Ein Blick hinter Frau Haessy

15. Dezember 2014
Claudia Haessy (c) Frau Haessy 

Dieser Blog ist gefährlich; er hätte mich fast mein Laptop gekostet. Ich konnte den Kaffee gerade noch runterwürgen, statt ihn quer über Bildschirm und Tastatur zu prusten. Sie schreibt so wunderbar böse, ohne Umschweife, direkt (und) ‚in die Fresse‘. Egal ob es um eine Avocado geht, ihre Schwangerschaft oder das Leben der anderen. Heute geht es um ihr Leben – das Leben der Frau Haessy. Im obligatorischen Montagsinterview erzählt sie von untoten Dissertationen, dem Amoklauf-verhindernden Pasta-Duft frischgebadeter Kleinkinder, von kniefreien Kleidern, Apple-Manien und Weihnachtsphobien.
Und damit wünsche ich allen einen beschwingten Start in die vorletzte volle Woche des Jahres und sage Danke, liebe Claudia, dass du meine Fragen beantwortest hast, obwohl du doch ‚eigentlich nur deine Ruhe haben möchtest‘.

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Was und wer du bist, steht auf deiner Startseite und unter „Wer schreibt?!“. Wer und was bist du zwischen diesen Zeilen? Und was davon zurzeit ganz besonders?
Zur Zeit bin ich vor allem gestresst. Unabhängig davon bin ich laut, sarkastisch, launisch, gebefreudig, harmoniebedürftig, introvertiert. Aber vor allem bin ich in der Regel ein Mensch, der eigentlich nur seine Ruhe haben möchte.
Unter anderem bist du Montagsbloggerin. Was machst du an den sechs anderen Tagen der Woche? (Auf Xing fand ich den Hinweis auf eine Promotion.)
Das mit der ‚Montagsbloggerin‘ schrieb ich, weil ich den Druck brauche, mindestens einmal in der Woche zu bloggen. Der Gedanke dahinter war, dass ich am Wochenende eher die Zeit finde, den Text für Montag vorzubereiten. Pustekuchen. Ich datiere die Blogs zwar immer rotzig auf den letzten Montag, aber Fakt ist, dass sie regelmäßig auch erst Dienstag oder gar Freitag rauskommen. Das liegt zum einen daran, dass ich Teilzeit arbeite, zum anderen daran, dass ich dann auch noch selbstständig bin, dann noch der Mann und das Kind und der Haushalt und wumms! ist wieder eine Woche um. (Mit der Promotion hatte ich übrigens vor der Schwangerschaft angefangen, sie liegt jetzt brach und führt eine zombieske Existenz – nicht tot, aber auch nicht am Leben.

 Preußische Knie (c) Frau Haessy
Du sagst, du hast hässliche Beine und das sei scheissegal. Wie bist du zu diesem geradezu heroischen Gleichmut gelangt?
Ich würde gerne sagen, dass es einen bestimmten, erleuchtenden Moment, eine bestimmte Erkenntnis gegeben hat, die ich jetzt weitergeben und damit jeder für sich in Anspruch nehmen kann. Es war schlichtweg so, dass es 30 Grad waren und ich die Wahl hatte in schweren, dunklen Jeans oder einem Kleid nach draußen zu gehen. Meine Beine sind weiß, die Knie knubbelig und die durch die Schwangerschaft entstandenen Krampfadern leuchten wie abgefeuerte Signalpistolen in sternenklarer Nacht – Ich kann daran nichts ändern. Und warum soll ich für wildfremde Menschen schwitzen? Das ist falsche Rücksichtnahme. Warum soll ich mich für etwas schämen, wofür ich nichts kann? Das war alles. Keine Epiphanie. Keine Erleuchtung. Nur Logik. Ich bin mit dem Kleid rausgegangen und habe festgestellt, dass die Welt nicht untergeht. Und wenn einer mal komisch guckt, dann bestärkt mich das nur. Weil ich mich für Menschen, die versuchen mich herabzuwürdigen, erst Recht nicht verbiege oder schamerfüllt in wallenden, bodenlangen Gewändern herumschlurfe.

