Ein Blick hinters Plakat: Marlene Heihsel

7. September 2016

Seit einigen Wochen dominieren Wahlplakate das Berliner Stadtbild. Sie stehen großformatig auf sämtlichen Grün- und Mittelstreifen und prangen kleinformatig von diversen Laternen und Straßenschildern. Denn: Am 18. September wird in der Hauptstadt gewählt. Auf Landesebene wird entschieden, wer ins Abgeordnetenhaus, auf kommunaler Ebene wer in die Bezirksversammlungen einzieht – die Prognosen stimmen alles andere als froh {die AfD rangiert je nach Umfrage zwischen 10 und 15%}.

Auf meinen Wegen durch die Stadt habe ich mich immer wieder mal gefragt, wer wohl der Mensch hinter dem wohlfeilen Plakat ist. Daraus ist die kleine Interviewreihe „Ein Blick hinters Plakat“ entstanden, in der mir Kandidat/innen aus meinem Kiez Rede und Antwort stehen. Den Anfang macht Marlene Heihsel. Die 27jährige Geschichtsdoktorandin kandidiert für die Freien Demokraten in Friedrichshain-Kreuzberg für die Bezirksverordnetenversammlung. Im heutigen Interview erzählt sie, was sie von der Alb in die Großstadt und von den Grünen zur FDP verschlagen hat, wo sie die größten politischen „Baustellen“ sieht und wie ihr Wunschwahlergebnis aussehen würde.

Vielen Dank, liebe Marlene, für den interessanten Blick hinter dein Wahlplakat.

Marlene Heisel FDP Xhain

Beschaulich aufgewachsen am Fuße der Schwäbischen Alb, heute sesshaft in der Berlin. Wieso gerade die Hauptstadt?

Ich wollte auf jeden Fall etwas weiter weg von zu Hause, sodass man nicht jedes Wochenende nach Hause fahren kann. Und ich wollte Geschichte studieren. Gute Unis für Geschichte gibt es natürlich in Tübingen und Heidelberg, aber das war mir noch zu nahe – ich wollte testen, wie es ist auf eigenen Füßen, und die Versuchung ist natürlich immer groß, doch kurz zu den Eltern zu gehen, wenn etwas nicht läuft, da musste man sich schon selbst ein wenig austricksen. Die Humboldt-Universität und die FU in Berlin besaßen auch einen sehr guten Ruf für Geschichtswissenschaften, und Berlin hatte darüber hinaus auch den Glanz der Hauptstadt: Ich war im Jahr 2006 schon einmal dort und fand die Stadt damals schon sehr interessant. Dazu kam noch, dass einige Freunde von mir auch von Berlin angezogen wurden, und so haben wir uns einfach zusammengetan.

Wie lange lebst du hier und wo genau?

In Berlin lebe ich seit Mitte 2008 – ich bin direkt nach dem Abi hergekommen. Zuerst habe ich ganz kurz im Wedding gelebt, dann übergangsweise in Lichtenberg, und bin dann nach Kreuzberg gezogen. Ende 2009 haben wir zu viert eine geniale WG in Friedrichshain in der Nähe des Strausberger Platzes gegründet. Hier wohnen wir, inzwischen in etwas geänderter Konstellation, immer noch.

Was sind – warum – deine Lieblingsorte in Friedrichshain?

Am liebsten bin ich eigentlich im Volkspark Friedrichshain. Da ist es schön grün, und trotzdem ist man mitten in der Stadt. Wenn es ums Grillen geht, versuche ich immer, alle Freunde dorthin zu locken, weil es so schön nahe an zu Hause ist… Aber natürlich auch, weil der Park so weitläufig ist und deshalb nie überfüllt wirkt.

Außerdem mag ich auch das RAW-Gelände echt gerne, weil das für mich der Inbegriff des Berliner Lebens ist: Laut, bunt, unterschiedlich. Ich finde es auch in Ordnung, wenn es hier nachts etwas lauter wird. Schließlich ist das die Hauptstadt…

Marlene Heisel FDP Xhain 4

Durch die Heimatstadt konservativ geprägt, durch das Elternhaus sozialdemokratisch, schautest du dir zunächst die Grünen etwas genauer an. Schlussendlich hat dich der Liberalismus überzeugt. Was macht die FDP für dich „besser“ als die „Grünen“ und die „Grünen“ besser als SPD? Und worin liegt genau deine konservative Prägung?

Die Mischung aus Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft und Toleranz ist nur bei der FDP zu finden. Im Gegensatz zu den anderen Parteien vermeiden die Freien Demokraten die Bevormundung des Bürgers, die seine Selbstentfaltung behindert. Trotzdem befürwortet unser Liberalismus einen starken Staat in seinen Grundaufgaben (Bildung zum Beispiel, Justiz und Polizei, Bürgerservice, soziales Sicherungsnetz). Um es kurz und knapp mit Christian Lindner zu sagen: „Wir lassen die Menschen in Ruhe, aber nicht im Stich.“ Außerdem ist mir grundsätzlich auch Toleranz sehr wichtig, die in der FDP am ausgeprägtesten ist. Und zwar nicht nur einseitig gegenüber alternativen Lebensentwürfen wie bei den Grünen, sondern gegenüber allen Lebensentwürfen.

