Wenig Strecke mit viel Geschichte. Oder mit dem Rad in Bowies Spuren. Teil I

1. Oktober 2014
Die Potsdamer Straße – nicht nur eine der verkehrs-, sondern auch geschichtsreichsten Straßen Berlins.
Vor einiger Zeit fragte mich Christiane von bikelovin für einen Gastbeitrag an: Ob ich eine Radstrecke vorstellen möge. Auf der Suche nach einer passenden Tour machte ich eine überraschende Entdeckung: Mein Weg ins Büro führt nicht nur über eine der interessantesten Straßen Berlins, sondern auch auf den Spuren einer der größten Popikonen unserer Zeit: David Bowie. Was also lag näher, als die knapp zwei Kilometer kurze Strecke zu nehmen, die wir – mit rund 37 Jahren Zeitunterschied – jeweils täglich fuhren bzw. fahren?
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Hier in der Hauptstraße 155 in Schöneberg lebte Bowie von 1976-1978 | Foto: Detmar Owen via Wiki Commons
Spätestens seit der Ausstellung David Bowie in Berlin ist allseits bekannt, dass der britische Musiker, Sänger, Produzent, Schauspieler und Maler von 1976 bis 1978 in der Hauptstraße 155 in Schöneberg lebte. In einer geräumigen Sieben-Zimmer-Wohnung im Vorderhaus, erstes Obergeschoss links, direkt über einem Autoteile-Händler. Er sei gekommen, so erzählt man sich, um sich in der halben Stadt drogenfrei neu zu (er-)finden. Das mit dem Neu(er)finden glückt, über seinen Drogenkonsum kursieren verschiedene Geschichten. Das Umfeld ist nicht eben ideal für Abstinenz. Westberlin gilt in den späten 1970ern als Hauptstadt der Fixer (Spiegel) und Bowie ist in den einschlägigen Lokalen anzutreffen: im legendären Dschungel etwa oder im berühmten Chez Romy Haag, wo nicht nur der Alkohol in Mengen fließt. Doch ganz gleich wie es sich mit den Drogen verhält, seiner Produktivität hat das wenig an. Bowie produziert drei Alben (Low, Hereos und Lodger) mit seinem größten Hit: Hereos
Die so genannte Berlin-Trilogie entsteht zu großen Teilen in den Hansa-Studios am Potsdamer Patz. Tobias Rüther, Autor des Buchs Helden. David Bowie und Berlin, weiß zu berichten, dass Bowie gewöhnlich zur Mittagszeit im Café Anderes Ufer (heute: Neues Ufer) Kaffee und Gitanes gefrühstückt und sich anschließend auf seinem Drei-Gänge-Raleigh auf den Weg zu den Studios aufmacht hat. Sein Weg führte die Potsdamer Straße Richtung Potsdamer Platz hinunter. ‚Damals war das eine ziemlich entspannte Angelegenheit, an Verkehrsstaus in West-Berlin der siebziger Jahre  kann sich kaum jemand erinnern‘, erzählt Tobias Rüther. Heute kommt es heute einem Kamikaze-Einsatz gleich. Das sollte man wissen, wenn man auf Bowies Spuren radeln will.
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Die Hansa Tonstudios im Jahr 1976 | Meisel Musikverlage via Wiki Commons
Unser gemeinsame Streckenabschnitt beginnt am U-Bahnhof Kleistpark und führt die Potsdamer Straße Richtung Süden bis zum Landwehrkanal, dort trennen sich unsere Wege. Das sind gerade mal zwei Kilometer. Doch so kurz die Strecke ist, so dicht ist ihre Vergangenheit. Da ist die Geschichte des Botanischen Gartens und der Verwaltung, des Neubauwahns und der Instandbesetzung, die Geschichte der Prostitution und der Asylheime, der künstlerischen Avantgarde und der Frauenbewegungen, die Geschichte der Läden und Hinterhofindustrie, der Verlage, Medien und Kneipen, des Rundfunks, der Gründer-, Kaiser- und der Kriegszeit et cetera. Einmal mit der Recherche begonnen, konnte ich kein Ende mehr finden und grub mich immer tiefer in die Schichten der Vergangenheit, bis die Routenbeschreibung schließlich vollkommen ausuferte. 
Spätestens auf Seite Sieben war mir klar, dass das zu viel Stoff für einen einzigen Blogpost ist. Statt zu kürzen, beschlossen Christiane und ich, ihn zu aufzuteilen und eine Serie daraus zu machen. Ab heute stellen wir also jeden Mittwoch einen Streckenabschnitt vor, bis wir gegen Jahresende voraussichtlich am Ziel sind. Das erste Teilstück wird heute um 12 Uhr auf bikelovin vorgestellt. Die Route findet ihr auf Google Maps.

Wer noch mehr und tiefer graben will, dem empfehle ich morgen (Donnerstag, den 2. Oktober 2014) ins Ex’n Pop in der Potsdamer Straße 157 zu gehen. Dort findet ab 22 Uhr die Party ‚Archäologie Westberlin‘  mit Wolfgang Müller (Die Tödliche Doris), Thomas P. (Mauerstadtmusik) und Susanna Tutapanna (Raritäten aus den 80ern) statt.

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An der Kreuzung Potsdamer Straße Ecke Schöneberger Ufer trennen sich unsere Wege | Foto: ‚Kreuzung B1-B96 Berlin – Fahrbahnmarkierungen‘ von Raimond Spekking via Wikimedia Commons

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