M i MA zügelt: Von Schelmen, Schocks und Schutt. Meine erste Baustellengeschichte

27. Mai 2014
Mas schelmischer Baustellentanz.

Die Baustellengeschichte ist ein ganz eigenes literarisches Genre. Mal zählt sie zur Gattung des bürgerlichem Trauerspiels, ein anderes Mal zum Schelmenroman. Im Zentrum steht hier wie dort ein/e Held/in, die/der eine Reihe von Abenteuern und Katastrophen meistern muss. Während die/der Schelm/in sich aus jeder brenzlichen Situationen mit naiver Schläue retten kann, ist das Scheitern der tragischen Held/innen unausweichlich. Meine erste Baustellengeschichte ist glücklicherweise eine Schelmengeschichte.
Eines schönen Sonntags – das Wetter war das erste Abenteuer, das es zu bestehen galt – beschlossen wir, unserer Baustelle einen Besuch abzustatten. Dank des milden Winters war sie weit fortgeschrittener als geplant. Ihr Anblick – so dachten wir – würde uns mit dem Dauerregen versöhnen. Tatsächlich schien erst einmal alles gut. Als wir aus der U-Bahn stiegen, brach sogar die Wolkendecke auf. Die Stimmung wechselte von einem Moment auf den anderen von trostlos Grau auf fröhlich Bunt. Die Mimik der uns entgegenkommenden Passanten hellte sich schlagartig auf und die Straße wirkte wieder einladend und offenherzig. An ihrem Ende konnten wir unser künftiges Zuhause schon sehen. Eingerahmt von Gründerzeitbauten und quietschgrünen Bäumen sah es richtig schön aus.
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Zufrieden schlenderten wir am Bauzaun entlang, warfen neugierige Blicke ins Innere des Betonskeletts und versuchten uns vorzustellen, wie wohl die Wohnung einst aussehen würde. Während meine Begleiter/innen recht schnell die Lust daran verloren und das nächstgelegene Café aufsuchten, nahm ich die Baustelle ein wenig näher unter die Lupe. Hier und da konnte ich in den Innenhof blicken. Seine Ausmaße waren beeindruckend – das Chaos auch. Bis dato war mir nicht bewusst, dass die Baustelle eine enge Verwandte der Müllhalde ist: verbogene Stahlgitter, leere Eimer, zerrissene Planen, jede Menge Schutt und geborstene Holzlatten. Zwischen Architektenimpression und Wirklichkeit lagen gefühlt noch Lichtjahre.
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Zwischen Traum (re) und Wirklichkeit (li)

Doch was ich dann sah, ließ mir den Atem stocken. Dort, wo künftig das 2. Fenster unseres Kinderzimmers sein sollte, war etwas. Das war für sich genommen schon sehr überraschend, denn dort sollte zum jetzigen Zeitpunkt nichts sein, damit zu einem späteren Zeitpunkt das bodentiefe Fenster dort seinen Platz finden konnte. Doch dieses ‚Etwas‘ war zu allem Überfluss auch noch eine Mauer! Die Schnappatmung setzte ein, mein Herz begann zu rasen. Innerhalb eines Bruchteils von Sekunden sah ich, wie sich unsere gesamte Planung in Wohlgefallen auflöste. In einem dunklen Loch konnten wir unmöglich ein Kinderzimmer unterbringen. Die Depression war ja schon vorprogrammiert… Ich rannte zu den anderen und berichtete atemlos von meiner Entdeckung. Der Sonntag war gelaufen.

Aber es war ja, wie gesagt, eine Schelmengeschichte. Es ging also gut aus. Noch am selben Abend schrieb ich eine Mail an die Architekten und am nächsten Morgen kam prompt die Antwort: Man werde dafür Sorge tragen, dass der Bau den Plänen entsprechend umgesetzt werde. Seither waren wir nicht wieder auf der Baustelle. Aber ich gehe fest davon aus, dass ich bei meinem nächsten Besuch unterhalb des künftigen Kinderzimmers einen neuen Schutthaufen entdecke.

Kennt ihr ähnliche Baustellengeschichten? Ich hoffe, die meisten von ihnen gehören zur Gattung der Schelmenromane.
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Zur Schockverdauung haben wir noch einen Spaziergang durch den benachbarten Simon-Dach-Kiez: eine wahre Fundgrube für Street Art-Liebhaber/innen.

