Sie weiß, wo die »langarmigen Springgedanken« wohnen und hat immer Glück, auch wenn sie mal Pech hat. Die Sprache ist {neben Hamburg} ihr Zuhause und ihr Instrument: Sie übersetzt vom Englischen ins Deutsche, vom Profanen ins Poetische und vom Schweren ins Leichte. Außerdem schreibt sie ein Blog und »Mücken an der Wand«… so der Titel ihres ersten Romans. Der dreht sich um Ylvie Unverdorben, einer Erotikautorin, die sich neu erfinden will und darum das Weite sucht.
Nun, wisst ihr schon, um wen es geht? Wer Ylvie erdacht hat und mit langarmigen Springgedanken auf Semantikwolken schwebt? Nein? Na, die fabelhafte Ruth Frobeen. Und mit ihren wunderbaren Antworten wünsche ich euch nun einen gelungenen Start in die neue Woche. – 1.000 Dank fürs Hiersein, liebe Ruth.
Wer ist Ruth Frobeen und wie wurde sie, was sie ist?
Ruth hat immer Glück, auch wenn sie mal Pech hat – zum Beispiel in der Liebe. Glück ist für sie eine Entscheidungssache und hat weniger mit Dingen zu tun als mit dem grenzenlosen Vertrauen, dass sich schon alles fügen wird. Ruth ist immer in Bewegung und verändert sich gerne, weil es so verdammt viele Möglichkeiten im Leben gibt. Sie ist Übersetzerin, Texterin, schreibt Märchen und hat gerade einen Roman geboren, der dieses Jahr noch erscheint, wenn die Sterne günstig stehen. Sie lebt mit ihrer Familie in Hamburg und kommt ständig mit wildfremden Leuten ins Gespräch.
Als Kind hattest du Gedankensprünge, die deine Mutter bisweilen verrückt machten, erzählst du im Comic-Interview mit Nathalie Bromberger. Wie sehen springende Gedanken aus? Und {wie} springen deine Gedanken heute noch?
Springende Gedanken haben lange Arme und winken mir zu. Sie leben in Semantikwolken und bringen kleine Schätze aus dem Unterbewusstsein zutage. Sie wollen meine Aufmerksamkeit, die sie auch manchmal kriegen. Dann sitze ich still da, schaue ins Nichts und lasse mich faszinieren.
Als Kind habe ich alles ungefiltert kommentiert. Ich glaube, ich habe wirklich sehr viel geredet. Den Gedankensprüngen zu folgen, ist für Außenstehende nicht immer einfach. Deshalb mache ich das mit mir selbst aus und nutze sie zum Beispiel für Geschichten.
Gedankensprünge haben etwas mit Querdenken und flexiblem Denken zu tun. Mein Mann tut das auch, was natürlich vieles einfacher macht.
Du liebst und schreibst Märchen. Warum?
Märchen sind eine Urform der Erzählung, sie sind wie Pralinen. Sie verdichten Geschichten, und wenn sie erzählt oder vorgelesen werden, entfalten sich die Geschichten wieder. Das finde ich faszinierend! Jeder gute Märchenerzähler gibt einem Märchen durch seine Erzählweise einen eigenen Charakter. Ich selbst schreibe lieber, als dass ich erzähle.
Es gibt Märchen, die ich überhaupt nicht mag, weil mich die Geschichten darin zu sehr erschrecken. »Hänsel und Gretel« finde ich zum Beispiel grässlich. Ich schreibe Märchen über Themen, die mich, meine Kunden oder die Menschen in meiner Umgebung beschäftigen. Wobei ich sagen muss, dass ich in letzter Zeit kaum Märchen geschrieben habe, da ich mit meinem Roman so beschäftigt war und keine Ressource mehr frei hatte, um auch noch andere Geschichten zu verdichten.
»Ich habe einige Sexromane geschrieben, die mich quasi über Nacht berühmt gemacht haben. Mich persönlich langweilen diese Bücher… Ich habe beschlossen, die Rolle der Erotikautorin abzulegen und bin ans Ende der Welt gefahren.«
Romanfigur und Sexautorin Ylvie Unverdorben im Gespräch mit Ruth Frobeen
Die Wirklichkeit ist nicht immer besonders märchenhaft. Wie »verzauberst« du solch prosaische Dinge wie das Internet, ein Motorrad oder einen Billigdiscounter?
Wald. Pferd. Verfluchter Krämerladen, in dem alles verkehrt herum steht! 🙂
Ich überlege mir einfach, was ist das für ein Ding und was machen die Leute damit. Das Internet ist beispielsweise ein Ort, wo Leute sich heutzutage kennenlernen. Häufig sieht man ja im Internet den Wald vor lauter Bäumen nicht, und schwups! hier hast du auch schon das Bild, das wir für das Märchen brauchen. Dann haben wir im Wald ein paar Zauberbäume, an denen Begegnungen stattfinden und Briefchen hinterlassen werden. Das lässt sich im Prinzip mit jedem »Ding« machen, das nicht besonders märchenhaft ist.
Das Geheimnis deiner Schönheit ist, wie du auf Texterella verrätst, die Leichtigkeit. Wie gelingt es dir {auch oder vor allem angesichts der gesellschaftlichen und globalen politischen Lage}, »die Dinge mit Leichtigkeit zu nehmen und der Schwere ihren Platz zu lassen«? Und wo hat die Schwere ihren Platz?
Die Schwere hat ihren Platz in mir drin. Ich kann sehr traurig und verzweifelt sein. Das zeige ich normalerweise nicht im Internet. Ist das unehrlich? Ich finde nicht. Oft gelingt es mir, den Dingen eine Leichtigkeit zu verleihen, indem ich sie in Relation setze. »The Work« von Byron Katie hat mich mit Anfang 20 beeindruckt und meine Sicht auf »Probleme« geprägt.
Die politische und gesellschaftliche Lage ist nur schwer zu verdauen, aber ich sehe auch viel Menschlichkeit um mich herum. Ich diskutiere viel über Politik – jedoch nicht im Internet, weil die Hemmschwelle zur Aggression mir dort deutlich zu tief ist. Das muss ich mir nicht antun. Mein ureigenes Leben ist tatsächlich ein sehr glückliches. Ich habe alles, was ich brauche und noch viel mehr. Ich versuche, von diesem Glück etwas abzugeben. Dazu gehört, den schweren Dingen eine Leichtigkeit zu verleihen und scheinbar Dramatisches zu entzaubern, wenn das möglich ist.
Und weil sie einen festen Platz in der Märchenwelt hat: Welche drei freien Wünschen darf die Märchenfee dir erfüllen?
Das ist eine lustige Frage! Ich erfülle mir meine Wünsche meistens selber, weil ich nicht an Feen glaube. Oje, habe ich das wirklich gesagt? 🙃
- Reise nach Island
- Erfolg meines Romans »Mücken an der Wand«
- Große Schüssel Salat
Wenn immer ihr die Möglichkeit habt Ruth in einer Lesung zu erleben. Versäumt es nicht!
Springende Gedanken das Wort hat mir gestern gefehlt!