M i MA zügelt: Von Naturbegegnungen, Perfektionsansprüchen und Prioritätenverschiebungen. Oder ein Wochenende im Bauwagen.

17. Dezember 2013
M i MA zügelt: Von Naturbegegnungen, Perfektionsansprüchen und Prioritätenverschiebungen. Oder ein Wochenende im Bauwagen. Haus Brot Windrad Fenster Blatt

In meiner Vorstellung sah ich uns im Zimmer eines Familienhotels in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern. Tatsächlich wurde es ein Bauwagen im Wendland. Denn mitten hinein in meine Suche nach einem guten Ort für ein Mutter-Kind-Wochenende platzte der Anruf einer lieben Freundin. Viel zu lang hatten wir uns nicht mehr gesehen. Also wurde der Reiseplan kurzerhand über den Haufen geworfen: Aus einem Hotelwochenende ins benachbarte Bundesland wurde eine Landpartie mit Horizonterweiterung. Der Besuch bei meiner Freundin erinnerte mich daran, dass jenseits meines urban beschränkten Tellerrands noch ganz andere Wohn- und Lebenskonzepte existieren. 

Die in diesem Jahr letzte Folge von M i MA zügelt dreht sich also nicht um Entscheidungskämpfe und Wohnträume, um Küchengeschichten oder Badezimmerfragen, sondern um eine ganz andere Antwort auf die Frage: Wie wollen wir wohnen?
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M i MA zügelt: Von Naturbegegnungen, Perfektionsansprüchen und Prioritätenverschiebungen. Oder ein Wochenende im Bauwagen.

Ma und ich verbrachten die Nächte also nicht im wohltemperierten Hotelzimmer, sondern im ausgebauten Bauwagen mit Holzofen und Heizwärmer. Der nächtliche Gang zur Toilette führte nicht in ein schickes Bad, sondern in die stockfinstere Nacht quer über den Hof zur Hintertür hinein. Nach einem ersten Anflug von Hast blieb ich halber Strecke stehen. Über mir der sternenklare Nachthimmel, unter mir der gefrorene Raureif und um mich herum eine Stille so still wie Berlin niemals sein kann. Ein erhabener Moment mitten im profanen Gang zum Klo, der mir schlagartig klar machte, welchen Wohnkomfort das Wagenleben bietet: Es ist ein Leben mit der Natur. Die Grenze zwischen Drinnen und Draußen ist so dünn wie die Wagenhaut. Die Kälte lässt sich nicht aussperren, sondern nur mildern. Fragen nach der optimalen Raumaufteilung oder der Materialbeschaffenheit von Küchenfronten verlieren hier merklich an Gewicht. Viel wichtiger war es, die Raumtemperatur über 5°C zu halten.
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Nein, ich könnte nicht dauerhaft so leben. Aber ein paar Tage Tür-an-Tür mit der Natur taten gut. Sie linderten meinen Perfektionsanspruch ans neue Heim und rückten manches wieder ins rechte Lot. Wir müssen es nicht auf die Titelseite der ‚Schöner Wohnen‘, sondern in allererste Linie einen Ort schaffen, an dem wir uns wohlfühlen. Das klingt so selbstverständlich und banal, und doch ist es das nicht. Mein Handeln und Tun ist – das wurde mir im Bauwagen liegend mit Blick aufs regennasse Dachfenster (siehe 1. Fotocollage Bild oben links) klar – teilweise mehr von der schönen Welt der Wohnzeitschriften als von meinen eigenen Wünschen geleitet und es ist gar nicht so einfach, die fremden von den eigenen Bedürfnissen zu unterscheiden. Kennt ihr das? Ich werde den Jahreswechsel nutzen, um diese Erkenntnis sacken zu lassen. Mal schauen, ob und inwieweit sie etwas verändert.

PS: Wenn ihr mehr über das Wagenleben erfahren möchtet, empfehle ich diesen Artikel über eine 39jährige Geografin, die ihren Kindheitstraum verwirklicht und ein Zuhause in einem Zirkuswagen bei Darmstadt gefunden hat.

