Korkverkleidetes Gebäude der Pedro Arrupe Schule in Lissabon |
‚Seit wann kennen Sie Kork?‘, fragte der Präsident des portugiesischen Korkverbandes APCOR, den wir am letzten Tag unserer Korktour* zum Mittagessen trafen. ‚Lange‘, lautete meine Antwort, ‚ich bin quasi mit Kork aufgewachsen.‘ Tatsächlich war unsere Küche von oben bis unten mit Korkfliesen versehen, sowohl Töpfe als auch Gläser standen stets auf Korkuntersetzern, Notizen wurden auf Korkwände gepinnt und im Sommer liefen wir auf Korksandalen. Dass Kork vorwiegend zum Verschließen von Flaschen genutzt wird, hätte ich damals nicht geglaubt. Nur wenige Jahre später wusste ich es nicht mehr besser, denn in den 1980er Jahren verschwand er aus meinem Leben. Die Fliesen wurden durch Keramik ersetzt, die Untersetzer durch Metall. Als Wohnmaterial geriet er in Vergessenheit. Dabei birgt Kork gerade im Wohnbereich großes Potenzial.
*Auf Einladung des Deutsch-Portugiesischen Korkverbands war ich zusammen mit Annette (Look! Pimp your room), Igor (Happy Interior Blog) und Nic (Luzia Pimpinella) sowie drei Journalisten auf einer dreitägigen Informationsreise in Portugal. Auf dem Weg von Lissabon nach Porto erfuhren wir alles über Anbau, Eigenschaften und Verarbeitung von Kork. Was wir auf der Reise noch erlebten, das könnt ihr bei Nic erfahren: Lissabon I und Lissabon II.
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Im Uhrzeigersinn: Teeservice von von Raquel Castro | Cocoon Cup von Simple Form Design | Lampe PRB von Simple Form Design | Cocoon Egg Cup von Simple Form Design | Kerzenständer ‚Rolha‘ von Fernando Brizio für Corque Design |
Davon konnte ich mich auf Stippvisite in Portugal selbst überzeugen. Das Naturmaterial mit der warmen, weichen Haptik schafft ein gesundes Raumklima, ist wasserbeständig und fäulnisresistent, schall- und wärmeisolierend, umwelt- und klimafreundlich sowie vielseitig einsetzbar. Ob als Fußbodenbelag, Möbel, Wohnaccessoire oder zur Schall- und Wärmeisolierung – das aus den Resten der Korkenproduktion gewonnene Granulat** lässt sich in so gut wie jede Form bringen und durch Beizen, Lasieren, Beschichten oder Erhitzen unterschiedlich färben.
Angesichts seiner Nachhaltigkeit und Materialeigenschaften ist es wenig überraschend, dass Kork im Designbereich seit einigen Jahren eine Renaissance erlebt. Mehr und mehr junge Designer/innen entdecken das traditionsreiche Material für sich (neu) und entwickeln innovative Korkprodukte, wie etwa das Teeservice von von Raquel Castro, die Eierbecher von Alzira Peixoto und Carlos Mendonça (Simple Form Design) oder die Korkwand von Tania da Cruz. Anders im Architekturbereich. Hier wird Kork noch überwiegend für den Modellbau verwendet. Dabei eignet es sich sowohl in funktionaler wie in ästhetischer Hinsicht zur (wärmedämmenden) Fassadengestaltung. Ein Beispiel dafür ist die von Nuno Narciso entworfene Pedro Arrupe Schule in Lissabon (siehe Foto ganz oben) mit ihrer eleganten Kombination aus Glasbausteinen, Beton und dunklem Kork. Andere gelungene Beispiele für den Einsatz von Kork im Außenbereich sind das Ecork Hotel des portugiesischen Architekten José Carlos Cruz oder das Hill Cork House des Büros Contaminar Arquitectos.
**Flaschenkorken werden direkt aus der Rinde der Korkeiche hergestellt. Alle anderen Produkte werden aus den Resten bzw. qualitativ weniger hochwertiger Rinde und receyceltem Korkmaterial hergestellt (siehe Korkreceycling). Sie werden geschreddert und zu Granulat verarbeitet, das in Platten, Blöcke, Rollen, Kugeln etc. gepresst wird (siehe Bildcollage unten). Wie der Weg des Korks vom Baum zum Korkmöbel genau aussieht, könnt ihr heute bei Annette nachlesen.
