Ein Blick hinter BerlinDesignBlog

22. Juni 2015

Die Welt ist klein. Das ist nichts Neues. Die Wissenschaft vertritt schon seit den 1960er Jahren die These, dass jede/r jede/n über sechs „Ecken“ kennt (siehe: Kleine-Welt-Phänomen). Aber mich überrascht es doch jedes Mal wieder aufs Neue.

Da stoße ich zufällig ein Blog und entdecke im Impressum, dass der Betreiber „um die Ecke“ wohnt. Und dann stellen wir im elektronischen Gespräch fest, dass wir fast zur selben Zeit am selben Institut studiert und eine gemeinsame Bekannte haben. Das ist doch schon verrückt, oder? Vielleicht kennt ihn die ein oder der andere von euch auch: den Kulturwissenschaftler und Weiterbilder Ingo Müller, der seit 2005 den BerlinDesignBlog macht.

In unserem Montagsgespräch geht es um Design und Gentrifizierung, Friedrichshain und Visionen für ein neues Miteinander. Vielen Dank, Ingo, für die spannenden Einblicke, mit denen ich allen einen guten Start in die Woche wünsche.

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Bild (c) Burg Halle
Wer steckt hinter dem BerlinDesignBlog? 
BerlinDesignBlog ist eine One-Man-Show von mir, Ingo Müller.
Du bist wie ich studierter Kulturwissenschaftler. Wo und wann und warum hast du „Kuwi“ studiert?
Ich habe an der HU Berlin Kuwi* studiert, von ’93 bis ’02. Der Zeitraum deutet es an: Es gab außer dem Studium noch andere Interessen. Ich habe mich damals hauptsächlich für Musik interessiert. Theoretisch in der Uni, praktisch in den Clubs.

*Kulturwissenschaft

Welchen Bezug hast du zum Design?
Da kam eins zum anderen. Los ging es mit der Publikation zweier Grafikdesign-Bücher zum Thema Fernsehturm und Berliner Bär. Ein Eigenverlag-Projekt mit zwei Freunden. Dann habe ich BerlinDesignBlog gegründet, bei designpool.berlin, einem Friedrichshainer Verein zur Förderung der Mode- und Designbranche, gearbeitet und mich in einer Weiterbildung zum PR-Berater mit dem Thema Öffentlichkeitsarbeit für Designlabels auseinandergesetzt. Seit 2008 verbindet mich meine Arbeit im Bereich Career Service an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle mit der gestalterischen Profession.
Was hat dich animiert und inspiriert, den BerlinDesignBlog ins Leben zu rufen? 
BerlinDesignBlog ging schon 2005 an den Start. Blogs waren damals das neue Ding in Deutschland. Das bot mir die Möglichkeit frei und öffentlich über Design in und aus Berlin zu berichten und dabei eine Plattform für Design zu bieten, um das Thema stärker zu nach vorne zu bringen. Bald wird der Blog 10 Jahre alt. Entweder es gibt dann endlich mal ein neues Design zum Geburtstag oder bis dahin wird das alte Template wieder hipp… 😉
Du lebst und/oder arbeitest in meinem neuen Kiez in Friedrichshain. Was zeichnet den Kiez für dich aus?
Ich wohne seit 1999 im Friedrichshain. Seitdem hat sich natürlich vieles verändert, aber glücklicherweise nicht ganz so drastisch wie auf dem Prenzlauer Berg. Der Kiez bietet alles was ich brauche und das meistens um die Ecke. Außerdem mag ich die Mischung unterschiedlichster Menschen. Ich bin froh im Samariterkiez zu wohnen, also etwas abseits vom Touri-Spektakel im Südkiez*.

*Kiez südlich der Frankfurter Allee rund um den Boxhagener Platz

Wie verändert sich der Kiez in deinen Augen durch die neuen Wohnhäuser und ihre Bewohner/innen?
Das wird sich noch zeigen, wenn die neuen Eigentumsbutzen alle bezogen sind. Eine Verspießerung ist schon zu befürchten. Sozial sieht anders aus, schön meistens auch. Was meinst Du als Teil der Gentrifizierung?* Meine Miete ist schon gestiegen, aber noch im Rahmen. Die bisherige Entwicklung hat Vor- und Nachteile. Vieles ist durch das Mehrangebot bequemer und bunter geworden, vieles rührt den Friedrichshain aber auch in den großen Einheitsbrei ein, vor dem doch so viele nach Berlin geflohen sind.

*Das ist eine interessante Frage. Ich bin noch dabei, mir eine Meinung und Position zu entwickeln. Derzeit hänge ich an der Frage, wie sich „sozialer Aufstieg“ und Gentrifizierung zueinander verhalten. 

Welche Herausforderungen sind deiner Meinung nach mit den aktuellen Veränderungen für den Kiez verbunden? 
Ich habe nicht das Wissen, um hier klare Forderungen zu stellen. Ich habe aber den Eindruck, dass der Bezirk zunehmend keinen Platz mehr für sozial Schwächere bietet. Regelungen wie die Mietpreisbremse werden verpuffen. Wir brauchen Visionen für das Miteinander und müssen uns gegen die neoliberale Unterwanderung stellen.
Der Wochenmarkt auf dem Boxhagener Platz (c) kochtrotz
Hast du ein paar Ausgeh- und Einkaufstipps für mich als Neufriedrichshainerin in und um unseren Kiez?
Bei mir bedeutet einkaufen meist Essen einkaufen: Samstags auf den Boxi, frischer Fisch aus dem Frischeparadies, asiatisch futtern beim Thai Curry… Um zu erfahren, wo die geilste Party abgeht, musst Du die jungen Leute fragen! 😉

3 Comments

  • 9 Jahren ago

    Aus meiner Sicht hat sich der Kiez schon drastisch geändert. Auch ich wohne seid 99 hier und mittlerweile fehlt mir oft die Luft zum Atmen. Wir haben keine nennenswerten Grünflächen in unmittelbarer Fußnähe, so dass sich zumindest das öffentliche Leben auf engsten Frei-Raum stabelt. Die Genervtheit steigt gerade im Sommer proportional mit den Temperaturen. Wirklich jede Baulücke wird mit "sozial sieht anders aus, schön meistens auch" gefüllt. Den neuen Bewohnern kann man da keinen Vorwurf machen, die Nutzen schlichtweg Angebote. Auch ich genieße viele neue Angebote die es hier früher so nicht gab. Aber noch mehr vermisse ich die Leute, die diesen Kiez zu dem gemacht haben, was ihn nun so reizvoll erscheinen läßt. Für Projekte/Clubs wie Rosa Rose, Antje Ökelsund, Lovelite, ….ist nun kein Raum mehr da. FH ist ausverkauft, eine Koexistenz war leider nicht möglich. Das stimmt mich schon nachdenklich.

    • 9 Jahren ago

      Das klingt drastisch. Und macht nachdenklich….

  • 9 Jahren ago

    Wir sind auch Fans von diesem Blog!

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