Ein Blick hinter den Milchsalon (Musik für Kinder)

1. Februar 2016
Patricia Parisi (c) Hauptstadtmutti

Am letzten Sonntag war ich nach langer, langer Zeit wieder einmal auf einem Punkrock-Konzert. Im Columbia Theater. Um elf Uhr. Nein, nicht um dreiundzwanzig Uhr. Um elf! RANDALE hieß die Bielefelder Band, die laut Selbstauskunft so klingen ‚als ob die RAMONES, DIE ÄRZTE und die HOUSEMARTINS mit JOHNNY CASH Kindermusik machen würden‘. Kindermusik? Richtig. Ich war auf einem Kinderkonzert. Mit Ma. und Mann. Und wir hatten einen Riesenspaß! Möglich gemacht hat dieses generationenübergreifene Musikevent Patricia Parisi, die Frau hinter dem Milchsalon.

2013 hat die Künstlerin mit deutsch-italienischen Wurzeln die Konzertreihe ins Leben gerufen – genervt vom verkitscht-braven Musikangebot für Kinder. Auf ihren Bühnen wird die gesamte musikalische Bandbreite jenseits des Klassischen gespielt: Punkrock, Reggae, Ska, Jazz, Hip Hop, Pop und Rock. Im heutigen Montagsinterview erzählt sie unter anderem über die Hintergründe des Milchsalons und wie sie ‚ihre‘ Bands auswählt.

Vielen Dank, liebe Patricia, für das kurzweilige Gespräch und wünsche euch damit einen gelungenen Start in die neue Woche.

Was ist der Milchsalon und wer steht dahinter?

Der Milchsalon ist ein Ort, an dem auch und ganz besonders Kinder sich wohl fühlen sollen, an dem sie als Rezipienten wahr- und ernst genommen werden und an dem sie auch ruhig barfuß laufen oder Purzelbäume schlagen können, wenn sie wollen. Ein Ort, an dem sie leise oder lauthals ihre Begeisterung zum Ausdruck bringen können. Ein speziell ausgewählter Ort, an dem Kinder eigentlich noch nichts zu suchen haben, zum Beispiel ein szeniger Club, der den Eltern, ein vielleicht schon lange vermisstes Ausgeh-Gefühl schenkt (Yeah!) – und Kinder nicht kleiner hält, als sie es ohnehin noch sind! (Yeah! Yeah!)
Ich möchte Kindern schöne Erlebnisse schaffen und wichtige Erfahrungen ermöglichen sowie den Austausch zwischen den Künstlern, Kindern und Eltern. (Oft hüpfen die Kinder nach den Konzerten auf die Bühne und bespielen die Instrumente. Bei einigen spüre ich förmlich, wie eine Leidenschaft entfacht.)
Dahinter stecke ich – ganz allein!

Was hat dich motiviert, den Milchsalon ins Leben zu rufen?

Seit vielen Jahren arbeite ich im Bereich Booking und Promotion. Musik hat mich schon zeitlebens interessiert und begleitet. Die Kindersparte mit all ihren Facetten, von lehrreich bis moralinsauer, hat sich mir konsequenter Weise erst durch meine Sprösslinge eröffnet. Gerade in dieser Branche gibt es einfach zu viel Trash gegen den ich mich vehement versuche zu wehren.
Der Milchsalon soll Kinder an „gut gemachte“ Musik heranführen und sie zum Musizieren, Tanzen und Ausflippen animieren.

Wie und wo findest du die Bands und nach welchen Kriterien suchst du sie aus?

Anfangs habe ich mich virtuell durch verschiedenste Foren gequält. Als ich schließlich die ersten Bands entdeckte, kamen recht bald Anfragen von den Musikern selbst.
Leider habe ich sehr strenge Auflagen, die ich einhalten muss. Außerdem ertrage ich keine zu schrille Kostümierung oder total albern klingende Bandnamen. Um sicherzustellen, dass die Musik inhaltlich auf die Interessen der Kinder von heute eingeht und Spaß macht, ohne albern zu sein, lasse ich alles vorab von meinen Kindern testhören. Manchmal muss ich dann meine eigenen hohen Ansprüche ein wenig zurückschrauben. Doch wer durch diese letzte Instanz fällt, ist raus.

Ursprünglich war der Milchsalon im Grünen Salon der Volksbühne ansässig. Heute findet er in „Clubs und klassische Venues, in abgetakelten Gartenlokalen und in Bastionen der Hochkultur, in Büroetagen, Schulen und auf die grüne Wiese“ statt. Warum?

