»Ohne goldzahnigen Totenkopf wäre ich nicht, wie ich jetzt bin« – Im Gespräch mit Rike Drust

27. März 2017

Wie konnte das passieren? Wie konnte ich diese humorvolle, witzige, kluge Frau all die Jahre übersehen? Ich verstehe es nicht. Sie bloggt infemme seit 2006, twittert muttergefühlig seit 2011, schreibt die coolsten Werbetexte, ihr erstes Buch erschien ebenfalls 2011 {spätestens da hätte ich sie wahrnehmen können}, das Zweite kam 2014 heraus… es ist und bleibt ein Rätsel, aber egal, Hauptsache, ich hab‘ sie jetzt auf dem Radar. Wen? Rike Drust, die von sich selber sagt, dass »sie es ziemlich super findet, dass das Leben es gut mit ihr meint« und die mit ihrem Mann »sehr daran gearbeitet hat, dass es eigentlich nichts gibt, was nur eine/r von beiden machen kann«.

Was genau sie macht, wann ihr drittes Buch erscheint und warum es richtig ist, einen goldzahnigen Totenkopf auf dem Fuss zu tragen, darum geht es – neben anderem – im heutigen Montagsinterview. 1.000 Dank, liebe Rike, für das heitere Gespräch, mit dem ich allen einen fröhlich-frischen Start in die neue Woche wünsche.

Rike Drust

Rike Drust – wer ist das und warum?

Rike Drust ist eine kleine Frau. Sie ist 41 Jahre alt und erschreckt sich über die Zahl jedes Mal aufs Neue. Genau wie, wenn »junge Leute« sie siezen. Sie mag alles, was mit Schreiben zu tun hat. Deshalb ist sie gern Werbetexterin, Autorin und Bloggerin. Seit über zehn Jahren wohnt sie in Hamburg, seit 10 Jahren mit ihrem Mann, seit 8 Jahren mit ihrem Sohn und seit 3 mit ihrer Tochter. Sie findet ziemlich super, dass das Leben es gut mit ihr meint.

Du arbeitest als freie Werbetexterin. Mit welchem Text würdest du das heutige Leben auf der Erde einer/einem intelligenten Außerirdischen schmackhaft machen?

Vielleicht sollte ich sie eher überzeugen, meine Familie und mich mit auf ihren Planeten zu nehmen. Gerade finde ich die Mischung aus »Umwelt im Arsch« und »mittelalte weisse Männer wollen eine ätzende Welt zurück« hier nämlich etwas beängstigend.

Als du dein Buch »Muttergefühle« {2011} schriebst, war dein Sohn noch sehr klein und deine Tochter noch nicht auf der Welt. Wie haben sich deine Muttergefühle mit zwei nicht mehr ganz kleinen Kindern verändert?

Ich kann jetzt die Leute verstehen, die einen ständig auffordern, die Zeit mit kleinen Kindern gefälligst zu genießen, weil sie tatsächlich so schnell vorbei geht {auch, wenn diese Aufforderung meistens zu Zeitpunkten kommen, in denen man sie absolut gar nicht gebrauchen kann}. Genau wie die, die sich irgendwann einen Hund kaufen. Ich bin inzwischen ziemlich oft wehmütig, weil ich mir bis jetzt nur beim Großen vorstellen kann, was nach dieser Kleinkind-Innigkeit kommt. Aber ich freu mich auch drauf, beide Kinder verfügen über ausreichend Eigensinn und Humor, dass das Leben mit ihnen bestimmt noch sehr lang und sehr lustig wird.


»Ich finde es ziemlich super, dass das Leben es gut mit mir meint.«


2014 erschien dein 2. Buch: ein Familienroman. Die Mutter namens Jutta {reimt sich} ist in Abgrenzung zu ihrer Hippie-Mama bewusst konservativ. Wie bist du auf diese Konstellation und Person gekommen? Und was reizt dich an Jutta?

