Man kann auch im Kleinen viel bewegen | Interview mit Sophie Lüttich

15. August 2016

Kennen gelernt habe ich Sophie auf einem Workshop zum Thema „Bloggen als Business“. Keine von uns beiden hat das Bloggen zum Full-Time-Business ausgebaut. Doch das muss man auch nicht, ist die Dreifachmutter und PR-Expertin überzeugt. Man kann auch im Kleinen viel bewegen. Wie? 

Das hat die Teilzeit-Bloggerin vergangenes Jahr auf sehr eindrucksvolle Weise gezeigt. Für ein Krebshilfe-Projekt ließ  sie ihre wunderschönen langen Haare abschneiden und sammelte 1.500 Euro zusammen.

NIEMAND MUSS VOLLZEIT-SAMARITER WERDEN. MAN KANN AUCH IM KLEINEN VIEL BEWEGEN.

Sophie Lüttich

Wie es dazu kam, wo sie die Möglichkeiten und Grenzen des Bloggens sieht und warum sie eigentlich nie ans Aufhören gedacht hat – das und mehr erzählt sie im heutigen Montagsinterview. Hab‘ vielen lieben Dank, Sophie, für das inspirierende Gespräch!

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Sophie: Mutter von 3 Kindern, Berlinerin, Kommunikationsfrau, Bloggerin – was noch? Was nicht? Was wäre schön und ist noch nicht?

Erst einmal muss ich mich wohl outen, denn wohne zwar mitten in Berlin, bin aber keine gebürtige Berlinerin. Eigentlich bin ich noch nicht einmal eine Wahlberlinerin, denn meine Eltern zogen hierher, als ich neun Jahre alt war. Aber die große Stadt und ich, wir haben uns über die Jahre kennen und lieben gelernt.

Zum Bloggen bin ich gekommen, als ich mit meinem Sohn in Elternzeit war. Es war das sprichwörtliche Kribbeln in den Fingern und die Neugier, was es mit dem Bloggen so auf sich hat. Ich wollte schon als Kind immer wissen, wie Dinge funktionieren. Und am besten versteht man nun mal das, was man selbst tut.


ICH WOLLTE SCHON ALS KIND WISSEN, WIE DIE DINGE FUNKTIONIEREN. UND AM BESTEN VERSTEHT MAN NUN MAL DAS, WAS MAN SELBST TUT.


Und was tue ich so? Ich bin Referentin für Kommunikation mache klassische Öffentlichkeitsarbeit im sozialen Sektor. Dabei habe ich natürlich den angenehmen Effekt, dass ich das Wissen als Bloggerin mit in den hauptberuflichen Job einbringen kann und umgekehrt.

Ich werde relativ oft gefragt, wie das denn ginge, Familie, Job und das Bloggen in Einklang zu bringen. Dabei ist die Lösung ganz einfach. Ich kann als Frau vieles sein, aber nicht alles gleichzeitig. Wenn man so will, bin ich eine klassische Teilzeitmutter. Den Begriff kann man gut finden oder nicht. Aber wenn man es ganz zu Ende denkt, sind wir genau genommen alle Teilzeitmenschen. Wenn ich einer Sache viel Zeit und Energie widme, habe ich weniger für andere Dinge.

Zum Glück haben wir es – zumindest in den meisten Fällen – selbst in der Hand, welchem Teil unseres Lebens wir gerade wieviel Aufmerksamkeit widmen wollen. Was wäre zum Beispiel schön und ist es nicht? Von den Fenstern in unserer Wohnung ist nur das größte und schönste geputzt, die anderen schändlich vernachlässigt. Und was das Bloggen betrifft: Ich habe verschiedene Artikel im Kopf schon fix und fertig verbloggt, aber bis jetzt gibt es sie eben nur dort. Manchmal wünschte ich mir das Plugin, dass meine Gedanken direkt aus dem Kopf in einen neuen Blogbeitrag hinein bringt. Andererseits ist der Gedanke auch ganz tröstlich, dass immer, wenn ich wenig Zeit für die „digitale Welt“ habe, sich gerade in der „analogen Welt“ unheimlich viel bewegt.

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Vor rund einem Jahr hast du deine wunderschönen langen Haare für Kinderhospize gespendet. Heute trägst du sie wieder halblang. Warum nicht weiter kurz?

