Vergangenen Samstag waren wir auf dem Flughafen Tempelhof. Anlass war das DMY International Design Festival, das dort zum 3. Mal mit seiner zentralen Ausstellung vertreten war. Schon 2011 und 2012 waren wir dort und ich war stets begeistert. Dieses Mal hingegen wollte sich die Euphorie nicht recht einstellen. Nicht dass sich die internationale Design-Ausstellung wesentlich verändert hätte. Wie die Vorjahre setzten die Kurator/innen auf zukunftsweisende Trends wie Upcycling, Ressourcenleichtigkeit, neue/nachhaltige Produktions- und Geschäftsmodelle; auch dieses Mal dominierte der Charakter des Improvisierten, Experimentellen und Avantgardistischen – dem konnten auch die zentral platzierten Hochglanzmodelle von Mercedes, BMW und Audi nichts anhaben. Und trotzdem oder gerade deshalb blieb die Begeisterung aus. Irgendwie, so schien mir, hatte ich alles schon irgendwo einmal gesehen. Wirklich Neues im Vergleich zu den Vorjahren konnte ich nicht kaum entdecken. Daran änderte auch der grundsätzlich spannende Länderfokus Polen wenig.
Funktion und Formensprache, Materialien und Konzepte der jungen Designer/innen zahlten wie schon die Jahre zuvor auf das Konto ‚Nachhaltigkeit‘, ‚Mobilität‘ und ‚Urbanität‘ ein. Leichte Natur- und Recyclingmaterialien, modulare und flexibel anpassbare Systeme mit einem Hauch von D.I.Y., bunte Farben einerseits und Naturtöne andererseits dominierten das Gelände, durch das überwiegend jüngere Menschen im berlintypischen Hipster- und Blogger-Style mäanderten. Ästhetisch bewegte sich die DMY 2013 zwischen
Monoqi und
Manufactum. Die wandelbare Leuchte
Eikon etwa oder die hölzernen großen Sonnenbrillen von
Palo hatte ich gerade kürzlich auf dieser oder einer der anderen kuratierten Verkaufsplattformen gesehen. Andere Stücke wie die origami-inspirierten
Diago-Stühle oder
Lisa Kellers Waschtisch kannte ich bereits von einschlägigen Interior-Blogs.
Genau darin lag vielleicht die Schwäche der diesjährigen DMY Ausstellung: Sie richtet sich an die junge Stil- und Designavantgarde und hinkt ihr gleichsam hinterher. Denn die ist der analogen Welt mit ihren Blogs, E-Magazinen und Online-Plattformen immer einen Schritt voraus, und die Ausstellungsmacher/innen haben es dieses Mal versäumt, die Vorteile des Offline-Daseins zu nutzen: So gab es keinen Ausstellungskatalog, sondern nur eine haptisch und optisch wenig attraktive Aussteller-Zeitung. Raum für spannende Diskussionen – wie es das
Symposium auf der letzten DMY bot – fehlte. Auch das Workshopangebot war deutlich abgespeckter und exklusiver. So fand das 2012 noch als integraler Festivalbestandteil kommunizierte
MakerLab – ein 300 qm großer Workshop-Bereich zur spielerischen Erforschung und Gestaltung neuester Materialen und Technologien – nicht mehr statt. Mitmach-Workshops wurden nur in kleinem Maßstab von einzelnen Ausstellern angeboten. Sicherlich gab es für diese Abstriche gute Gründe, aber mir scheinen die Prioritäten nicht ganz glücklich gesetzt. Doch genug der Kritik. Die diesjährige Ausstellung hielt auch einige Schätze und schöne Überraschungen bereit.
Überraschend schön waren zum Beispiel viele Küchen- und Tischwaren – wie überhaupt die starke Fokussierung auf das Zubereiten und Einnehmen von Speisen. Die
Akademie of Fine Arts Gdańsk beispielsweise lud zu Tisch und präsentierte in der Installation
Around the Table Gebrauchsgegenstände rund ums Essen. Ins Auge fielen mir hier etwa die so witzig wie innovativen Backformen aus Teflon-Wachstuch von Gosia Kapuścińska (Foto oben rechts). Auch die
Universität Lund deckte eine Tafel. Sie drehte sich um die Frage des Verzichts und antwortete mit japanisch-schlichten Küchenutensilien aus Holz (Foto unten rechts). Schlichte Schönheiten mit fernöstlichem Bezug präsentierte auch
Nikita Bhate: Sein Teeservice
Chai wurde inspiriert von der indischen Straßen-Teekultur (Foto links). Unter den Möbeln zählten besonders
Stephanie Hornigs Coach aus der Kollektion
Camp – ein Schlafsack auf Beinen,
Lisa Kellers so genialer wie schöner Waschtisch
Plat´eau und
Hanna Emelie Ernstings witzig-minimalistische
Pet Stools (siehe unten) zu meinen Favoriten.