oben: Stühle „Corkigami“ von Carlos Ortega | unten: Korkwand von Tania da Cruz |
Die Architektur- und Designbeispiele zeigen, dass Kork eigentlich viel zu schade ist für das kurze Leben eines Einwegkorkens, vor allem wenn man sich bewusst macht, wie langwierig der Anbau ist. Rund 25 Jahre alt muss die Korkeiche werden, bevor man ihre Rinde erstmals ernten kann. Bis zur nächsten Ernte vergehen neun bis zwölf Jahre. Doch den weltweit größten Umsatz macht die portugiesische Korkindustrie nach wie vor mit den Flaschenkorken. Sein Exportanteil liegt bei 68%; Fußböden, Wandverkleidung und Isoliermaterial machen nur 24% und Designprodukte gerade mal 1% des Gesamtumsatzes aus. Da ist Luft nach oben – vor allem im deutschen Markt, der sich als Absatzmarkt für Einwegkorken ohnehin widerspenstig zeigt. Plastikkorken und Schraubverschlüsse machen dem Naturkorken hierzulande ernsthaft Konkurrenz. Aber wir ‚Deutschen‘ umgeben uns gern mit Naturmaterial – was liegt da näher als mehr Kork ins und ans Haus zu bringen.
Was meinen die Architekt/innen unter euch: Eignet sich Kork nicht auch hierzulande zur funktional-ästhetischen Schall- und Wärmedämmung? Und wie seht ihr das Gestaltungspotenzial im Interiorbereich? Habt ihr Ideen oder Wünsche für Korkmöbel oder -accessoires? Die portugiesischen Korkunternehmen sind offen für jeden Vorschlag. Das haben sie mir selbst gesagt.
Vom Korkrest zum Korkstuhl |
Ein sehr schöner Artikel über dieses wunderbare Material. Der Ansicht das Kork in All seinen Eigenschaften für ein gesundes Raumklima sorgt kann ich voll und ganz Zustimmen. Wir beschäftigen uns schon seit längerer Zeit mit der Raumgestaltung wie man diese für sich, für ein stärkeres Wohlbefinden optimieren kann. Eine sehr wirksame Praktik wonach Sie ihr Wohnraum zu ihrem Vorteil einrichten können ist Feng Shui. Wir würden Interessierten gerne zeigen wie Feng Shui sich auf jeden Menschen persönlich bezieht und nach welchen Regeln sich ermitteln lässt wie die Umgebung für einen die beste Resonanz zur Selbstverwirklichung ergeben kann. Vielleicht möchten Sie mehr über unsere Arbeit erfahren und selber selber mehr darüber lernen, hier habt Ihr die Möglichkeit mehr Eindrücke zu sammeln: http://www.feng-shui-web.net/
Herzliche Grüße,
Petra
Liebe Indre,
danke fürs verlinken und ich freu mich so, dass wir unseren Lesern unsere Eindrücke so nahe bringen konnten, dass auch sie nun ein neues Kork Feeling haben. lg, Anette
auch so ein spannender bericht, wie ich gerade schon bei annette (look pimp your room) gelesen habe. es ist schon unglaublich, was sich aus kork alles machen lässt. und obwohl er so viele vorteile hat und ein naturmaterial ist, mag ich persönlich ihn überhaupt nicht. optisch finde ich korkoberflächen meistens langweilig und haptisch bekomme ich eine gänsehaut. ich finde, er fühlt sich so stumpf an. kork-fliesen erinnern mich an verstaubte lehrerwohnungen und sogar die kork-pinnwände mochte ich nie besonders, obwohl ich immer welche hatte und sie wirklich praktisch sind. im interior-bereich kann ich mir kork deshalb nur bedingt vorstellen. kork, der nicht mehr nach kork aussieht, wäre da sicherlich was anderes. 🙂 und wenn ich da sehe, dass es heute fliesen gibt, die echtem holz zum verwechseln ähnlich sehen, kann ich mir gut vorstellen, dass sich auch kork bald noch mehr in etlichen mutationen behaupten wird. denn, in der tat, solch ein aufwand nur für einen flaschenkorken – das ist echt zu schade.
herzliche grüße
die frau s.
Danke, dass Du mir Kork (wieder) so schön nahe gebracht hast! Auch wir hatten in meinen früheren Kindertagen noch einiges aus Kork zuhause (Boden, Wand,…). Aber auch bei uns bzw. meinen Eltern wurde es mehr und mehr verdrängt. Mittlerweile gibt es ihn nur noch in Form von Untersetzern für Töpfe und Gläser bzw. als Pinnwand. Dabei ist es ein wirklich tolles Material (siehe Deine oben aufgeführten Vorteile).
Unser Dachboden benötigt noch einen neuen Fußboden. Da der große Raum u.a. auch als Musikraum (inkl. Schlagzeug) und Tischkickerplatz dienen soll, würde sich Kork vermutlich super als geräuschdämpfender Bodenbelag eignen…
Eine ganze Fassade aus Kork wäre mir vermutlich zu viel – würde auch nicht wirklich zu unserem Haus passen, finde ich. Aber dezent eingetzt bei ein paar kleineren Möbeln (vielleicht auch ein Kork-Bett oder -Regal??) – ja, das könnte ich mir vorstellen.
Liebe Grüße