M i MAs Kladden: Ein Leben im Sauseschritt und das große Glück des `kleinen Glücks`

30. Januar 2014
M i MAs Kladden: Ein Leben im Sauseschritt und das große Glück des `kleinen Glücks`, Mona, Hochbegabt, Westfalen, Hidden Champions
Collagen von M i MA
Manchmal beschenkt einen das Leben reich wie ein Füllhorn. So Mona* [*Name aus Rücksicht auf die betroffenen Personen geändert]. Die 26jährige wurde in eine Familie geboren, die warmherziger und fürsorgender nicht sein könnte: liebende Eltern, die ihre Talente früh erkannten und wenig fordernd förderten, drei ältere Brüder, die ihre kleine Schwester vergötterten, Großeltern, die immer für sie da waren und mit Engelsgeduld auf all ihre Wünsche und Fragen eingingen, und einen ‚lieben Gott‘, der stets auf sie aufpasste. Auch in materieller Hinsicht mangelte es Mona an nichts. Mutter und Vater hatten das vom Großvater übernommene Metallunternehmen heimlich an die Spitze des Weltmarkts geführt und schenkten ihren Kindern ein reiches, aber niemals vom Überfluss gezeichnetes Leben. Literatur, Musik, Glaube und Politik spielten neben dem Geschäftlichen eine große Rolle im familiären Leben. Und so wuchs Mona mit ihren Geschwistern wohlbehütet in anregender Umgebung in einem kleinen Dorf am Rande der norddeutschen Tiefebene zwischen Weser und Ems auf. ‚Es war eine unbeschwerte, eine schöne Kindheit‘, sagt die studierte Biologin rückblickend.

Wir stehen in der offenen Küche eines großen Bauernhauses mitten auf dem flachen, niedersächsischen Land. Nach mehr als zwei Jahren Um- und Ausbauzeit ist Mona dort vor gut einem Jahr mit ihrer Familie eingezogen. ‚Wir sind so froh, hier endlich angekommen zu sein. Eigentlich wollten wir schon vor zwei Jahren einziehen‘, erzählt sie. Doch die Bauphase zog sich immer weiter in die Länge. Es ist ein schönes Haus. Offen, modern und doch gemütlich. Man spürt: Hier leben Menschen mit gebildetem Geschmack. Mona setzt einen Tee für uns auf. Im Hintergrund lärmen die Kinder: zwei Mädchen, ein Junge, zwei, vier und sechs Jahre. Ihr Mann ist – wie so häufig – auf Reisen. Berufsbedingt.
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M i MAs Kladden: Ein Leben im Sauseschritt und das große Glück des `kleinen Glücks`, Mona, Hochbegabt, Westfalen, Hidden Champions

Mona ist zuhause. Sie ist Hausfrau und Mutter. Dabei war sie eigentlich zu ‚Höherem‘ bestimmt. Schon früh zeigte sich, dass die Frau mit den wachen Augen und dem offenen Blick eine Vielzahl von Begabungen hat. Mit drei Jahren entdeckte sie das Klavier, mit vier Jahren verschlang sie die ersten Bücher und mit sechs Jahren verfiel sie buchstäblich der Naturwissenschaft. Während sich die anderen Mädchen aus dem Dorf mit dem Puppenspiel vergnügten, vertiefte sich Mona in die Geheimnisse des Lebens. Auslöser waren Krankheit und Tod meines geliebten Opas. Ich wollte verstehen, warum er krank wurde und sterben musste. So begann ich die Biologiebücher meiner Brüder zu studieren. Mona versteht schnell. Sie überspringt mehrere Schulklassen. Mit elf Jahren nimmt sie erstmals an einem Ferienlager für Hochbegabte teil und beschäftigt sich drei Wochen lang intensiv mit Genetik, mit zwölf darf sie dank dem Einfluss ihrer Eltern und einem weitsichtigen Professor an der Osnabrücker Uni Biologiekurse besuchen. Mit 15 Jahren macht sie ihr Abitur mit Bestnote und nimmt das Studium der Biologie auf, das sie – gerade 19 – mit einem Master in Mikrobiologie abschließt. Mit Bravour selbstredend. ‚Als nächstes stand die Promotion an‘, erzählt Mona. Doch dann kommt alles anders.
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M i MAs Kladden: Ein Leben im Sauseschritt und das große Glück des `kleinen Glücks`, Mona, Hochbegabt, Westfalen, Hidden Champions

Mona reist anlässlich eines Mikrobiologie-Kongresses in die USA. Dort lernt sie ihren Mann kennen: Auch er Biologe, 10 Jahre älter und am Anfang einer erfolgreichen Forscherkarriere. ‚Die weitere Geschichte ist schnell erzählt‘, Mona schmunzelt. ‚Wir haben uns verliebt. Neun Monate später kam Jonas zur Welt und ich hängte meine wissenschaftliche Laufbahn an den Nagel.‘ Mit dieser Entscheidung stieß Mona auf wenig Verständnis. ‚Meine Freunde, die ganze Familie und alle Bekannten schlugen die Hände über dem Kopf zusammen. Sie versuchten mich zum Weitermachen zu bewegen; sie beknieten, manche beschimpften mich auch.‘ Doch Mona hatte sich entschieden. Ob sie es denn nicht manchmal bedaure, ihre wissenschaftliche Karriere aufgegeben zu haben, während ihr Mann sich als Mikrobiologe einen Namen macht? ‚Nein‘, sagt Mona und pustet ihrer jüngsten Tochter geduldig das ‚Aua‘ weg. Nur mit Gott hadere sie manchmal: ‚Dann frage ich mich, ob ich eine Sünde begehe, weil ich mein Talent einfach brachliegen lasse. Doch bisher lässt er Milde walten.‘ Und ganz aus dem Blick habe sie Biologie ja auch nicht verloren. ‚Mein Mann und ich diskutieren viel miteinander, und ich helfe ihm auch fachlich wo ich kann.‘ Dass dies der klassischen Rollenaufteilung entspricht, ist Mona wohl bewusst. Doch es ist ihr egal. Sie liebt ihr Leben und wollte es um nichts in der Welt tauschen.

