Ein Sonntag bei Ribbeck

3. Juli 2013
Am Sonntag, dem letzten Tag meines ‚Digital Detox‚ waren wir in Ribbeck, dem kleinen Dorf bei Nauen im brandenburgischen Havelland, in dem einst (und heute wieder) die Familie von Ribbeck wohnte. Ihr berühmter Birnbaum hat die Zeit nicht bzw. nur in Fontanes Gedicht überdauert (siehe unten), doch der ehemalige Gutshof, das Schloss, die Brennerei und der Familienfriedhof stehen noch bzw. (bald) wieder. All das haben wir uns allerdings nur sehr flüchtig angesehen, denn unser Ausflugsziel war der Kinderbauernhof Marienhof, der rund 1,5 Kilometer hinter Ribbeck liegt.

Marienhof ist kleines Paradies – unprätentiös, bodenständig und unkompliziert. Es gibt jede Menge Tiere (Hühner, Ziegen, Schafe, Enten, Ponys, Schweine, Kaninchen, Katzen …), frisches Brot aus dem Holzbackofen (leider wurde das letzte vor meiner Nase weggekauft), leckeren Blechkuchen, Bockwurst und viel, viel Platz zum Spielen, Tollen und Toben. Auf dem Tagesprogramm (es gibt auch ein Ferienprogramm für all jene, die länger bleiben) stehen außerdem geführtes Reiten, Treckerfahrten und Brotbacken und das absolute Highlight ist der 2,5 Kilometer lange Barfußpfad.
Ma ist alles andere als leidenschaftliche Läuferin. Eigentlich hat sie schon nach drei Metern keine Lust mehr und möchte auf „Papas Schultern“ (mich fragt sie schon nicht mehr, weil sie meine Antwort schon kennt: Nein!). Doch diese 2,5 Kilometer waren ihr zu kurz. Von einem taktilen Erlebnis zur nächsten Körpererfahrung war der Weg für sie (und auch für mich) ein echtes Abenteuer. Ich wünschte jeder Spazierweg hätte so viel zu bieten: unterschiedliche Untergründe (Stroh, Steine, Split, Holz etc.), verschiedene Hürden, die es zu überwinden gilt (Reifen, Holzstämme, Brücken, Hinkelsteine etc.) vorbei an grasenden Rindern, Wiesen und Feldern, wilden Urwäldchen und Forstwegen, auf denen sich unter der Woche vielleicht mal ein Trecker verirrt.

Während Ma in ihrer Phantasie  übermenschliche Kräfte besaß und gegen böse Zauber kämpfte, pflückte ich die letzten Holunderblüten vom Wegesrand. Fünf Gläser ‚Ribbecker Holunderblütengelee‚ stehen nun im Speiseschrank – zu meiner großen Freude. Ich liebe diesen Geschmack und Duft. Ein Frühstücksbrot mit Quark und Gelee und mich durchströmt ein Glücksgefühl.

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
Und kam die goldene Herbsteszeit
Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn’s Mittag vom Turme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: »Junge, wiste ’ne Beer?«
Und kam ein Mädel, so rief er: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb ’ne Birn.«
So ging es viel Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. ’s war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit;
Da sagte von Ribbeck: »Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab.«
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
Sangen »Jesus meine Zuversicht«,
Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
»He is dod nu. Wer giwt uns nu ’ne Beer?«
So klagten die Kinder. Das war nicht recht –
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht;
Der neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der alte, vorahnend schon
Und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn,
Der wußte genau, was damals er tat,
Als um eine Birn‘ ins Grab er bat,
Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.
Und die Jahre gingen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtet’s wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung‘ übern Kirchhof her,
So flüstert’s im Baume: »Wiste ’ne Beer?«
Und kommt ein Mädel, so flüstert’s: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick gew‘ di ’ne Birn.«
So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.

12 Comments

  • 11 Jahren ago

    ich komme immer wieder gerne hier vorbei . Es gibt vieles zum nachdenken,staunen( deine Fotos) , freuen und auch Anregungen.

  • 11 Jahren ago

    Das Gedicht ist mir auch altvertraut. Ich hab als Kind die ersten beiden Zeilen in Endlosschleife geplappert. Ribbeck sollte ich mir also auch mal anschauen. Sehr bald – denn ich halte auch noch nach Holunderblüten Ausschau. In Kopenhagen waren sie noch nicht ganz reif und jetzt, wo ich wieder zurück in Berlin bin – sind schon die Beeren am Kommen.

    • 11 Jahren ago

      Darum war ich so froh, dort noch Blüten zu finden. Wenn du dich beeilst, sind sie noch da.

  • 11 Jahren ago

    wunderschöne farbharmonien; und die kleine ma!
    ich fühl mich auch gleich ein stück ge-detoxt.
    liebe grüße von ulma

  • 11 Jahren ago

    Ich liebe es , barfuß zu laufen. Herrlich, wenn man es dann auch noch in solch wunderbarer Umgebung tun kann.

  • 11 Jahren ago

    das sieht aber nach einem schönen ausflug aus :).

  • 11 Jahren ago

    vielen dank, das muss ich mir unbedingt merken und ganz ganz bald hinfahren! schöne grüße, wiebke

  • 11 Jahren ago

    ein paRadies. so passend zu den ribbeckschen gedichtzeilen. und ma's leidenschaft auf dem baRfusspfad kann ich sehR gut veRstehen. habe dieses jahR auch einen besuch im baRfusspaRk eingeplant …. fReue mich schon jetzt, viele kleine kiesel unteR den fußsohlen zu spüRen.
    liebe gRüße. käthe. die von deinen bildeRn auch ganz begeisteRt ist und sofoRt ins havelland möchte.

  • 11 Jahren ago

    gerade die Augen geschlossen und das Gedicht zitiert…und oh Wunder ich hab's noch fehlerfrei hinbekommen… warum fällt einem Kind das auswendig lernen so leicht und als Erwachsener hat man bereits bei Namen Probleme ??? naja, wenn interessiert das 😉 …muß ein toller Ausflug gewesen sein 🙂
    Liebst Uli – die Kramerin

  • 11 Jahren ago

    Da möchte ich auch urlauben.

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