17 Comments

  • 10 Jahren ago

    Mit einer Baugeschichte kann ich auch aufwarten. Wir haben uns eine Genossenschaftswohnung ausgesucht, bei der ersten Besprechung durften wir uns die Küche, das Bad und auch die Bodenbeläge aussuchen. Gesagt, getan. Der Schreck kam dann bei der ersten Besichtigung der Wohnung; die Fliesen im Badezimmer waren dunkler und der Parkett war gar kein Parkett sondern Laminat und auch nicht in der Farbe, die wir eigentlich wollten. Natürlich haben wir gleich interveniert, aber es hieß nur, "wir können den Boden nicht mehr aus der Wohnung nehmen." Und "Sie haben sich genau diesen Boden ausgesucht" – lustig, in deren Protokoll stand das wirklich drinnen – was aber absolut nicht der Fall war. Nach langen Streitereien und Diskussionen, haben wir es so hingenommen. Den Bodenbelag von einer Fachfirma entfernen lassen und den von uns gewünschten Eicheboden von Rudda (http://www.rudda.at/de/parkett/parkett/raumlange-dielen/raumlange-breitdielen/) verlegen lassen. Natürlich auf eigene Kosten. Zwar sieht jetzt die Wohnung fast so aus, wie wir sie uns vorgestellt hatten, aber die Extrakosten liegen uns noch immer schwer im Magen.

  • 11 Jahren ago

    Fragen stellen auch wenn sie vermeindlich "doof" sind, finde ich jederzeit ok. Immerhin ist es für den Bauherren meist das erste (und einzige) MAl in seinem Leben, dass er baut. Das ist wahrscheinlich auch ein wenig das Grundprpblem: dadurch das es das erste Mal ist, ist man als Bauherr halt sehr unsicher – an sich völlig ok, schwierig finde ich, wenn das dann in so eine Art Kontrollzwang mündet und der Bauherr meint, wenn er nicht jeden Morgen um 7 auf der Baustelle steht, läuft nichts mehr :-). Ein bisschen Grundvertrauen wäre da gut. Von Architektenseite wäre ein wenig Verständnis für die "Ausnahmesituation" des Bauherren aber auch wünschenswert, Bauherren wollen ernst genommen werden. Ganz schwierig finde ich, dass so viele Fälle einfach direkt vor Gericht gezerrt werden, oftmals auch grundlos, das ist aber vielleicht schon eher ein gesamtgesellschaftliches Problem. Für die Architekten ist es teilweise schwer, überhaupt noch eine Versicherung zu finden, da sich viele Versicherer aus gutem Grund aus der Bauhaftpflicht komplett verabschiedet haben.
    Mindestens genauso wichtig finde ich aber, dass bereits während der Ülanungsphase ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis entsteht, denn das ist die Phase, wo sich wirklich entscheidet, wie gelungen ein Projekt wird und es ist auch eine Phase, wo der Architekt sehr viel über das Leben eines Bauherren erfährt und dieses Wissen schließlich in einem gelungen Bau umsetzen muss – eine spannende Sache und wenn es gut geht, macht das beiden Seiten sehr viel Freude.
    LG, Mecki

  • Anonym
    11 Jahren ago

    Liebe Indre,

    ich bin zwar "nur" Landschaftsarchitektin, aber die Kommunikation ist wohl dieselbe. Und ich kann dazu nur sagen: Wenn sich beide Seiten Mühe geben, und wie du schon sagst, sich auch mal in den Anderen reinversetzen, klappt das schon ganz gut. Bauherren dürfen nämlich auch mal doofe Fragen stellen, sie sind schließlich keine Fachplaner. Es gibt leider genug Architekten, die herablassend und arrogant auf Unwissenheit und Unsicherheit der Bauherren reagieren. Genauso sollten Bauherren erstmal ein Grundvertrauen in die Architekten haben und nicht sofort überall Planungsfehler wittern und mit dem Anwalt drohen.

    Wird schon! Viel Glück und Kraft : )

    Grüße von Katja

    • 11 Jahren ago

      Liebe Katja, das klingt gut. So kann und wird es gelingen. LG Indre

  • 11 Jahren ago

    Unter euch sind ja eine ganze Reihe Architekt/innen: Ist die Kommunikation zwischen Architekt/innen und Bauherr/innen wirklich so schwierig? Wie könnte es denn gelingen, dass sich die beiden Seiten besser verstehen und die eine Seite nicht total genervt und die andere nicht total verunsichert ist? Das muss ja nicht so sein.

