Ein Blick hinter den Familienbetrieb

9. März 2015
Christian Hanne ist nicht nur Gründer und Geschäftsführer einer internationalen Kommunikationsberatung, sondern auch eines mittelständigen Familienbetriebs. Über letzteres schreibt er seit 2011 unter gleichnamigen Titel und hat sich damit einen Namen im deutschsprachigen ‚Online-Familien-Clan‘ (Eltern-Blogosphäre) gemacht. Aktuell beschäftigt das Thema ‚Saft-Fasten‚ den Familienbetrieb – angekündigt als ‚Tragödie in fünf Akten‘. Ich bin gespannt! Je nach Verlauf werde ich es den beiden Geschäftsführer/innen gleichtun – wenn dann allerdings erst nach Ostern, also nach erfolgtem Umzug (auf Saftbasis steh ich das nicht durch). 
Im heutigen Montagsinterview geht es jedoch weder ums Fasten noch um Säfte und auch Tragödien spielen keine Rolle, so man den heiß ersehnten, aber bisher unerfüllten Lottogewinn-Wunsch außen vor lässt. Unser Gespräch dreht sich vielmehr um ‚Elternblogs‘ und die Frage, wie Elternbloggen und internationale Kommunikationsberatung zusammenpassen. Außerdem habe ich den international erfahrenen Kommunikationsberater nach der Bedeutung von Elternblogs im gesellschaftlichen Familiendiskurs und zum Stand der Elternlobby in diesem Lande befragt. Bei all dem spielt Schokolade eine wichtige Rolle. 
Vielen Dank, lieber Christian, für das so amüsante wie anregende Gespräch, mit dem ich allen einen ebensolchen Start in die neue Woche wünsche.
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Foto: M i MA

Christian Hanne. Wer ist das in wenigen Sätzen?

In der professionellen Kommunikationsberatung ist die oberste Regel, nie über sich selbst zu reden, sondern andere über sich reden zu lassen. Das erhöht die Glaubwürdigkeit. Deswegen habe ich meine Kinder gefragt, wer ich bin. Sie sagen, ich sei der allerbeste Papa der Welt. Fairerweise sollte ich sagen, dass vor ihnen eine Tafel Schokolade lag und sie diese nach der Beantwortung meiner Frage essen durften.
Seit 2011 bloggst du als und über deinen Familienbetrieb. Im selben Jahr hast du dich mit einer Kommunikationsberatung selbstständig gemacht. Gibt es einen Zusammenhang?
Das ist rein zufällig. Im Herbst 2011 habe ich das erste Mal öffentlich Urlaubstagebuch geführt. Das war in Griechenland und ich habe abends immer etwas auf Facebook gepostet. 2012 in der Bretagne habe ich das genauso gemacht und 2013 habe ich dann erstmals einen Blog aufgesetzt und über unseren Föhrien-Urlaub geschrieben. Weil die Urlaubstagebücher ganz gut ankamen, habe ich letztes Jahr dann den ‚Familienbetrieb‘ gestartet und blogge seither regelmäßig.
Ich wollte rausfinden, wie meine Texte bei Menschen ankommen, die nicht in einem verwandtschaftlichen oder beruflichen Abhängigkeitsverhältnis zu mir stehen und deren Urteile daher realitätsverzerrend wohlwollend ausfallen. Zum Glück waren die Reaktionen bisher ganz positiv. Und für diese Kommentare musste ich noch nicht einmal Geld bezahlen. Zumindest bis jetzt noch nicht.
Inwiefern ergänzen bzw. befruchten sich deine Erfahrungen und Expertisen aus Familienbetrieb und internationaler Kommunikationsberatung?
Das ist eine sehr gute Frage. Ich denke sowohl in der Familie als auch in internationalen Kommunikationsagenturen gibt es sehr viel Wahnsinn. Und Kollegen – und insbesondere Chefs – benehmen sich ja häufig auch wie kleine Kinder. Außer dass sie sich nur in den seltensten Fällen auf den Boden werfen und heulen, wenn sie nicht ihren Willen bekommen. Dafür kann man ihnen aber auch kein Fernsehverbot erteilen. Das ist manchmal sehr schade.
Wie kriegst du Familie und Selbstständigkeit/Beruf unter einen Hut? Was sind deine ‚Erfolgsfaktoren‘?
Ich bin – zum Glück – nicht alleine selbstständig, sondern gemeinsam mit einer Kollegin und wir teilen uns die Projekte und die Arbeit, so dass wir beide nicht Vollzeit arbeiten müssen.
Und zuhause teilen sich meine Freundin und ich uns die Haus- und Familienarbeit. Wobei sie da etwas mehr macht, weil ich – zumindest gegenwärtig – mehr Stunden Erwerbsarbeit leisten muss als sie.
Außerdem wohnt die Mutter meiner Freundin bei uns um die Ecke und geht regelmäßig mit der Tochter oder dem Sohn zum Sport beziehungsweise Ballett. Das ist auch eine sehr große Hilfe, für die wir sehr dankbar sind. Früher hat sie auch manchmal bei uns geputzt, was uns aber unangenehm war. Seitdem macht sie das nur noch heimlich in homöopathischen Dosen und wir tun so, als merkten wir es nicht. Dafür laden wir sie ab und zu zum Frühstücken ein.
@Herrn Hanne (GF Hanne + Maack): Welche Rolle spielen Elternblogs im öffentlichen Diskurs über Eltern-, Mütter- und Väterrollen?