Ursprünglich fand er sogar im Roten Salon der Volksbühne statt und nannte sich der ROTE MILCHSALON. Dort durfte ich dann – aus ganz perfiden Gründen, die jetzt den Rahmen sprengen würden – leider nicht mehr agieren. So bin ich in den Grünen Salon abgewandert. Der Milchsalon soll möglichst immer in Clubs stattfinden. Das ist ja ein wichtiger Bestandteil des Konzeptes.
Der zitierte Zusatz bezieht sich lediglich auf die Möglichkeit, ein privates Milchsalon-Konzert (wo auch immer!) zu buchen.

Wie funktioniert der Milchsalon?

Es ist ein One-Woman-Totaleinsatz. Da ich (gefühlt) jeden einzelnen Gast namentlich kenne, funktioniert er bislang nur durch meine Guerilla-Marketing-Kampagnen in Bio-Läden, beim Kinderarzt, in Schulen, Kitas etc. und vornehmlich in meinem Aktionsradius.
Oft kommt mir zu Ohren: „Das ist ja eine super Idee. MILCHSALON? Habe noch nie davon gehört.“ Hätte ich mehr Multiplikatoren und Unterstützer, könnte deutlich mehr passieren und auch unbekanntere Bands hätten eine Chance auf der Bühne zu stehen, ohne dass es mich gleich in den finanziellen Ruin stürzt.

Was steht dieses Jahr auf dem Programm des Milchsalons?

Ich plane schon seit vielen Jahren ein größeres Kindermusik-Festival. Mehrtägig mit tollen Bands, die in verschieden Locations auftreten. Leider kam mir eine große Agentur, die über die nötigen Zahnräder und Gelder verfügt, letztes Jahr zuvor.
Dieses Jahr werde ich von großartigen Musikern unterstützt und wir stellen ein kleines Kinder-Musikfestival (am 30. Oktober 2016 ab 15 Uhr im Columbia Theater) auf die Beine. Außerdem werden wir internationaler. Berlins internationaler Kinderreichtum schreit förmlich danach.

Wer ist Patricia Parisi?

Eine relativ kleine, aber dennoch auffällige Person mit deutsch-italienischen Wurzeln und Mutter dreier Kinder. Ich habe einen erwachsenen 20-jährigen Sohn, den ich sehr jung bekam und eine kleine Nachhut aus Teenager-Girl (11) und Judoka-Meister (8).
Eine zeitlang habe ich Romanistik und Kunstgeschichte studiert, erlangte dann aber zu der Erkenntnis, dass ich doch eher eine Kunstschaffende als eine Theoretikerin bin.

Was ist deine Lieblingsmusik?

Musik, die mir unter die Haut geht, meine Seele berührt oder meine Füße wippen lässt. Ganz stimmungsabhängig Soul, Rock’n Roll, Ska oder Pop. Das kleine Einmal-Eins der Musikstile.

Was sind deine liebsten Orte in Berlin und welche Orte meidest du (warum)?

Ich liebe: Die Insel der Jugend. Warum? Wegen ihres poetischen Namens und weil es dort den schönsten Bootsverleih an der Spree gibt: „Kanuliebe“ verleiht Tretboot-Klassiker aus den 50ern.
Ich meide kommerzielle Einkaufszentren und Großveranstaltungen. Warum? Ich bin knapp unter 1,60 m. Das macht es furchtbar anstrengend.

Und zum Schluss: Dein Kultur-Tipp der Woche?

Für Kids: Am 7. Februar ab 14 Uhr treten Die Blindfische im Rahmen des Milchsalons im Grünen Salon auf.
Für Erwachsene mit Hang zum DADA: 1932 Rare Photographs by George Grosz in der Side by Side Gallery Berlin.

3 Comments

  • 8 Jahren ago

    Oh wie toll, wir freuen uns auf Sonntag! Liebe Grüße an Euch, Wiebke

  • 8 Jahren ago

    Yeah, Yeah, Yeah. 🙂 Das ist ja wirklich ein großartiges Konzept. Wollte ich nur mal gesagt haben ohne in den Lostopf zu springen. l.g Alex

  • 8 Jahren ago

    Ein tolles Konzept und eine spannende Frau! Wir waren mal bei einem Konzert im Heimathafen und es war ein großer Spaß. Wir würden uns alo über eine Freikarte freuen! Liebe Grüße, Wiebke

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