War jemand von euch auch auf der DMY? Was waren eure Lieblingsstücke? Und wie hat es euch gefallen?
Für all diejenigen von euch, die die DMY nicht besuchen konnten: die Süddeutsche Zeitung hat einen schönen Rundgang durch die Ausstellung gemacht und die Design-Plattform kizuco eine umfassende Rückschau.
°°°Über DMY Berlin
Es begann 2003 mit einer Idee und 20 Freund/innen: Im Rahmen des damaligen
Designmai – einer großen Leistungsschau von Berliner Designer/innen – organisierte der heutige DMY-Chef Jörg Suermann ein kleines Festival, um jungen, unbekannten Designer/innen aus Berlin ein Forum zu bieten: das
Designmai Youngsters, daher das Kürzel DMY.
‚Ich habe damals einfach 20 Freunde eingeladen und sie gebeten, einen Eimer Farbe mitzubringen‘, erzählt der Designer und Videokünstler mit dem Pseudonym
Supermann, ‚
dann haben wir auf kleiner Fläche unsere Sachen gezeigt und abends Partys gefeiert.‘
Heute ist
DMY Berlin das größte Festival für zeitgenössisches Produktdesign in Deutschland und steht für ‚
Daily, Monthly, Yearly‚. Denn
DMY Berlin zeigt nicht nur im Rahmen des Berliner Festivals junges Design aus aller Welt, sondern präsentiert das ganze Jahr über in aller Welt junge Designer/innen aus aller Deutschland: auf der Mailänder Möbelmesse zum Beispiel, in Asien und Lateinamerika. Einmal im Jahr bringt
DMY dann die ganze Welt des Designs in Berlin zusammen. Neben jungen und unbekannten Designer/innen finden sich dort mittlerweile auch etablierte Namen und große (Auto-)Marken wie Mercedes, BMW und Audi. Seit letztem Jahr wird dort außerdem der
‚Designpreis der Bundesrepublik Deutschland‘ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vergeben. Doch dem Charakter des Improvisierten und Avantgardistischen hat das ‚Establishment‘ wenig an. Dafür sorgt nicht zuletzt das Flair des ehemaligen Flughafenhangars.
Sehr prägnant zusammengefasst, liebe Indre! Für mich waren auch die Pet Stools DAS Highlight – mal wirklich etwas Neues. Spielerisch und zugleich sehr professionell umgesetzt, mit einem innovativen Material. Auch das Wohnwagenprojekt der Dänen hat mich begeistert. Allgemein fand ich, dass der Besucher schlecht geführt wurde. "Arrivierte Designer", Talente, Akademien/Schulen, Polen – alles war irgendwie gemischt und nicht klar abgetrennt – oder ich habe die Aufteilung nicht gecheckt…
Liebe Viviane,
danke für die Ergänzung. Die Besucherführung war auch die vergangenen Male recht erratisch. Daher ist es mir wohl gar nicht mehr aufgefallen, dass es eigentlich keine gab 😉
Schade, dass wir uns nicht begegnet sind!
Herzlich
I.
in das teeservice bin ich allerdings auch sehr verliebt!
danke für den feinen einblick, deine gedanken, die links.
die Küchendinge finde ich sehr sehr fein . sie gefallen .
merci für's ein bisschen in Tempelhof mit schauen können .
das teeservice aus lund ist ein traum!
lieben dank dir fuer den bericht und fuer das link-futter.
sag, sehe ich das richtig, dass das 'wiederverwandt' team vor ort war? gab es einen vortrag oder workshop?
freundlich grueßt
rike
Ja, sie waren dort, die 2. Aber ich habe sie lediglich beim Plat´eau gesehen. Einen WS haben sie — soweit ich das mitbekommen habe (und das war längst nicht alles) — nicht gemacht.
danke dir für diesen bericht!
dieser pünktchen/tropfen stoff/gardine da ganz oben rechts – woher? ich hab mich auf den ersten blick verliebt…
Das ist eine Bluse" gefüllt mit Styropor-Kugeln. Ich meine es war von Absolventen/Studenten der Akademie of Fine Arts in ŁÓDŹ (http://dmy-berlin.com/de/festival_2013/central_exhibition/academy-fine-arts-%C5%82%C3%B3d%C5%BA. Habe mich auch spontan in die filigran-fremden Blusen-Wesen dort verliebt.
und ich dachte schon, es handelt sich um eine neuinterpretation der sichtschutzstores oder wie auch immer man die nennt:)
sehr hübsch, auch als bluse!