KW 47 #Ästhetik – oder: Was hätte wohl Foucault gesagt?

8. Dezember 2017

Ein Zufall führte mich kürzlich zu den »Anderen Räumen« des französischen Philosophen Michel Foucault. Das Essay war 1992 in dem Band »Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik« erschienen, der nur wenige Jahre später zu meiner Pflichtlektüre werden sollte.

Im Frühjahr 1998 hatte ich nach einem etwas längeren Anlauf {Stichwort: 2. Bildungsweg} zu studieren begonnen: Kulturwissenschaft mit Schwerpunkt Ästhetik. Ästhetik war damals das »It-Fach« schlechthin, medial präsent und sexy. Heute dagegen scheint die Ästhetik wieder das, was es seit seiner Begründung im 18. Jahrhundert war: eine Randdisziplin.

Damals nach der Wende und dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten avancierte die Ästhetik zur kulturwissenschaftlichen Leitdisziplin. Der Philosoph Francis Fukuyama proklamierte das Ende der Geschichte. Die liberale Demokratie und die Marktwirtschaft würden sich nämlich endgültig und überall durchsetzen. Das Internet war tatsächlich noch Neuland und die postmoderne Skepsis gegenüber objektiven Wahrheiten fand ihren vorläufigen Höhepunkt.

Als Aisthesis, also die Lehre der sinnlichen Wahrnehmung, schien die Ästhetik das probate Mittel zur Analyse und Beschreibung sozial-kultureller und kulturhistorischer Phänomene, so wie es beispielsweise Foucault tat, der – um auf den Anfang zurückzukommen – ganze Jahrhunderte von der Wahrnehmung her beschrieb:

»Die große Obsession des 19. Jahrhunderts ist bekanntlich die Geschichte gewesen: die Entwicklung und der Stillstand, die Krise und der Kal Foultltltslauf, die Akkumulation der Vergangenheit, die Überlast der Toten, die drohende Erkaltung der Welt. Im Zweiten Grundsatz der Thermodynamik hat das 19. Jahrhundert das Wesentliche seiner mythologischen Ressourcen gefunden. Hingegen wäre die aktuelle Epoche eher die Epoche des Raumes. Wir sind in der Epoche des Simultanen, wir sind in der Epoche der Juxtaposition, in der Epoche des Nahen und des Fernen, des Nebeneinander, des Auseinander.«

Michel Foucault

Wie würde Foucault, der Entdecker der Heteropien, jener im Hier und Jetzt liegenden Gegenorte, wohl die Jetztzeit beschreiben? Würde er unsere Gegenwart überhaupt als epochal begreifen? Oder würde er sie wie der Kulturwissenschaftler Robert Pfaller als Übergang in eine neue Epoche verstehen?


Einen besinnlichen 2. Advent wünsche ich mit einer kleinen Liste.

  1. GESEHEN: »Top of the Lake« {Mich hat noch keine Serie gepackt, aber die hat mich zum Junkie gemacht.}
  2. GEHÖRT: Abay
  3. GELESEN: »Andere Räume« von Michel Foucault
  4. GEWESEN: in Ludwigshafen
  5. GEFRAGT:  Wie verändert sich die gemeinschaftsstiftende Funktion von Märkten in einer Welt aus Blockchains und Kryptowährungen? Und welche Formen von Kritik und Widerstand kann es noch geben?
  6. GEDACHT: Ich finde »Political Correctness« auch manchmal nervig, aber die Gegenbewegung finde ich brandgefährlich.
  7. GEMACHT: WAS MACHEN 11/2017
  8. GEFALLEN: Foucault im ICE
  9. GEFREUT: für Paul & Paula Rede und Antwort stehen zu dürfen
  10. GESUCHT: die Ausstellung »Gewalt und Geschlecht«
  11. GEFUNDEN: Raubkunst
  12. GESCHMUNZELT: über die neuen S-Bahn-Verbindungen ab Berlin-Ostkreuz
  13. GEKLICKT: projekt bauhaus

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