Ich habe vor fast genau einem Jahr, im Sommer 2016 meine Haare für krebskranke Kinder gespendet. Ich hätte das natürlich auch still uns leise für mich tun können. Den Verein Haarfee e.V. in Wien hätte es bestimmt auch so gefreut. Aber da kam die Kommunikationstante in mir wieder durch. In meiner Abschlussprüfung zur Stiftungsmanagerin ging es um das Prinzip der Hebelwirkung bei gemeinnützigen Organisationen.

Mein Hebel war die Reichweite, die ich als Bloggerin habe. Zum einen habe ich auf meinem Blog darüber informiert, wie man seine Haare spenden kann und welche Beweggründe ich hatte, sie an einen Verein zu spenden, der daraus Perücken für Kinder anfertigt. Zum anderen habe ich auf einer Spendenplattform eine Sammelaktion gestartet. Für jeden zehnten Euro wollte ich einen Zentimeter mehr meines Zopfes spenden, auch wenn das bedeutete, dass mein Zopf direkt am Haaransatz abgeschnitten werden würde. Für rund 30 Zentimeter Zopf hatte ich mir also 300 Euro erhofft, zumal es eine sehr spontane Aktion war.

Noch vor dem Sommerurlaub wollte ich die Haare spenden. Zusammen gekommen sind über 1.500 Euro, die ich an ein Berliner Kinderhospiz und ein Hamburger Kinderhospiz weiterleiten konnte. Es darf übrigens weiterhin gespendet werden. 😉

Ganz rund wäre die Geschichte vielleicht sogar gewesen, wenn ich meine neue Kurzhaarfrisur auch noch für immer heiß und innig geliebt hätte. Viele haben gesagt, die kurzen Haare hätten mir gut gestanden und ich habe mich über die Komplimente sehr gefreut. Tatsächlich habe ich meine langen Haare aber sehr vermisst. Sie gehören einfach zu mir dazu und deswegen habe ich seit der Haarspende nicht ein einziges Mal eine Schere an mein Haar gelassen. Trotzdem bereue ich es keinen Moment lang. Meine großen Kinder fanden die Haarspende „sehr cool“. Die Jüngste hatte noch nicht verstanden, warum ich auf einmal so anders aussah.

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Du hast über deine so ungewöhnliche wie eindrucksvolle Spendenaktion berichtet und damit andere inspiriert und animiert. Ist das die viel diskutierte „gesellschaftspolitische Dimension“ von Lifestyle- resp. Elternblogs?

In Bloggerkreisen fällt oft der Begriff der Reichweite. Allzu oft geht es dabei nur um Zahlen, die Klicks auf Blogartikel und Follower auf den Social Media Kanälen beschreiben. Was ich mir wünschen würde ist, dass mehr Blogger beim Begriff Reichweite auch im Hinterkopf haben, was sie gesellschaftlich damit erreichen können.


ICH WÜRDE MIR WÜNSCHEN, DASS MEHR BLOGGER BEIM BEGRIFF REICHWEITE IM HINTERKOPF HABEN, WAS SIE GESELLSCHAFTLICH DAMIT ERREICHEN KÖNNEN.


Mir war es ganz wichtig, dass ich ausführlich über die Aktion berichte, obwohl es auf meinem Blog sonst eher um „fluffige Themen“ geht, wie ich sie immer gern nenne. Es geht ums entspannte Reisen mit Kindern, ab und zu etwas Schönes fürs Kinderzimmer oder Alltagsbeobachtungen zu Mütter- und Erziehungsthemen. Der Punkt ist, dass niemand zum Vollzeit-Samariter werden muss, sondern schon im Kleinen viel bewegt werden kann. Was mich manchmal nervt ist die Einstellung, man könne sowieso nicht die ganze Welt retten, und fängt deshalb gar nicht erst an.

Unter der Überschrift „Utopie? Nennt mich naiv. #keineAngst“ hat übrigens Reisebloggerin Inka von Blickgewinkelt vor kurzem einen, wie ich finde, sehr treffenden Artikel dazu veröffentlicht. Der für mich entscheidende Satz daraus lautet: „Fang da an, wo Du es kannst.“ Für mich sind deshalb gerade Lifestyle- und Elternblogs eine spannende Nische, weil die Bloggerinnen die Chance haben zu zeigen, dass sich gesellschaftliches Engagement und andere Themenschwerpunkte nicht ausschließen.

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Du lebst wie ich in Friedrichshain. Was sind deine liebsten Orte? Welche meidest du?

