Ein Blick hinter katjaberlin

26. Januar 2015

Seitdem ich Twitter für mich entdeckt habe, entdecke ich lauter neue spannende Menschen. Einer davon ist Katja Dittrich, die seit 2008 unter dem Pseudonym katjaberlin twittert und mir mit ihren so scharfsinnigen wie witzigen (Selbst-)Beobachtungen schon über so manches Stimmungstief hinweggeholfen hat (Danke dafür!). Auf die Idee, sie zu interviewen, brachte mich ihr Kommentar über Lifestyle. Der ist für sie nämlich immer Unwort des Jahres. Was lag da näher, als die Frau, die quasi einen Frontalangriff auf mein Blog gestartet hatte, mal auf den Zahn zu fühlen. 

In unserem Montagsinterview erklärt die gebürtige Berlinerin, Graphitti-Bloggerin, Autorin, PR-Beraterin und Witze-Erzählerin, warum ihr das (Un-)Wort Lifestyle nicht behagt. Außerdem erzählt sie, wie ihre Bilanz nach dreieinhalb Selbstständigkeit aussieht, was Berlin und seine Bewohner/innen für sie ausmacht und das neue Jahr so für sie verspricht.
Vielen Dank, liebe Katja, für das kurzweilige Gespräch, mit dem ich allen einen gelungenen Start in die neue Woche wünsche!
Starten wir mit ein paar Fakten: Wer und was bist du?

2011 hast du dein Angestelltenverhältnis zugunsten deiner Lebensfreude quittiert und arbeitest seither als freiberufliche Autorin, Witzeerzählerin und Kommunikationsberaterin. Wie sieht deine Bilanz nach rund 3,5 Jahren Selbstständigkeit aus?
Sie fällt durchweg positiv aus. Ich hatte das große Glück, dass zwei meiner Bücher Bestseller geworden sind, das ermöglicht einem sehr viele Freiheiten. Ich hatte eigentlich nie geplant, dass ich einmal nur rein kreativ arbeiten würde. Jetzt freue ich mich umso mehr über diese unerwartete Abzweigung in meinem Berufsleben und bin mir darüber hinaus eine super Chefin. Ich habe viel gelernt in der Zeit. Man muss ja auf einmal alle beruflichen Entscheidungen selbst treffen, dadurch gewinnt man viel mehr an Erfahrung und Selbstvertrauen als im eher fremdbestimmten Angestelltenverhältnis. Manchmal fehlen mir das eher inhaltliche Arbeiten im politischen Bereich oder Kolleginnen, aber das ist Jammern auf hohem Niveau.
Du wohnst im Wedding resp. in Gesundbrunnen. Was schätzt du an deinem 90.000-Einwohnerbezirk am meisten? Gibt es einen Ort in Berlin, an dem du lieber wohnen würdest? Und wo möchtest du warum auf keinen Fall jemals in dieser Stadt wohnen?
Ich bin gebürtige Berlinerin und habe schon in vielen Bezirken gewohnt. Seit etwas über einem Jahr lebe ich jetzt in Gesundbrunnen, was mir vor allem nach acht Jahren in Mitte gut getan hat. Es ist viel heterogener, rauer, aber dennoch interessanterweise auch netter. Der Wedding fordert einem mehr Eigeninitiative ab, er liefert dir nichts. Das gefällt mir. In Mitte wird man schnell faul, weil man alles Wichtige fußläufig hat. Man entdeckt dadurch weniger. Kreuzberg 36 steht noch auf der Liste der Berliner Ortsteile, in denen ich mal wohnen möchte, ansonsten habe ich schon alle abgehakt. Dann kann ich vielleicht endlich auch mal die Stadt verlassen. Auf keinen Fall jemals möchte ich natürlich in Spandau wohnen – so viel Klischee muss sein!
Berlin aus Sicht von Immobilienmaklern

Für Zitty & Co hast du schon so manche Gebrauchsanleitung zum Erkennen von ‚echten Berliner/innen‘ (mit schwäbischen Wurzeln) geschrieben. Doch nicht nur Berlin, auch seine Bewohner/innen ’sind dazu verdammt, immerfort zu werden und niemals zu sein‘. Woran erkennt man den neuen Berliner und wo trifft man ihn am häufigsten an?

Ich glaube nicht an den neuen Berliner und in dem Text persifliere ich ja auch den Anspruch, eine ‚echte‘ Berlinerin zu sein. Berlin war schon immer eine Stadt für Zugezogene und das macht einen großen Teil ihrer Attraktivität aus. Vielleicht tragen sie jetzt andere Hosen als ihre Vorgänger, von mir aus auch alberne Wollmützen in Kneipen und sie ziehen in andere Kieze, aber das ist nur Mode. Im Grunde unterscheiden sie sich nicht großartig. Sie kommen her und fangen sofort an, über diejenigen zu motzen, die nach ihnen nach Berlin ziehen. Damit sind sie echte Berliner geworden, so einfach geht das.
Ich mag das Zitat, das du herausgesucht hast, aber für mich ist das Unfertige an Berlin kein Fluch, sondern ein Segen. Mein Lieblingszitat über Berlin ist übrigens vom lustigen Fil, der wie ich aus Reinickendorf kommt: If you can’t make it here you can’t make it nowhere.

Bitte in max. 140 Zeichen:
  • Was ist Berlin für dich? Berlin ist, wenn du schwarz fahren willst und dann keine S-Bahn kommt.
  • Was ist Twitter für dich? Twitter ist für mich die optimale Verbindung aus Arbeit und Nicht-Arbeit.
Warum ist Lifestyle für dich immer Unwort des Jahres?
Das ist natürlich schon extra fies, dass ich jetzt diesen Tweet in einem Blog mit „Lifestyle“ im Namen erklären muss. Aber für mich ist es ein Wort, das im Deutschen zu 99,82 % nur dazu verwendet wird, um uns Dinge zu verkaufen.
Öfter ‚Hallo‘ als ‚Mach’s gut‘ sagen, lautet dein Vorsatz für 2015 (meiner übrigens auch). Wie sieht die Zwischenbilanz nach knapp 3 Wochen aus? Und wem oder was willst du die kommenden 11 Monate und 11 Tage Hallo sagen?
2015 hat bis jetzt noch Luft nach oben, aber das wird schon noch. Ich werde einer zweiten Nichte Hallo sagen, einer neuen Wohnung, anderen Ländern und gleich zwei Büchern, die im Frühling und im Herbst von mir erscheinen werden. Es könnte ein gutes Jahr werden.

1 Comment

  • 9 Jahren ago

    Ich verfolge Katja schon lange auf Twitter und bin auch immer wieder erheitert über ihre treffenden Sprüche… Wie schön, mal etwas mehr über sie zu erfahren! 🙂

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