Ein Blick hinters Plakat: Felix Just

8. September 2016

Die Wahlplakate der Piraten fallen auf. Nicht weil sie gestalterisch so anders wären {das zum Teil auch}, sondern weil sie nicht einheitlich sind. Das ist auf den ersten Blick ziemlich überraschend, auf den zweiten aber doch konsequent, denn (a) geht Individualität bei den Piraten vor und (b) hat Gestaltungsfreiheit durchaus einen Wiedererkennungseffekt, wenn alle anderen auf Gestaltungseinheit setzen.

Worauf Felix Just setzt, dessen Konterfei mir seit Wochen auf meinen Wegen durch den Kiez begegnet, das erfahrt ihr im heutigen „Blick hinters Plakat“. In unserem Gespräch geht es um Lieblingsorte in Friedrichshain, um gute und schlechte Kiezentwicklungen, um Großbaustellen und Wunschvorstellungen.

Vielen Dank, lieber Felix, für den spannenden Einblick hinter dein Wahlplakat.

Felix Just Piraten Partei

Felix Just: 34 Jahre alt, Papa von 2 Kindern, Software-Entwickler und Prozess-Designer, seit 2009 in der Piratenpartei und seit 2011 in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg. Wer und was bist du noch?

Für die Piraten kandidiere ich im WK5 als Direktkandidat und bin derzeit noch verantwortlich für die Wahlkampforga und -finanzen. Außerdem bin ich auch noch Feminist, leidenschaftlicher, aber anspruchsvoller Cafétrinker und Optimist. Zudem bin ich schwer technikbegeistert und betreibe daher seit April diesen Jahres auch den xHain hack+makespace, einen Treffpunkt für Programmiererinnen, Nerds, IT- und Technik-Verliebte und Bastler. Man kann dort zum Beispiel Erfahrungen mit dem 3D-Drucker, Lasercutter etc. sammeln und tolle Menschen treffen, die sich im weiten Feld der IT rumtreiben und mit ihnen unter unseren Pappmaché-Birken sitzen.

Warum gerade die Piraten – und nicht FDP oder Grüne, CDU oder SPD?

Mal abgesehen von inhaltlichen Differenzen: Ich war zu Schulzeiten bereits politisch aktiv, war Schulsprecher und in der Landesschülervertretung unterwegs. Nach der Schule hätte ich mich eigentlich auch in einer Partei engagieren können. Dies habe ich aber nicht getan, da mich vor allem die starren Strukturen und Hierarchien abgeschreckt haben. Als ich 2009 bei den Piraten aufgeschlagen bin, war es möglich sich sofort gestaltend (zum Beispiel beim Schreiben des Grundsatzprogrammes) einzubringen – ohne lange Ochsentour durch die Parteiverbände. Und es war die erste Partei bei der man mitarbeiten konnte ohne immer persönlich vor Ort zu sein, die Nutzung des Internets für die Parteiarbeit wurde da bei den anderen Parteien meist nur belächelt.

dein tod und ich, judith peller

Wie und wo und seit wann lebst du in Friedrichshain?

Ich bin in Berlin aufgewachsen und war daher auch schon in den 90ern in Friedrichshain unterwegs, seit 2009 wohne ich in der Nähe des Comeniusplatzes. Ich wohne mit meiner Familie und 2 Katzen zusammen und habe aus dem Wohnzimmerfenster einen herrlichen Blick über West-Friedrichshain und sehe den Fernsehturm – besonders bei Sonnenuntergang immer wieder ein sehr schöner Anblick.

Was magst du ganz besonders an diesem Bezirk? Was am wenigsten?

Ich bin in den 90ern in Berlin groß geworden – zu einer Zeit in es ganze Straßen mit besetzten Häusern gab. Ich war viel in diesen Häusern, da durfte man einfach machen, es wurden Spielplätze (zum Beispiel aus einer alten Ente, die aufgebockt wurde) gebaut und es gab die coolsten Comics. An Friedrichshain mag ich besonders, dass es immer noch Ecken gibt in denen diese Atmosphäre, Offenheit und Kreativität zum mindest in Teilen immer noch gibt. Ich finde, dass in F’hain immer noch eine größere Toleranz gegenüber alternativen Lebensentwürfen gibt als in fast allen Städten, die ich so kennengelernt habe. Und das möchte ich nicht missen.

Was ich nicht mag ist, dass genau diese Toleranz und Freiheit immer mehr bedroht ist und abnimmt. Da gibt es einen durchdrehenden Innensenator, der ganze Kieze kriminalisiert und mit der Ausrufung von Gefahrengebieten die F’hainer Anwohnerschaft einer Drangsalierung durch die Polizei aussetzt, und damit immer weiter an der Eskalationsschraube dreht, um die linke Szene aus dem Bezirk zu drängen.