Mit drei Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter bleibt es nicht aus, dass man mich öfter auf dem einen oder anderen Spielplatz antrifft. Tatsächlich mag ich aber die meisten Spielplätze hier ziemlich gern. Man trifft immer irgendjemanden, den man kennt und der nächste Bäcker oder Eisladen ist auch nicht weit.

Ich bin auch sehr gern in der Gegend rund um die Simon-Dach- Straße und den Boxhagener Platz unterwegs – beim Lieblings-Thailänder oder auf einen leckeren Burger. Nur nicht gern abends am Wochenende. Da sind mir inzwischen einfach zu viele Touristen. (Oder es nicht gar nicht mehr Touristen als noch vor ein paar Jahren ich bin einfach nur zu alt geworden für so viel Gewusel auf den Bürgersteigen.)

Friedrichshain mit Kindern: Was sind deine Tipps?

Der Volkspark Friedrichshain ist ein wahres Paradies für Kinder. Es gibt den wunderschönen Märchenbrunnen, mehrere Spielplätze und der Mont Klamott (der eigentlich „Großer Bunkerberg“ heißt), ist gerade für jüngere Kinder schon ein kleines Abenteuer.

Am Comeniusplatz gibt es das Theater der kleinen Form, ein zauberhaftes Puppentheater mit angeschlossenem Café und einem Spielplatz gleich gegenüber auf der anderen Straßenseite.

Auf dem Abenteuer- und Bauspielplatz „Forcki“ am Forckenbeckplatz können Kinder mit echtem Werkzeug hämmern und sägen. Es gibt dort viele Holzhütten, einen Lehmofen, ein Baumhaus und oft brennt auch ein Lagerfeuer.

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Kommt dir manchmal der Gedanke, mit dem Bloggen aufzuhören?

Es ist schon ein paar Jahre her, da nahm ich am Blogst Workshop zum Thema „Bloggen als Business“ teil. Du und Ricarda von 23qm Stil habt diesen Workshop geleitet. In dieser Zeit habe ich überlegt, ob ich womöglich in Vollzeit bloggen möchte oder ob es Hobby bleiben soll. Seitdem ist viel passiert und ich habe beschlossen, dass ich in dem, was ich als Bloggerin tue, professionell sein möchte, auch wenn ich es nicht als Profession im Sinne eines Berufes betreibe.


ICH HABE NICHT DEN ANSPRUCH TÄGLICH AUF MEINEN SOCIAL MEDIA KANÄLEN PRÄSENT ZU SEIN. VIELLEICHT IST DAS EINE ART VON LUXUS, DEN ICH MIR ALS TEILZEITBLOGGERIN LEISTEN KANN. VIELLEICHT IST ES ABER AUCH DIE HOHEIT ÜBER DAS EIGENE MEDIUM, DIE SICH JEDER BLOGGER BEWAHREN SOLLTE.


Eine der ursprünglichen Bedeutungen von Profession (lateinisch: professio) ist “öffentliches Bekenntnis“. Ich gebe in öffentlichen Profilen an, dass ich Bloggerin bin und bin stolz darauf.

Ans Aufhören habe ich nie gedacht, aber meine Blogs werden sich sicher mit mir weiterentwickeln und sich meinem Leben anpassen (müssen). Ich habe mir zum Beispiel die Freiheit genommen, meinen zweiten Blog NetWorkingMom.de, in dem es um berufstätige Mütter geht, für mehrere Monate in die Babypause zu schicken. Ich hatte meine jüngste Tochter bekommen und wollte mich einfach nicht selbst unter Druck setzen, zwei Blogs zu unterhalten.

Auch generell erhebe ich nicht den Anspruch, auf meinen Social Media Kanälen täglich präsent zu sein. Vielleicht ist das eine Art von Luxus, den ich mir als Teilzeitbloggerin leisten kann. Vielleicht ist es aber auch die Hoheit über das eigene Medium, das sich alle, die einen Blog haben, bewahren sollten.

3 Comments

  • Ein schönes Gespräch, dass ihr beide da geführt und aufgeschrieben habt. Ich hab mich gefreut mitlesen zu können!
    … und zum letzten Absatz kann ich sagen: ja, so ist es. Vielleicht muss man nur ab und an dran erinnert werden. : )
    Liebe Grüße an Euch beide!

  • 8 Jahren ago

    Sehr gerne gelesen! Und viele Grüße an euch beide! <3

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