Fietje – oder vom Zwang, ein geordnetes Leben zu führen.
Juliane von der Wense
.
Eine besondere Spezies Mensch sind zweifelsohne kinderlose Ehepaare mit Hund. Mit kleinem – um nicht zu sagen sehr kleinem – Hund zudem. Nicht selten kommt es daher vor, dass Herrchen oder Frauchen sich selbst ihrem „kleinen Liebling“ (auch so ein Begriff!) gegenüber als „Mami“ und „Papi“ bezeichnen, das Tier mit Schokolade und Schweinefilet vollstopfen und ihm beim ersten herbstlichen Regenschauer (oder auch nur dessen Vorhersage) ein entsprechendes Mäntelchen überwerfen, damit sich das gute Hündchen nicht verkühlt.
Mein Mann und ich haben keine Kinder. Wir haben einen Hund. Einen kleinen Hund. Einen Zwergrauhaardackel. Fietje. Im Mai zwei Jahre alt. Fietje ist kein Mantelträger und er frisst weder Schokolade noch Schweinefilet. Er schläft nicht im Bett, darf nur manchmal aufs Sofa, und mein Mann und ich sind für das Tier auch nicht „Mami“ und „Papi“. Auch wird der Hund nicht dafür belohnt, dass er – und das für einen Dackel sogar außergewöhnlich gut – Befehlen überwiegend zuverlässig entspricht. Ich habe früher schließlich auch kein Geld dafür bekommen, dass ich mehr oder weniger manierliche Zeugnisse mit nach Hause gebracht habe. Annette, die hat Geld gekriegt. Ich nicht. Andere Kinder seien schließlich kein Maßstab für uns. Wenn es allerdings um die Zubettgehzeiten – besonders im Sommer – ging, hörte ich recht häufig: „Annette ist auch schon im Bett!“. Das mal eben zum Maßstab.
.
.
Mein Hund macht sich nichts aus Annette. Er kennt sie nicht einmal… Mein Hund macht sich aber durchaus etwas aus Maßstäben. Bevorzugt aus seinen eigenen. Er macht sich vor allem aus all jenem etwas, das von seiner Vorstellung von Ordnung und Anordnung, abweicht. Denn mehr als andere seiner Artgenossen, so scheint es jedenfalls, ist der geneigte Dackel wohl im wahrsten Sinne des Wortes ein Gewohnheitstier. Ein ordnungsliebender Spießer, der bei allem freiheitsliebenden Eigensinn ein verkniffener Pedant ist. Ein Verfechter von System und Routine, ein Hund mit Prinzipien eben.
So hat beispielsweise des Nachts neben dem Hundekörbchen ein Nachtlicht in der Steckdose zu stecken. Fehlt es, wird es unwirsch und lautstark herbei gebellt. Gegenstände, die nicht an ihrem Platz, oder neu hinzugekommen sind, sorgen für äußerste Erregung. So wurde vorletzte Nacht beispielsweise ein ausgedienter Jagdhut meines Mannes verkläfft. Er hing, was er bis dato nie tat, an einem Haken oberhalb des Schreibtisches. Futter- und Wassernapf haben stets in korrekter Anordnung zu stehen. Futter links, Wasser rechts. Sind Abweichungen zu erkennen, kann das Futter leider nicht verzehrt, das Wasser nicht getrunken werden. Auch das olle Tuch im Körbchen hat dort nicht irgendwie, sondern selbstverständlich speziell des Dackels Wunsch entsprechend zu liegen. Es kam diesbezüglich erst kürzlich zu Handgreiflichkeiten, als unsere Perle auch im Hundekorb Ordnung schaffen, und zu diesem Zwecke das Tuch zusammen legen wollte. Ebenso ist unser Hund penibelst darauf bedacht, dass die Anordnung der Stöcke seiner umfänglichen, vor der Haustür gelagerten, Sammlung stets die gleiche ist. Veränderungen sind indiskutabel. Das musste der Postbote bereits schmerzlich erfahren.
Unnötig, zu erwähnen, dass unser Hund ein Freund fester Zeiten ist. Morgens geht er gern zwischen 8:00 und 9:00 Uhr, abends zwischen 18:00 und 19:00 spazieren. Außerdem begrüßt er es sehr, gegen 22 Uhr noch einmal an den Baum gegenüber der Haustür gelassen zu werden. In letzter Zeit kommt es hier allerdings zu kleineren Schlampereien. Funktionierte Fietje eigentlich stets präziser als ein Schweizer Uhrwerk, lässt er sich in letzter Zeit zu fortgeschrittener Abendstunde etwas gehen. Oft kruschtelt er sich erst um viertel nach zehn aus seinem Körbchen. Das schlechte Gewissen steht ihm dann ins Gesicht geschrieben.
Doch ist das noch alles nichts im Verhältnis zu dem, was uns in Kürze wieder bevorstehen wird: die Zeitumstellung. Sie ist der größte Feind häuslicher Ordnung!
Er darf nicht in euer Bett? Der Arme!
Fietje wir freuen uns auf deinen Besuch
Aja aus der Banditenbande grüßt dich ganz herzlich
Tolle Geschichte!
Und wieder so schön geschrieben!!!! Man sagt ja immer, dass der Hund der Spiegel des "Besitzers" ist. Und das scheint mir doch hier auf jeden Fall zu stimmen. Eben etwas ganz Besonderes. Charakterstark und mit einer großen Portion Humor ausgestattet. Ich freue mich schon auf Kolumne Nr.3
*gacker*
was für ein toller post! ich lach mich kaputt! wir haben ja auch einen hund, der wirklich stark an seinen routinen hängt – aber fietje ist offensichtlich ein wirklich spezielles exemplar. und ist es nicht schön, wie man zwischen den zeilen lesen kann, dass er mit seiner art die zweibeiner garantiert fest im griff hat? herrlich!
herzliche grüße
die frau s.
Was für ein charakterstarker Dackel! Ein wirklich tougher Typ! Die Zeitumstellung ist auch bei uns und unseren Hunden sehr unbeliebt, da Retrievermägen sich diesbezüglich nur unter Schmerzen verstellen lassen.
Aber ich muss gestehen, wir sind für unsere Hunde Mama und Papa. Das haben unsere Kinder auf dem Gewissen, die Kommandos wie "Bring das dem Papa!" und "Such die Mama" erfolgreich antrainierten.
Liebe Grüße
Andrea
Oh hahaha..ganz großartig! Sowohl der Hund als auch der Text! Da hat Fietje den Haushalt aber ordentlich im Griff, würde ich sagen. Mein Liebling ist auch das Nachtlicht..echt süß! ^^
Liebe Grüße, Kathy
Grandios geschrieben. Mit dem nötigen Augenzwinkern und aller Liebe, welche ein gelungenes und gesundes Mensch-Tier-Zusammenleben auszeichnen.
Hahahaha 😀 wie cool ist denn bitte euer Hund? Sehr schön geschrieben!
Ich liebe Dackel! Die Geschichte zu Fietje ist einmalig – ganz toll! Liebe Grüße!
Ach wie herrlich…Am schönsten ist ja das Nachtlicht…;-)))) Ich komme übrigens mit zur Demonstration…gegen die Zeitumstellung…falls sich jetzt hier noch andere Mitstreiter finden…LG Lotta.