9 Comments

  • 10 Jahren ago

    Ich finde gut was du schreibst. Diese materielle, schnelle Welt lässt uns Genügsamkeit, Zufriedenheit und Dankbarkeit oft vergessen. Ich finde es auch nicht so einfach, dem eigenen Anspruch an ein schönes Zuhause und dem damit verbundenen Druck (den man sich selbst aufsetzt, weil man ja doch irgendwie die "Living at Home" vor Augen hat) stand zu halten. Einfachheit, und der Ansporn mit weniger auszukommen, mit meiner Zeit und meinem Geld sorgsam umzugehen, ist für mich ein neuer Sport geworden.
    Viele Grüße,
    Elena

  • 10 Jahren ago

    Ein Bauwagen … das ist schon immer mein Traum! Und wenn's nur die kurze Zeit am Wochenende raus aus der lärmenden Stadt ist. So richtig Landleben kann ich mir auch nicht vorstellen. Ich hatte auch vor kurzem eine längere Auszeit in der Weite der Natur und mit frischer Brise um die Nase. Das hat sehr gut getan und den Kopf regelrecht frei gepustet.
    Beim Wohnen lass dich von deinen Gefühlen und deinem Stilempfinden leiten! Als Einrichterin mag ich die Wohnzeitschriften als Inspirationsquelle sehr, aber entscheide selbst bzw. lasse oft aus dem Bauchgefühl entscheiden.

    Viele Grüße
    Mareike

  • 10 Jahren ago

    Ja, andere Wohn- und Lebenskonzepte – dazu gehört für mich auch das 'wie' – das heißt in meinem Fall dann auch Gemeinschaft mit anderen Menschen, wenn nicht hier, dann vielleicht auch im Wendland … vielleicht sogar mal 'ne Zeit im Bauwagen – kein Luxusgefängnis mehr mit 'rundum-sorglos-Paket' – schöne Feiertagsgrüße Tobias aka Artobi

  • 10 Jahren ago

    Es ist wirklich manchmal sehr, sehr wichtig das man sich selber wieder auf den Boden bringt. Selbst wenn man nicht weit über ihm schwebt. Aber so eine kleine Erdung muss manchmal sein.
    Ich finde es toll wenn man solche Momente nutzt und es auch genießen kann.

    Liebste Grüße

  • 10 Jahren ago

    mich hast du mit deiner kleinen Geschichte sogar neidisch gemacht! Wie gerne würde ich mal ein paar Nächte in einem Bauwagen verbringen! Das hat doch so viel Charme und lässt einen für eine Weile den Alltag und die schnelle, vernetzte Welt vergessen. Man lebt dann zusammen mit der Natur nur im Hier und Jetzt. Wie schön das doch für ein paar Tage sein muss…!

    Grüße aus Frankreich
    mademoiselle sucrée

  • 10 Jahren ago

    Ja, liebe Indre, Recht hast du. In Zeiten von Seiten wie Pinterest, wird man ja förmlich erschlagen von Wohnideen und hübschen Einrichtungen. Noch bevor man sich entschieden hat, ob einem der Ombre-, Kupfer-, Neon- oder tausendste andere Trend gefällt, hat man sich schon satt gesehen an dem vielen "GLEICH". Wichtig ist nicht, dass deine Wohnung auf Fotos hübsch aussieht, sondern, dass du jeden Morgen beim Gang in die Küche oder Abends auf dem Sofa denkst: "Das ist mein Zuhause."

  • 10 Jahren ago

    Ja, so eine Erfahrung erdet und ist wichtig, wenn es darum geht, seine vermeintlichen Bedürfnisse aus anderer Perspektive zu betrachten (davon hatte ich dieses Jahr auch so manche). Gut, dass Du die Möglichkeit genutzt hast.
    Schöne Grüße, Wiebke

  • 10 Jahren ago

    Liebe Indre,
    deine Worte sind so wahr! Diese Perfektion, die einem in den Wohnzeitschriften vorgegaukelt wird ist einfach großer Mist. Zwar ist es schön anzusehen und eine tolle Inspirationsquelle, aber wohnen ist was anderes. Ich verliere mich zu oft in den Ideen der Magazine.
    Ich habe mal einige Wochen in so einem Wagen Urlaub gemacht. Das war toll!
    viele Grüße
    Berit

  • 10 Jahren ago

    Diesen Ansatz und Punkt in der Überlegung finde ich noch viel spannender als alles andere zuvor.
    So ein Wochenende draußen, ursprünglich, dafür doch mit allem, was nötig ist, erdet.
    Ich bin gespannt, ob sich etwas ändert in Euren Überlegungen.
    Liebe Grüße
    Katja

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