Und auch der immer stärker werdende Ballermann-Tourismus stört mich, da leider vielen (aber nicht allen) Touristen das Verständnis dafür fehlt, dass man sich in einem Wohnkiez bewegt und es nötig ist gerade in Vermüllungs- und Lärmfragen auch ein wenig Rücksicht auf die hier lebenden zu nehmen. Extrem blöd finde ich, dass viele F’hainer im Falle eines Umzugs den Bezirk verlassen müssen, weil preiswerter oder zumindest bezahlbarer Wohnraum hier kaum noch zu finden ist. Die explodierenden Mieten zerstören genau die bunte Anwohnerschaft und die Xhainer Atmosphäre, die diesen Bezirk eigentlich erst so lebenswert macht.

Friedrichshain

Wo bist du hier in F’hain am liebsten (a) mit deinen Kindern und (b) allein?

Mit den Kids am liebsten bei uns zuhause im grünen Hof, dem Dschungelspielplatz oder dem Drachenspielplatz. Wenn ich alleine  unterwegs bin laufe ich gerne einfach nur durch den Nordkiez und die Gegend zwischen Berghain un Ostkreuz. Sich abends auf der Stralauer Halbinsel an’s Spreeufer zu setzen und mit Freunden zu chillen ist auch sehr sehr toll.

Wo siehst du die größten politischen Baustellen in Berlin und in unserem Bezirk?

Für Berlin fallen mit als erstes die Baustellen ein: die Geldvernichtungsmaschine BER und das Schwachsinnsprojekt A100. Und es wird eine goße Aufgabe sein der gefühlten Angst der Bürger*innen vor Kriminalität mit etwas anderem als nutzloser Videoüberwachung, punktuellen Polizeigroßeinsätzen und der Einführung von Tasern entgegenzutreten.

Im Bezirk ist das größte Problem die Stadtentwicklung. Immer neue Luxuspaläste in der Rigaer, die extreme Nachverdichtung der WBM in F’hain-West, der neue Wohnblock auf dem Freudenbergareal – regelmäßig geht es um zu hohe Baudichten und die Haltung der grünen Stadträte dazu. Stadtrat Hans Panhoff hat die Baunutzungsverordnung und die Grünflächenversorgungsrichtlinien – eigentlich die scharfen Waffen der Kommunen gegen die Allmacht der Grundstückseigentümer*innen – als überholt und unzeitgemäß dargestellt. Hohe Baudichten entsprechen seiner Überzeugung. Deshalb ist der vorauseilende Gehorsam für ihn Programm – die Investor*innen reiben sich ungläubig die Augen über so viel Entgegenkommen des „grünen“ Bezirks und den mangelnden Gestaltungswillen. In einem der am höchsten verdichteten Stadträume Berlins sollten aber andere Maßstäbe gelten. Hier steht eigentlich eine
maßvolle Nachverdichtung mit dem Augenmerk auf die Versorgung mit sozialer Infrastruktur auf dem Programm und nicht kopfloser Bauwahn.

Institut fuer Krimskrams, Gentrifizierung, Berlin, Grosse koepfe, Blog, Friedrichshain, Berlin
Musste einem Neubauprojekt weichen: Das Institut für Krimskrams

Samariterkiez 2025 – welche Überschrift möchtest du in der Zeitung deines Vertrauens an einem Montagmorgen im Jahr 2015 über den Samariterkiez lesen?

Vorhang auf für das bunte Leben! Morgen startet das 3-tägige Kiezfestival – organisiert von der Anwohnerschaft, engagierten linken Gruppen und lokalen Gewerbetreibenden.

Stell dir vor, du wachst am 19. September auf und dein (politisches) Leben ist genau so, wie du es dir wünscht. Was genau ist anders als jetzt?

Unsere Fraktion in der BVV hat deutlich mehr Bezirksverordnete als jetzt und die Piraten Xhain stellen ein oder zwei Stadträte.

Was sind deine drei Wünsche für die kommenden Wahl?

Dass Berlin nach der Wahl eine linkere Regierung bekommt und die rot-schwarze Koalition nicht fortgesetzt wird. In der BVV mit den Piraten Xhain das Ergebnis von 2011 wieder zu erreichen. Und vor allem, dass die AfD nirgends einzieht.

Was wäre für dich die größte Wahlkatastrophe?

AfD in Berlin holt 20%, Piraten Xhain scheitern mit 2,9% an der 3%-Hürde und ziehen nicht wieder in die BVV ein.

Ieva Jansone, Zaubermathe, Kalabrien, Martin Wyrwich
Bild (c) Ieva Jansone

 

 

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