Ein Blick hinter Reisefreunde

10. November 2014
Kennengelernt habe ich sie auf der ersten BLOGST Konferenz im Jahr 2012. Sie sprach über ‚Blogs & PR‘ und zog mich mit ihrer so amüsant kurzweiligen wie professionellen Art sofort in ihren Bann. ‚Wir sind Publisher! Unsere Arbeit ist wertvoll, zeigen wir es gemeinsam!‘ Nur einer der Sätze, die saßen. Die Rede ist von Anglika Schwaff, der Frau hinter dem Blog Reisefreunde. Die studierte Kommunikationswissenschaftlerin arbeitete als Rundfunkredakteurin und Moderatorin, freie Journalistin und Dokumentarfilmerin, bevor sie fünf Jahre die Pressearbeit für Air Berlin und später die Internationale Kommunikation bei Germanwings verantwortete. Seit 2010 ist sie als selbstständige Publisherin für Kunden aus der Tourismusbranche tätig und berät Unternehmen in Sachen Blogger Relations. In unserem Montagsinterview erzählt sie aus ihrem Leben ‚on the road‘, von der Lust und Last des Reisens sowie der immer wieder großen Frage, wie man vom Bloggen leben kann.
Vielen Dank, Angelika, für das spannende Gespräch, mit dem ich euch allen einen guten Start in die Woche wünsche.
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Wer ist Angelika Schwaff? 
Der erste Satz, der mir auf diese schwierige Frage einfällt ist: Ich befinde mich gerade in einem Lebensabschnitt voller spannender Entdeckungen und vieler Wagnisse. Mein Job und der Weg dorthin hat mir einigen Mut abverlangt – andere würden es wahrscheinlich Naivität nennen. Ich bin ein typischer Zwilling: Ich kann einen unfassbaren Dickkopf haben, aber auch extrem flexibel sein. Manche Situationen langweilen mich entsetzlich, andere wecken die Neugierde in mir. Stell mir also am besten die Frage noch einmal, wenn ich mit 87 auf einem Motorrad durch die Welt knattere, vielleicht weiß ich dann ein paar mehr Sinn bringende Antworten.

Reiseblogger/innen werden als „digitale Nomad/innen“ bezeichnet – immer on the road. Wie sieht dein Leben aus? 
Zunächst einmal: ich mag diesen Begriff überhaupt nicht. Er trifft auch nicht auf mich zu. Ich bin trotz all dieser vielen Tage unterwegs extrem froh, ein Zuhause zu haben und immer dorthin zurückzukehren. Und das unterscheidet mich von einem Nomaden. Der nimmt ja seine sieben Sachen immer mit und ist nicht sesshaft. Ein verstörender Gedanke für mich. Mein Leben spielt sich tatsächlich meist „on the road“ ab, ich reise etwa 200 Tage im Jahr, vielleicht sogar noch mehr. Ich zähle kaum noch. Aber die Verherrlichung des digitalen Nomadenlebens ist für mich nicht nachvollziehbar. 
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Wird die Lust am ständigen/vielen Unterwegssein auch manchmal zur Last?
Die Lust selber wird nur selten zur Last. Reisen ist anstrengend. Nicht nur der Weg von A nach B. Die Verarbeitung der ganzen Eindrücke ist einerseits schwierig, ich hatte besonders in den letzten Monaten das dringende Bedürfnis, öfter zu Hause zu bleiben. Aber wenn ich dann unterwegs bin und so reich mit Bildern, Begegnungen und Erfahrungen beschenkt werde, kann ich das immer noch genießen und bin sehr dankbar.

