KW 15 #grüsseausabsurdistan

23. April 2016
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Fahrrad, Bus oder eigenes Auto? Dieses 1991 in Münster arrangierte Bild macht anschaulich, wieviel Platz 72 Menschen in verschiedenen Verkehrsmitteln benötigen. Quelle: Focus

Mein Name ist Yitar. Ich stamme vom Planeten Aletu und bin Teil des Forscherteams am Institute for Cosmic Move, das sich der Entwicklung neuer Transportmedien widmet. Im Rahmen einer interstellaren Exkursion hat es mich auf die Erde verschlagen. Seit drei Tagen (irdische Zeitrechnung) befinde ich mich nun hier – und was soll ich sagen? Ich bin erschüttert.

Auf Aletu gelten die Erdbewohner/innen als intelligente Wesen, doch was ich beobachte, lässt mich daran zweifeln. Beispiel Deutschland: ein Staatsgebilde mit rund 82 Millionen Einwohner/innen, wirtschaftlich und technisch hochentwickelt mit durchaus passablen Bildungs- und Wissensniveau. Man könnte also meinen, es handle sich um eine fortschrittlich aufgeklärte Gesellschaft. Doch sie verhält sich eher wie eine primitive Glaubensgemeinschaft. Ihre Religion heißt MIV: motorisierter Individualverkehr, und ihr Heiligtum Automobil.

Das Automobil ist eine Art fahrendes Blechgehäuse, das rund 18 mal so schwer und gut 28 mal so groß wie ein durchschnittlicher Fahrzeuginsasse ist (Tendenz steigend, siehe: SUV). Bis zu 28 Menschen könnte so ein Auto also prinzipiell fassen, in der Regel sitzt aber nur einer drin. Um sein Eigengewicht (das des Insassen fällt kaum ins Gewicht) zu bewegen, verbraucht dieser Koloss entsprechend viel Energie: etwa 7,2 Liter Brennstoff auf 100 Kilometer. Damit könnte er praktisch Geschwindigkeiten bis zu 320/Stunde erreichen. Faktisch aber steht er vor allem rum.

Seine Primärfunktion, das Fahren, erfüllt das Auto durchschnittlich höchstens zwei Stunden pro Tag – die restlichen 22 Stunden befindet es sich entweder in einer sog. Garage oder es verstopft den öffentlichen Raum (Straßenrand). Und selbst wenn es bewegt wird, kommt es kaum vom Fleck: 38 Stunden verbringen die Deutschen jährlich im Stau.

Bisher habe ich nicht herausfinden können, warum sich der MIV derart hartnäckig als Leitreligion hält und das Auto trotz seiner Ineffizienzen und der großen Umwelt- und Gesundheitsrisiken verehrt wird. Aber meine Exkursion ist ja auch noch nicht abgeschlossen…

Was mein Alias derweil trieb? Unter anderem dies: 


Die Liste

4 Comments

  • 8 Jahren ago

    Soooooo gut!
    Lese ich Montag früh meinem Sohn vor, wenn er wieder jammert, dass er mit dem Bus zur Schule muss.
    Perfekt.

  • 8 Jahren ago

    Ich bin begeistert. Tolle Fotos. Tolle Idee!
    Das liebe liebe Auto. Auf dem Land ist es echt schwer ohne, aber in der Stadt kann mn drauf verzichten. Ausnahmslos!

    Ganz liebe Grüße und ein schönes Wochenende
    Ines

    • 8 Jahren ago

      Danke. Dir auch.

      Auf dem Land ohne ÖPNV hat das Auto ja durchaus auch Sinn. In der Stadt hingegen definitiv nicht.

      LG I.

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