  • 11 Jahren ago

    aus der sicht eines architekten:
    bauherren, die grundlos in eine solche panik geraten (und deswegen einem auch gleich einen roman per mail – noch besser telefon – zukommen kassen und meinen sie wissen alles besser sind schrecklich!

    sorry, aber ist so
    du hast dein ruf beim architekten jetzt weg, versprochen ; )

    • 11 Jahren ago

      Wenn das so ist, wäre das aber genauso übertrieben wie meine Reaktion. Arzt und Patient, Dienstleister und Kunde – sie trennen immer (fachliche und sprachliche) Welten, die man aber durchaus mit recht einfachen Mitteln überbrücken kann, z.B. indem man sich kurz in die Lage des Anderen denkt. Ich kann verstehen, dass panische Bauherren schrecklich nerven. Aber woher soll ich als Laie denn wissen, dass meine Sorgen "grundlos" sind?

    • 11 Jahren ago

      dein architekt hat dir die antwort ja schon geliefert: »man werde dafür sorge tragen, dass der bau den plänen entsprechend umgesetzt werde.«
      ich meine die bauen ja nicht zum ersten mal haus
      es gibt gründe wieso man da mal schnell ein temporäres mäuerchen hochzieht
      das ist schneller wieder weg als du schauen kannst
      eine baustelle ist nicht bis ins letzte detail vorhersehbar und planbar
      da muss man oft vor ort mal eben was entscheiden
      wenn er jeden bauherren wegen so einer lapalie informieren würde, würde er den ganzen tag nichts anderes tun und euer haus wäre in fünf jahren noch nicht fertig
      ich meine das ist sein job und er wird bestimmt kein fenster vergessen
      das wäre wie wenn ein arzt das falsche bein operiert
      ok – das kommt vor – aber wir oft?
      und der arzt hat noch immer den vorteil, dass sein patient in narkose liegt

    • 11 Jahren ago

      Na, das wäre ja mal ein innovatives Vorgehen: Den Kunden bis zur Fertigstellung in Narkose versetzen. Könnte für beide Seiten von Vorteil sein 😉

      Allerdings: Die Geschichten über Ärzte- und Baufehler sind zwar mengenmäßig geringer, aber wirkungsmäßig zweifelsohne dominanter. Und daher rührt vermutlich eine ganze Menge — sachlich gesehen sicher grundloser — Unsicherheit.

    • 11 Jahren ago

      Tine, ich emfinde eine Betonwand an Stelle eines Fensters nicht als Lappalie. Da kann einem als Kunde schon mal die Muffe gehen, egal was der Architekt oder die am Bau Beteiligten sich dabei gedacht haben.
      Deine Nachfrage, Indre, ist also durchaus berechtigt.
      Sollte der Architekt deswegen jetzt seine Schubladen bedient fühlen, dann fehlt es ihm offensichtlich an einer gewissen Empathie für den Kunden, die man zeitlebens bewahren muss. Genervt sein hin oder her.
      Zum Beruf des Architekten gehört es nunmal dazu, den Kunden bei vermeintlichen Aufregungen auch ein wenig zu beruhigen, egal ob wir darauf Lust haben oder nicht. Das hat auch nix mit angeblicher Besserwisserei des Kunden zu tun. Sicher mag es den ein oder anderen geben, der während des Baus mit übertriebener Wachsamkeit und tausenden Fragen schon mal wuschig macht, hat aber in meinen Augen nichts mit der oben genannten Problematik zu tun.

      Und manchmal haben Zwischenbesuche auf der Baustelle durchaus seine Daseinsberechtigung, Ich habe dadurch schon einen Streitfall für unsere Seite gewinnen können, weil während der Bauphase ein paar wichtige Details ausgelassen wurden, die dann zu dem Ergebnis führten, mit dem wir nach dem Einzug zu kämpfen hatten und die angeblich in unserem Nutzungsverhalten begründet waren.

      Es wäre übrigens nicht das erste Mal, dass auch architekten Fehler machen und etwas vergessen. Das kann jedem passieren, auch nach jahrelanger Praxiserfahrung.