Du kannst – was viele Blogger/innen gerne würden – vom Bloggen leben. Wie geht das?
Ich lebe nicht direkt vom Bloggen. Mein Blog Reisefreunde ist werbefrei, es gibt weder Bannerwerbung noch irgendwelchen Linkselling-Quatsch. Advertorials nehme ich so gut wie nie an. Anfragen dazu kommen jeden Tag rein, aber ich glaube nicht an platte Werbung. Reisefreunde ist vor allem mein Portfolio. Mein Geld verdiene ich auf anderen Wegen: Ich reise für Kampagnen und werde für meine Zeit honoriert, gemeinsam mit meinen Kollegen und Kolleginnen vom Reiseblogger Kollektiv erstellen wir Content, also Texte, Fotos und Videos hauptsächlich für die Tourismus-Branche, und außerdem berate ich Unternehmen in Blogger Relations. Auf meinem Blog schreibe ich nach wie vor was ich will und muss authentisch bleiben. Selbst, wenn meine Reise voll finanziert ist. Das erwarte ich auch von anderen Profi-Reisebloggern. Vertrauen und Ehrlichkeit ist unser höchstes Gut. 
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Was sind irößten Herausforderungen im (Berufs-)Leben einer Reisebloggerin?
Das ist natürlich für die meisten die oben gestellte Frage: Wie verdient man Geld? Zwei Dinge sind dabei anders als in anderen Bloggerbereichen. Erstens braucht man, um überhaupt auf Reisen eingeladen zu werden und mit der Industrie in Kontakt zu treten, eine entsprechende Reichweite oder eine besondere Nische. Die Reichweite entsteht unter anderem aus qualitativ hochwertigen Artikeln, dem Aufbau einer Leserschaft, einem guten Eigenmarketing – aber vor allem eben aus Reisen. Blogger, die noch einem „normalen“ 9-5 Job nachgehen, haben aber nur begrenzt Möglichkeiten dazu. Ein Fashionblogger kann von zu Hause arbeiten, ein Kochblogger ebenso und dennoch ständig neuen Content erstellen. Bei einem Reiseblogger ist das logischerweise anders. Zweitens leidet die Tourismusbranche unter einem enormen Wettbewerb, nirgends lässt sich weniger Geld verdienen als dort. Darum gibt es in Deutschland auch so wenig Profi-Reiseblogger, die es geschafft haben, Geld mit ihrer Arbeit zu verdienen. Und die zweite Herausforderung ist relativ naheliegend: Das Sozialleben leidet entsprechend unter den vielen Reisen. Ich bin froh, dass meine Freunde außerhalb der Bloggerszene überhaupt noch mit mir sprechen und mich mit offenen Armen empfangen, auch wenn wir uns viel zu selten sehen.

Was braucht man, um ein (gutes) Leben als Reisebloggerin führen zu können? Und wann sollte man lieber die Finger vom digitalen Nomadentum lassen?
Man nehme: eine gehörige Portion Networking, Ausdauer, Nerven aus Drahtseil, Mut, Glück und die natürlich die Gabe, sich schnell auf fremde Menschen und Situationen einlassen zu können. Wie gesagt, ich will kein digitaler Nomade sein und auch anderen nicht vorgaukeln, dass so ein Leben für jeden erreichbar ist. Das ist es nämlich nicht. Wenn mich Leute fragen, wie zu dem gekommen bin, was ich jetzt mache und ob das jeder „lernen“ kann, dann kann ich nur antworten: Nein. Alle Jobs, die ich vorher hatte, haben zu meinem jetzigen Job geführt. Planbar ist so etwas glaube ich nicht.
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Was sind deine nächsten Reiseziele?
In zwei Tagen fliege ich nach Toronto, danach geht es nach Amsterdam, dann in den Harz, danach auf die Malediven und wahrscheinlich noch nach Chicago. Alles für Kampagnen oder Corporate Content. Dann ist Weihnachten und ich fahre zu meiner Familie. Das beste Ziel überhaupt.

Hast du eine unbedingte Reiseempfehlung für mich mit Familie? Und wo sollte ich unbedingt mal allein hinreisen?
Da ich keine Kinder habe, ist es für mich schwierig, dir da wirklich gute Tipps zu geben – da würde ich dich lieber an meine Kollegin Heike von Köln Format verweisen. Heike reist mit Kindern und schreibt darüber. Bei Alleinreisenden kenne ich mich natürlich aus, da gibt es etliche Länder, die dafür perfekt sind: Südostasien, allen voran Vietnam zum Beispiel oder die Philippinen – hier habe ich die freundlichsten Menschen getroffen. Oder nach Neuseeland, die Landschaften sind atemberaubend und die Kiwis unglaublich offen und zugänglich. Ach Gott, ich könnte jetzt etliche weitere Länder aufführen, denn die meiste Zeit reise ich ja allein. Ich glaube das Wichtigste ist: Du wirst mit Sicherheit in den meisten Ländern alleine eine tolle Zeit haben, denn zum großen Teil beeinflusst du den Lauf der Dinge. Eine ganz wichtige Erkenntnis nach den vielen Reisen: Die meisten Menschen auf dieser Welt sind sehr gastfreundlich und interessiert, man muss nur den ersten Schritt machen. Eine philippinische Reisbäuerin hat mir mal gesagt, ich solle meinen Lesern folgenden Satz mitgeben „Don’t be instant Tourists“ – das trifft es auf den Punkt.
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Alle Fotos (c) Angelika Schwaff

1 Comment

  • 9 Jahren ago

    Don't be instant tourists. – das bringt für mich sowas von auf den Punkt, was ich empfinde… Wenn ich reise, möchte ich mich auf Menschen und Landschaften und Kultur… einlassen können, in Ruhe und in meinem Tempo… Spannend! Lieben Gruß Ghislana

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