westberlin-Besucherin empfand ich sie entweder schräg bis zornig-wild (Kreuzberg/ Schöneberg), gediegen-verfilzt bis ‚verzweifelt bourgeoise‘ (Charlottenburg/Wilmersdorf) oder unerträglich spießig (Reinickendorf). Aber egal in welcher Atmosphärenzone ich mich bewegte, immer war da dieses Gefühl des Ein- und Abgeschlossenseins, aus dem sich – je nach Milieu und Schicht – ganz eigene Westberliner Kulturen entwickelten. Sinnbildlich stehen für mich der Kreuzberger Club SO36 für den ‚Underground‘, der Ku´damm für das Spießertum und der Grunewald für die Bourgeoisie. Der vergangene Sonntag war führte uns durch die alte ‚Bourgeoisie-Kultur‘, die dort irgendwie immer noch zu spüren ist.

Nach einem weinseligen Samstagabend und einem entsprechend großen Bedürfnis nach frischer Luft und Bewegung entschieden wir am Sonntagmorgen spontan, eine Radtour in den Grunewald zu unternehmen. Mit etwas Proviant im Gepäck und einer singenden Ma im Radanhänger begaben wir uns auf Tour von Schöneberg zum Grunewald. Der Weg führte uns durch Wilmersdorfer Villenviertel vorbei am kleinstädtischen Schmargendorf durch das wohlhabende Grunewald bis in den gleichnamigen Forst. Unsere erste Etappe führte zum Ökowerk, das unterhalb des ehemaligen US-amerikanischen Radargebäude am Fuße des Teufelsbergs liegt und Café, Kuchen sowie Naturerleben bietet – ich schrieb bereits darüber. Am Grunewaldturm hatten wir unser Ziel erreicht. Bei Live-Musik mit Jazzkapelle, Havel-Blick, Currywurst mit Pommes rot-weiß und Berliner Weiße grün stärkten wir uns für den Rückweg und versanken in ‚Westalgie‘. Denn: Mehr ‚altes Westberlin‘ als ein Sonntag am Grunewaldturm geht eigentlich kaum.

Den Rückweg nahmen wir über den Schlachtensee, wo wir uns gefühlt alle existierenden Rassen und Promenadenmischungen von Hunden über den Weg liefen (hier liegt eines der größten Hundeauslaufgebiete Berlins). Entlang der Krummen Lanke ging es über Dahlem schließlich zurück nach Schöneberg. Rund 40 Kilometer haben wir insgesamt zurückgelegt und waren am Ende des Tages wohltuend erschöpft und um viele neue Eindrücke bereichert. Ich liebe es, Berlin per Rad zu erkunden und kann es wirklich empfehlen. Es gibt viele schöne Wege, gute Radrouten und Ausschilderungen, so dass das Radeln wirklich Freude macht.

Tipps
°°° Mit BBBike kann man seine eigenen Routen planen (auch als iphone-App erhältlich).
°°° Radrouten durch Berlin findet man hier.
°°° Wer kein eigenes Rad in Berlin hat, findet mittlerweile an fast Ecke einen Fahrradverleih.

8 Comments

  • 12 Jahren ago

    oh der film!
    und deine bilder –
    wie schön, dass stadt und natur nicht allzu weit auseinander liegen 🙂

  • 12 Jahren ago

    it's a great article, beautiful photos. Thanks for sharing this. I will share it through my twitter.
    from: wall decals wall stickers

  • 12 Jahren ago

    die bildeR lassen mich ein wenig mitleben. fühlt sich gut an!
    beRlinbeRlin …. hinundheRReißende stadt.
    liebe gRüße. käthe.

  • 12 Jahren ago

    ein toller berlinbericht! und ein spannender radausflug! ich war erst einmal und nur ganz kurz für ein seminar in berlin und hatte kaum zeit viel zu sehen. muss unbedingt nachgeholt werden.
    herzliche grüße
    dania

  • 12 Jahren ago

    Ach, ich beneide dich, in Berlin zu leben und nicht nur 1x im Jahr dort ein paar Tage zu verbringen!

    Ich war nur 1x vor Mauerfall in Westberlin und irgendwie nicht bereit für einen kurzen Besuch rüber den Zwangsumtausch zu bezahlen, was mich heute ärgert.

    Es ist spannend zu erfahren, wie sich die Westberliner denn so mit der Situation gefühlt haben.
    Diese Perspektive hatte ich bisher gar nicht im Blick.
    LG, Monika

  • 12 Jahren ago

    berlin und seine verschiedenen Milieus, ich liebe das. jeden tag mache ich eine halbe stadtrundfahrt mit der ringbahn und überall kann man den unterschiedlichen menshcenschlag beobachten. fahre ich den südring steigt eine ganz andere personenvielfalt ein, als wenn ich mit dem nordring fahre. aber immer spannend zu beobachten. 🙂

  • 12 Jahren ago

    ach wie schön, das müssen wir auch mal wieder machen! ich befinde mich gerade auf den letzten seiten von "Subkultur Westberlin 1979-1989". ein wirklich spannender blick zurück, der immer wieder mit der gegenwart verknüpft wird. empfehlenswert. schöne grüße, wiebke

  • 12 Jahren ago

    das klingt nach einem wunderschönen sonntag! da komme ich direkt sehnsucht nach berlin!!! schönen tag!

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