Bei den Personen im Roman hatte ich eigentlich nur eine Personen als Vorlage im Kopf, und das war Phil Dunphee aus Modern Family für den Vater {den ich allerdings nicht so lustig hingekriegt habe wie in der Serie}. Die anderen habe ich mir komplett ausgedacht, was ich nach dem extrem persönlichen Muttergefühle-Buch tatsächlich sehr befreiend fand. Alle Charaktere sind sehr fest in dem, was sie sind. Beschäftigt hat mich bei dem Mutter-Tochter-Ding, was eigentlich genau spießig ist. Also ist Jutta jetzt wirklich die Spießige, weil sie mag, wenn es immer gleich ist oder doch eher die Mutter, die manchmal etwas krampfig anders sein will? Und: Wenn du spießig bist, aber authentisch, ist das dann so schlimm oder nicht eigentlich voll egal?

Wie sieht es mit einem 3. Buch aus?

Das dritte Buch habe ich gerade fertig geschrieben. Es ist eine Fortsetzung von Muttergefühle. Gesamtausgabe und wieder eine sehr persönliche Gefühlssammlung. Dieses Mal über das Leben mit zwei Kindern. Es erscheint im Oktober 2017.

Anlässlich des Internationalen Frauentags und dem Aufruf des Feministischen Netzwerks hast du einen Text zum Tag #meintagohnemich verfasst, in dem du schreibst, dass du zwar nicht austausch- wohl aber ersetzbar seist und außer dir selbst eigentlich niemanden auffallen würde, dass nicht da bist. Das könnte einen kränken – muss es aber nicht. Warum nicht?

Mein Mann und ich haben in den letzten Jahren sehr daran gearbeitet, dass es eigentlich nichts gibt, was nur eine/r von uns beiden machen kann. Geld verdienen, Kinder betreuen, Hausarbeit, alles. Und ich empfinde es tatsächlich als Erleichterung, dass ich, wie gerade jetzt, entspannt ein Wochenende wegfahren kann, die Kinder der Abschied überhaupt nicht interessiert und ich mir keine Gedanken mache, ob alles klappt oder ob der Mann schafft, das Essen aufzuwärmen, was ich vorgekocht habe. Haha. Hab ich natürlich gar nicht.

Und dass ich bei meiner Arbeit eigentlich immer allein bin, habe ich mir mit Absicht so ausgesucht. Ich bin gern allein. Die Kinder sind sonst so präsent, dass ich es genieße, für mich allein rumzupröddeln. Wenn ich also vermisst werde, dann weiss ich, dass ICH vermisst werde und nicht meine Frikadellen oder so. Da bin ich tatsächlich viel mehr glücklich als gekränkt.

Tattoos Rike Drust

Deinen Arm ziert ein »Wutbild« deines Sohnes. Welches Tattoo-Motiv hat deine Tochter beigesteuert?

Meine Tochter malt nicht halb so viel wie mein Sohn, von dem ich neben dem Wutgesicht noch zwei andere Motive tätowiert habe. Allerdings hat sie vor ein paar Monaten ein Gespenst gemalt, das ich mir bei Gelegenheit tätowieren lassen werde.

Mein Bruder sagt, Sich-Tätowieren-Lassen sei wie Tagebuchschreiben. Was sagst du?

Dein Bruder hat Recht. Tätowieren lassen ist für mich wie Gefühls-Tagebuch schreiben. Für mich fangen Tätowierungen Stimmungen ein, die für mich wichtig sind oder waren. Das können ganz kurze Momente sein oder eben auch Themen, die ich länger mit mir rumschleppe und die sich in einer Tätowierung perfekt manifestieren. Deswegen würde ich auch nie eine meiner Bilder weglasern lassen. Klar, den Totenkopf mit Goldzahn auf dem Fuss würde ich mir jetzt so nicht mehr machen lassen, aber für den Moment war er wichtig, und wenn der nicht gewesen wäre, wäre ich nicht so, wie ich jetzt bin. Klein, ein bisschen alt und mit einem goldzahnigen Totenkopf auf dem Fuss und auf einer Skala von 1-10 meistens eine 9 fröhlich.


»Den Totenkopf mit Goldzahn würde ich mir jetzt so nicht mehr machen lassen, aber wenn der nicht gewesen wäre, wäre ich nicht so, wie ich jetzt bin.«


Alle Fotos: Rike Drust

Leave A Comment

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.