Auch das ist eine Begabung oder – um es mit den Worten Monas zu sagen – ein Geschenk Gottes: wenn man ganz und gar aufgehen kann im Muttersein.
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M i MAs Kladden: Ein Leben im Sauseschritt und das große Glück des `kleinen Glücks`, Mona, Hochbegabt, Westfalen, Hidden Champions

12 Comments

  • 10 Jahren ago

    In der heutigen "emanzipierten" (!) Zeit eine selbstbewusste Entscheidung! .. und Mona ist ehrlich zu sich selbst und ihrem Leben… Danke Indre, das ist zu der momentanen Diskussion, der man langsam müde wird, ein wirklich guter Beitrag! ***die lisa

  • 10 Jahren ago

    alles toll
    besonders die collage
    da würde ich glatt eine kaufen wollen

  • 10 Jahren ago

    Es ist immer wieder so spannend und anregend mit euch! Danke fürs Einmischen und Mitmachen, fürs Teilen eurer Gedanken!

    Herzlich
    I.

  • Anonym
    10 Jahren ago

    Ein wunderbar geschriebener Text, ein tolle Frau und eine Entscheidung, bei der auch mein (Mama-) Herz laut: "jaaaaaaaa" schreit. Liebe Grüße, Kathrin

  • 10 Jahren ago

    Mir gefällts 🙂

  • 10 Jahren ago

    Wirklich wunderbar erzählt.
    Ich habe wie Juli erst gedacht: ach wie schade. Aber es ist eine noch viel größere Begabung das zu machen was einem ein richtiges und wohliges Gefühl gibt. Selbst zu entscheiden welchen Weg man einschlägt. Viele würden in so einer Situation hadern und den bisher gegangenen Weg weiter gehen. Für den Erfolg. Aber Mona hat auf sich selbst gehört und tut es warscheinlich immer noch. Großartig.

    Liebste Grüße

  • 10 Jahren ago

    Wunderschön, tolle Bilder, danke fürs Teilen.
    Ich spüre eine tiefe Verbundenheit mit dieser Frau und ihrer Entscheidung. Ich habe mich entschlossen für meine Kinder da zu sein. Wir haben zu unseren drei Kindern, ein Kind aufgenommen. Viele waren geschockt über diese Entscheidung. Natürlich haben wir für einige Jahre einiges aufgegeben, mein Mann die Kunst, unsere gemeinsame Leidenschaft für das Musizieren, das Reisen usw. Es ist für mich nicht gleich ein "Opfer" wenn ich mich entscheide, meine Bedürfnisse und Visionen an die zweite Stelle zu stellen. Ich fühle mich jung, ich bin jung, wenn die Zeit reif ist, werde ich die Gelegenheit bekommen meine vielen Träume zu verwirklichen. Mit den Kindern im "jetzt" zu leben ist so wertvoll. Ich lerne viel von ihnen und durch sie viel über mich.

  • 10 Jahren ago

    Das wird mir noch eine ganze Weile zu denken geben und macht dem "Blog mit Tiefgang" alle Ehre. Sehr hübsch sind auch deine Bilder dazu!
    Herzliche Grüße
    Anni

  • 10 Jahren ago

    spannend, wohltuend, interessant und zum denken anregend ist dieser bericht, vielen dank dafür. und mima, deine collagen! wundervoll und gerne mehr davon. liebe grüße, wiebke

  • 10 Jahren ago

    Habe ich sehr gerne gelesen und mich dabei erwischt, ihre Entscheidung "schade" zu finden. Und dann fand ich es schade, dass ich eine Entscheidung, die jemanden glücklich macht, überhaupt schade finden kann.

  • 10 Jahren ago

    Eine nachdenklich machende Geschichte sehr gut erzählt. Sie zeigt für mich einmal mehr, dass es bei der Wahl des Berufes oder der Berufung gar nicht so viel damit zu tun hat was man kann oder weiß, sondern vielmehr darauf dass man etwas tut, was einen glücklich macht. Gerade die letzten Tage habe ich viel darüber nachgedacht, dass Intelligenz allein weder einen selbst noch andere glücklich macht, weil sie nichts darüber aussagt, welche emotiononale oder soziale Kompetenz ein Mensch hat. Die ist völlig unabhängig von IQ oder Wissen, zeigt sich an anderer Stelle und ist deutlich wertvoller und menschlich und gesellschaftlich "nützlicher", als nur ein hoher IQ alleine.

    Herzlich, Katja

    • 10 Jahren ago

      oh, wie das grad alles zu meinen vielen "köchelnden töpfen" passt…die geschichte, deine bilder, katjas worte…
      danke. bringt weitere gedanken in gang…

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