Sie steht mit beiden Füßen auf Berliner Boden, hat ihr halbes Herz an Köln verloren und brennt für die Literatur. Ein 400-Seiten starkes Buch kann sie binnen zwei Tagen lesen, und sie trägt immer eines bei sich. Gerade beiseite gelegt hat sie Die Verwandlung des Hector Berlioz, immer wieder zur Hand nimmt sie Max Frisch. Die Rede ist von Julia Schmitz, der lesenden Literaturwissenschaftlerin und flanierenden Kulturjournalistin, die hinter dem Alias Fräulein Julia ihr gleichnamiges Kulturjournal herausgibt. Wer ausgewählte Kulturtips für Berlin und Köln sucht, findet hier die Sahnestückchen.
In unserem Montagsplausch erzählt Julia über ihre Beziehung zur Literatur, ihrem Leben und Überleben als Kulturjournalistin und verrät, welche Sahnestückchen Berlin und Köln diesen Sommer für uns bereithalten. Hab´ vielen Dank, liebe Julia, für das kurzweilige Gespräch. Und euch – wie (fast) immer – einen gelungenen Start in die neue Woche.
Liebe Julia, bitte stelle dich kurz vor. Wer bist du? Woher kommst du? Wohin willst du?
Ich wurde vor 30 Jahren in Köln geboren, habe in Bonn studiert und lebe seit vier Jahren in Berlin. Die Heimat zu verlassen und in die große Stadt zu ziehen, war ein sehr großer Schritt – aber ich habe ihn keinen Tag bereut. Mittlerweile bin ich hier fest verankert und werde das hoffentlich auch noch lange bleiben.
Du hast Literaturwissenschaft studiert. Wo und warum?
Mein Vater war Buchhändler und hat mir schon sehr früh das Lesen beigebracht. Ich kenne kein Leben ohne Bücher und Literatur, da war es nur konsequent, Literaturwissenschaft zu studieren. Als ein Professor bei einer Infoveranstaltung an der Uni Bonn sagte: „Sie sollten ein ca. 400 Seiten starkes Buch binnen zwei bis drei Tagen lesen können“, wusste ich, dass es die richtige Wahl ist.
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Was bedeutet dir die Literatur? Und welche gesellschaftliche Rolle hat sie deines Erachtens bzw. sollte sie haben?
Literatur bedeutet mir sehr viel. Auch wenn ich im Alltag seltener als im Studium dazu komme, „höhere Literatur“ zu lesen, kann ich mich immer wieder in einem Text von Max Frisch oder den Gedichten von Stefan George verlieren. Ob Literatur aber heutzutage noch eine gesellschaftliche Rolle spielt? Dazu ist der Buchmarkt viel zu unübersichtlich, denke ich, und wenn ein – oft sind es Sachbücher – Text doch mal besonders viel Aufmerksamkeit erhält, dreht es sich meistens um sehr populistische Themen.
Kommst du (noch) viel zum Lesen?
Ja. Ich lese jeden Morgen und Mittag in der Bahn, überhaupt immer wenn ich Bahn fahre und jeden Abend vor dem Einschlafen. Der Stapel ungelesener Bücher (ein Hoch auf die gut ausgestatteten Berliner Büchereien!) neben meinem Sofa wird trotzdem immer größer.
Was macht ein gutes Buch aus? Und welches sind deine aktuellen Lieblingsbücher?
Da kommen einige Faktoren zusammen. Idealerweise sollte mich der Text schon mit dem ersten Satz, spätestens aber innerhalb der ersten 10-15 Seiten packen. Ob mir ein Buch gefällt, hängt auch immer von meiner jeweiligen Stimmung ab. Ich habe ein paar ‚all time favourites‘, zu denen ich immer mal wieder greife, darunter eben die Texte von Max Frisch. Als letztes habe ich Die Verwandlung des Hector Berlioz von Alper Canigüz gelesen, sehr empfehlenswert.
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Du arbeitest als freie Journalistin. Für wen und über was schreibst du?
Ich habe in Köln als Lokalredakteurin bei koeln.de angefangen – musste allerdings nicht über
die Jahreshauptversammlung des örtlichen Kaninchenzüchtervereins schreiben – und bin dann nach Berlin zum KUNST Magazin gewechselt, wo ich drei Jahre lang die Online-Redaktion geleitet habe. Ab und zu findet man auch Texte von mir im Päng! Magazin oder bei der kürzlich gegründeten Edition F.
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Ich stelle mir das Dasein als freie Journalistin ganz schön hart vor (Stichwort: Konkurrenz, Selbstvermarktung, Bezahlung etc.). Stimmt das?
Ja! Ich habe mich deswegen für eine sichere Variante entschieden und arbeite seit 2 1⁄2 Jahren mit einer Dreiviertelstelle in einem Medienunternehmen in Mitte. So kann ich mich auf journalistische Projekte konzentrieren, die meinen Kompetenzen und Vorlieben entsprechen und muss nicht dauernd Klinken putzen gehen (was ich nämlich gar nicht mag).
Auf deinem Blog schreibst du über Kunst und Kulturelles in Berlin und Köln, Literatur und dich selbst. Warum Berlin und Köln?
Als ich den Blog 2008 gegründet habe, wohnte ich noch in Köln und wollte „kulturelle Sahnestückchen“ anbieten, über die man sonst wenige Informationen fand. Mit meinem Umzug nach Berlin habe ich den Blog mitgenommen und auf die Stadt erweitert, aus Heimatliebe und der Leser wegen aber den Köln-Teil beibehalten – auch wenn dieser, zugegeben, ziemlich geschrumpft ist.
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Was sind deine Lieblingsorte in diesen beiden Städten?
Wenn ich in Köln bin, muss ich auf jeden Fall im Dom eine Kerze anzünden – das liegt uns Kölnern wahrscheinlich in den Genen. Auch ein Spaziergang durch den Rheinpark, ein Bummel durch das Belgische Viertel und ein Gläschen Wein im Café Hallmackenreuther am Brüsseler Platz stehen eigentlich immer auf der Liste.
Berlin ist ebenfalls reich an Lieblingsorten: Die Dachterrasse eines Freundes zum Beispiel, die sich im 18. Stock eines Plattenbaus am Ostkreuz befindet und einen wahnsinnigen Blick über die Stadt bietet. Das Café an der Märchenhütte im Monbijoupark direkt an der Spree, das nur im Sommer da ist und jeden Abend Tanzkurse anbietet. Clärchens Ballhaus in Mitte, das RAW-Gelände in Friedrichshain, das Badeschiff in Treptow und natürlich meine helle Hinterhofwohnung mit den knarzenden Dielen im Prenzlauer Berg.
Welche sommerlichen Kunst-, Kultur- und Literaturtipps hast du für mich und meine Leser/innen?
Am 26. Juli findet in Berlin die Lange Nacht der Hinterhofflohmärkte statt, auf die ich sehr gespannt bin. Am gleichen Tag wird auch um den Hipster Cup gekämpft, in Disziplinen wie „Hornbrillen-Weitwurf“ oder „Jutebeutel-Sackhüpfen“ – das ist typische Berliner Ironie. In Köln sollte man definitiv die ein oder andere Veranstaltung vom Sommer Köln mitnehmen und natürlich die c/o pop nicht verpassen, die den unschönen Verlust der Popkomm mittlerweile erfolgreich stopft.
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klingt gut, gescheit, lust auf berlin machend und nach bitte mehr davon.