Bevor du Mutter wurdest, hast du Kinder wunderbar gefunden, solange sie einen Mindestabstand von fünf Metern zu dir eingehalten haben. (Wie) Hat sich deine Haltung zu dieser „einzigen Bevölkerungsgruppe auf der Welt, die sich komplett irrational und geradezu wahnsinnig verhalten darf und trotzdem immer noch als süß empfunden wird“ seitdem verändert?
Meine Beziehung zu Kindern hat sich nicht geändert, weil Kinder sich nicht geändert haben. Mein Sohn ist emotional, sprunghaft, irrational, er spricht genug, um präzise zu äußern, was er will und was er nicht will und das gerne im 5-Sekunden-Wechsel. Er macht einen wahnsinnig. Aber er hat einen Augenaufschlag und ein Lächeln zum Niederknien. Und dass er gebadet immer ein wenig nach frischer Pasta riecht, hilft auch ungemein. Die Evolution hat extra eingerichtet, dass sie so süß sind, damit wir nicht Amok laufen, wenn sie unser MacBook baden oder einen tränenvollen Nervenzusammenbruch an der Kasse zelebrieren.
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Fast Nutella, aber wirkungsvoller: Dauerdiäten  (c) Frau Haessy

Wie verhalten sich Nutella- und iphone-Sucht zueinander? Und welche ist schlimmer?
Eindeutig die iPhone-Sucht. Wobei sie gerade von der iPad-Sucht abgelöst wird. Ich bin ein Apple-Fan-Girl und schäme mich nicht. Ich muss nicht immer das neueste Modell haben, aber ich muss meine Geräte immer bei mir haben. Und dass sie – im Gegensatz zu den Nutella-Gläsern – alle Namen haben, sagt letztlich alles über meine Beziehung zu ihnen. Mein erster iPod Touch hieß Boris, das erste iPhone Pauline und die beiden jetzigen Jorge (iPhone) und Hilde (iPad).

Was fällt dir zum Thema Advent und Weihnachten ein? Und hast du schon erste „Vorfucksätze“ für 2015 formuliert?
Ich bin ein Ex-Katholik, der sich an milden Tagen als Agnostiker sieht, der sich aber ratzfatz in einen militanten Atheisten verwandeln kann. Wenn es um die Kirche geht, bin ich mehr Hulk als Bruce Banner. Daher habe ich große Probleme mit der Vorweihnachtszeit, da ich sie für mich eigentlich nicht feiere: Ich bin keine Christin >>> Daher glaube ich nicht an den Messias >>> Daher feiere ich nicht seine Geburt >>> Daher feiere nicht Weihnachten. Punkt. Der Mann ist jedoch Heide, hat zu dem Ganzen verständlicherweise ein lockeres, unverkrampftes Verhältnis und daher wird auch dieses Jahr die Familie wieder um den Baum stehen, Weihnachtslieder singen, während ich gollumartig grummelnd und leise fluchend in der Ecke sitze. – Und noch habe ich keine Vor(fuck)sätze für 2015 formuliert, das mache ich immer erst wenige Tage vor Silvester, wobei mir die Vorsätze diesen Jahres immer noch drohend und unerfüllt im Nacken sitzen. Na ja, noch habe ich ja ein wenig Zeit.
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3 Comments

  • Ihr Blog ist einer derjenigen, die so herrlich vom Mainstream ab sind und mich regelmässig begeistern. Freie Schnauze – sehr gern mehr davon.
    Und besser kann man Mutterliebe nicht beschreiben.
    Happy Monday!

  • 9 Jahren ago

    Erst vor Kurzem entdeckt und für gut befunden. Danke fürs Interview!
    Schöne Grüße, Wiebke

  • 9 Jahren ago

    Wunderbare Schreibe, schöne Schwarz-weiß-Sonnenschutz-Markise als Banner (hatteichauchmaundfindichimmanochgut), das mitde Beine kennich und haltich auch so (nonnichsolange, ehrlichgesagt, mutundnotundso) + danke für den "Blick hinter"!

    Leev Jröß 🙂 Minza (neuerclaudiahaessyfään)

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