Ich schätze, ich habe aus Baden-Württemberg einen sehr vernünftigen Umgang mit Nachhaltigkeit und Finanzen mitgenommen („Verschwendet wird nix“), das manch einer vielleicht als konservativ bezeichnen würde. So bekomme ich beispielsweise Gänsehaut, wenn ich sehe, dass in den letzten Jahren ohne Konzept mehrere Millionen Euro in der Gerhart-Hauptmann-Schule versenkt wurden – mit diesem Geld hätte man mit einem sinnvollen Plan sehr viel mehr Flüchtlingen besser helfen können. Leichtfertiger Umgang mit Geld ist mir fremd. Ansonsten ist vom Konservativen nicht mehr viel übrig geblieben – ich bin darin aufgewachsen, und dadurch hat es mich natürlich indirekt geprägt, aber ich habe schnell gemerkt, dass das nicht das richtige Gesellschaftsmodell für mich ist. Grundsätzlich ist es nicht falsch, gute Dinge zu erhalten, aber die Erhaltung per se als Wert erkenne ich nicht an; ich sehe mehr Chancen als Risiken in Veränderungen und bin deshalb sehr zukunftsbejahend.

Überzeugt hat dich u.a. der Ordoliberalismus, der einer der zentralen Grundlagen unserer „sozialen Marktwirtschaft“ ist. Warum?

Der Ordoliberalismus und unsere soziale Marktwirtschaft ist – damals unter Ludwig Erhard wie auch heute – die Grundlage für Wohlstand, sozialen Zusammenhalt und Gerechtigkeit. Der Staat setzt Grundregeln, damit Fairness eingehalten wird, lässt aber darüber hinaus den Einzelnen auf seine Weise machen. Und nur so entsteht Motivation und Innovation! Im Sozialismus mit seinen unendlich vielen Vorgaben und festgesetzten Plänen, um mal einen krassen Gegensatz zu setzen, sehe ich dieses Potential nicht – das erstickt doch jeden eigenen Antrieb sofort. Natürlich ist auch die soziale Marktwirtschaft kein statisches Konzept, das immer so gut bleibt, wie es ist. Man muss immer ein Auge darauf haben, um sicherzustellen, dass etwa wirtschaftliche Macht nicht zentralisiert wird. Sowohl wirtschaftliche Monopole als auch ein Staat, der zu viel Macht bündelt, sind eine Gefahr für Freiheit und Demokratie. Ordoliberalismus will genau dies verhindern, er steht für dezentrale Entscheidungen und für die Emanzipation des Einzelnen.

Marlene Heisel FDP Xhain

Wo sind aus deiner Sicht die größten politischen Baustellen in Berlin und in unserem Bezirk?

Die größte Baustelle sind eindeutig die 5 Milliarden Sanierungsstau in den Berliner Schulen, gefolgt vom Mangel an Schulplätzen in einzelnen Bezirken (insbesondere Friedrichshain-Kreuzberg). Eine sehr große Baustelle sind auch die ca. 125.000 fehlenden Wohnungen in Berlin. Nicht nur klamme Finanzen, sondern vor allem lange Genehmigungszeiten und Streitigkeiten zwischen Bezirk, Land, Anwohnern und privaten Bauherren sind hier die Gründe. Unser ganz pragmatischer Vorschlag ist hier: Das Geld, das nun panikartig in den Bau von staatlichem Wohnraum gesteckt werden soll, muss unbedingt für die Schulen verwendet werden (Neubau, Sanierung, Reinigung). Der Bau von Wohnungen muss dann, kostengünstig für Land und Bezirke, von privaten Bauherren gestemmt werden – denen nicht länger durch endlos lange Genehmigungszeiten Steine in den Weg gelegt werden sollen. Via Bebauungsplan können notwendige Infrastruktur sowie Prozentsätze von günstigem Wohnraum festgelegt werden.

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Stell dir vor, du wachst am 19. September auf und alles ist genau so, wie du es dir wünscht. Was genau ist anders?

Anders ist natürlich: Es gibt von nun an eine liberale, optimistische Stimme im Bezirk, die sich nicht nur in der Bürgersprechstunde, sondern ganz regulär im Parlament einbringen kann! Damit rücken wir unser Hauptthema Bildung (Schulen + Kitas) ganz oben auf die Agenda.

Was sind deine drei Wünsche für die kommenden Wahl?

1. Die AfD verpasst den Einzug in alle BVV und ins AGH – die Berliner haben sich in großer Zahl für eine der demokratischen, rechtsstaatlichen, nicht rechtspopulistischen Parteien entschieden.

2. Die FDP zieht mit starken Teams in die BVV und das AGH, womit es wieder ein Sprachrohr für Toleranz, Marktwirtschaft und Rechtstaatlichkeit gibt.

3. Ein fairer Wahlkampf und natürlich: Weltfrieden 😉

Marlene Heisel FDP Xhain

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