      Liebe Grüße
      Katja

    • 11 Jahren ago

      zuerst einmal: natürlich ist es das recht jeden bauherren seine baustelle zu besuchen, dagegen habe ich auch gar nichts einzuwenden

      zweitens: mein erster kommentar war – mit absicht – ein wenig überspitz formuliert, architekten haben nämlich durchaus auch humor, anders wäre dieser beruf – wie wohl jeder andere – nicht auszuüben

      drittens: diese sache mit den details, da bin ich wohl von schweizer baustellen und bauherren verwöhnt, dort wird stets auf qualität und gute details in planung und ausführung geachtet, kein vergleich zu deutschland (da bin ich jetzt schon wieder ein wenig überspitzt "böse"), generell finde ich das die architektur in deutschland grossen nachholbedarf hat und da ein wenig eine scheuklappen mentalität herrscht

      viertens: ja, auch architekten sind fehlbar, ich habe nie das gegenteil behauptet

      ein schönes wochenende allerseits

  • Ich seh das so wie Vreni: es lässt sich alles richten und alles wird gut!
    Kann aber auch den etsten kleinen Schock voll und ganz verstehen 😉

  • 11 Jahren ago

    Ich hab's glaub ich schon mal erwähnt: unser blödestes Erlebniss war die Sichtbetonwand im Schlafzimmer, die dann plötzlich, dank der Vergesslichkeit des Malers, keine Sichtbetonwand mehr war. Man hat uns dann zwar angeboten, mit Farbe ein Sichtbeton-Fake zu erzeugen, fand ich aber doof – Sichtbeton ist Sichtbeton, punkt. Glück im Unglück: zeitgleich wwaren die Treppengeländer gestrichen, da hatte ich beim Farbton aussuchen echt ziemlich übel danebengegriffen (kann bei Farbmustern von 1 cm schon mal passieren…), wir haben uns dann darauf geeignigt, dass wir für die verkorkste Sichtbetonwand alle Geländer nochmal neu gestrichen bekommen :-).
    Als Architektin hätte ich übrigens so manchen Bauherren auch mal gerne für ein halbes Jahr in Urlaub geschickt. Aber Neugier und gucken kommen ist natürlich völlig ok und verständlich und wenn dabei noch fehlende Fenster auffallen um so besser!
    LG, Mecki

  • 11 Jahren ago

    Sowas kann leider immer mal vorkommen. Aber wo Beton ist, ist auch eine Fräse und so kann man auch nach einem Fehler in der Schalplanprüfung (kann mal vorkommen, Architekten sind auch nur Menschen) noch Licht ins Kinderzimmer bringen.
    Für den besseren Bauherrennachtschlaf empfehle ich aber wenige Baustellenbesuche, das wird auch dem Architekten und den Handwerkern sehr recht sein ;).
    Alles wird gut 🙂

    • 11 Jahren ago

      Alles wird gut. Das denke ich im Grunde auch. Ich finde es grenzt ja ohnehin an ein Wunder, dass so eine Riesenbaustelle mit babylonischem Sprachgewirr überhaupt gelingt.

  • 11 Jahren ago

    Willst Du das wirklich hören? 😉
    Also, bei uns hat der Sanitärinstallateur die Toilette und das Urinal 12cm zu tief eingebaut – er hatte vergessen, daß noch Estrich reinkommt… Freut die Kinder, alle anderen plumpsen etwas beim Setzen.
    Der Heizungskeller wurde so toll geplant, daß eine Befüllung der Pellets nicht möglich war und wir in Eigenregie Rohre quer durch die Hälfte aller Kellerräume legen mußten.
    Der Maler nahm zwar vor dem Farbspritzen die Steckdosen und Schalter ab, legte sie aufs Fensterbrett, klebte dann aber NICHTS ab. Ich war eine Woche beschäftigt mit Ceranfeldkratzer und Topfschwamm das ganze Haus von Farbspritzern zu befreien. Prozeß inklusive.
    Die Parkettleger haben eine Etage falsches Parkett verlegt. Anwalt brachte nichts, weil vorher insolvent.
    Das waren die Highlights, aber es gibt ein Leben nach dem Bau und ich drücke euch die Daumen, daß es mit wenig kaputten Nerven und zusätzlichen grauen Haaren ausgeht und ihr euer neues Heim voll genießen könnt!
    LG
    Katharina

    • 11 Jahren ago

      Ohje! Das klingt ja eher nach einem Trauerspiel. Aber Ende scheint´s wohl – zum Glück – doch eine Tragikomödie. Womit die dritte Gattungszugehörigkeit der Baustellengeschichte gefunden wär´. 😉

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