Oh, erstmal die seriöse Beratermütze aufsetzen.

Das kommt darauf an, was unter öffentlichem Diskurs verstanden wird. In der medialen Öffentlichkeit werden insbesondere Mütterblogs eher belächelt als irrelevante Nabelschau von Mittelklassemüttern, die nicht arbeiten gehen müssen und ihren Tag damit verbringen banale Nichtigkeiten über ihre Kinder zu verbloggen. Meiner Meinung nach wird das aber der Bedeutung von Elternblogs nicht gerecht. Susanne Mierau vom Blog ‚Geborgen Wachsen‘ hat auf der re:publica 2014 darüber gesprochen, dass die Netzgemeinschaft von Eltern den früheren Familien-Clan ersetzt. Die Eltern-Online-Clans werden bei Problemen mit den Kindern um Rat gefragt, es werden Ideen geteilt und es wird sich allgemein über den Alltag mit Kindern ausgetauscht. Und deswegen haben alle Elternblogs ihre Berechtigung.
Wie bewerten Sie den aktuellen Elterndiskurs in den sozialen Medien (mich erinnert er bisweilen mehr an eine Art „Lifestyle-Battle“: Wer lebt die Rolle richtiger/besser?)?
Zunächst einmal finde ich es toll, dass die vielen Mütter-,Väter- und Familienblogs Ausdruck der Vielfalt und unterschiedlicher Lebensstile sind. Zwangsläufig gibt es dann auch verschiedene Vorstellungen über Kindererziehung und es kommt dann immer mal wieder zu den so genannten ‚Mommy Wars‘, beispielsweise über das Familienbett, über das (Langzeit-)Stillen, über die richtige Ernährung und so weiter. Aber seit ich vor ungefähr einem Jahr damit angefangen habe, Elternblogs zu lesen, habe ich auch sehr viel gegenseitige Unterstützung beobachtet – teilweise ideell, manchmal sogar materiell. Da wären wir dann wieder bei dem Online-Clan und das finde ich toll. Eigentlich bräuchte es noch viel mehr bloggende Eltern.
Wie beurteilen Sie die Lobby-Qualität von Eltern? Und wie könnte sie verbessert werden?
Für die ‚traditionelle Familie‘ mit dem Mann als Allein- oder Hauptverdiener scheint das Lobbying ja ganz gut zu funktionieren. Sonst gäbe es das Ehegattensplitting schon längst nicht mehr und die Kinderbetreuung wäre besser organisiert. Das größte Hindernis für ein erfolgreiches Eltern-Lobbying sind die sehr unterschiedlichen Lebenswelten, in denen sich Familien bewegen. So haben Alleinerziehende, die mit existenziellen materiellen Problemen zu kämpfen haben, wenig gemeinsam mit – um mal ganz tief in die Klischeekiste zu greifen – Eltern der gehobenen Mittelklasse, deren größte Sorge die Parkplatzsituation an der Schule ist, wenn sie ihre Kinder mit dem SUV zum Unterricht bringen. 
Pauschal ist es schwierig, eine Empfehlung abzugeben, wie Eltern-Lobbying verbessert werden könnte. Da müsste man sich anschauen, was das konkrete Anliegen ist – beispielsweise bessere Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit für Eltern oder flächendeckende Betreuung von Kindern unter drei Jahren – und dann könnte man sich überlegen, wie es am besten erreicht werden kann.
Foto: M i MA
Welches Vater- und Familienmodell transportiert und favorisiert der Familienbetrieb warum?
Um ehrlich zu sein, favorisiere ich überhaupt kein Vater- oder Familienmodell. Familien sollen so zusammenleben, wie sie wollen und so, dass alle Beteiligten damit glücklich sind. Da maße ich mir nicht an, anderen vorzuschlagen, wie sie ihr Familienleben gestalten sollen.
Meine Freundin und ich wollen beispielsweise beide arbeiten gehen. Dementsprechend müssen wir uns die Haus- und Familienarbeit teilen. Wobei ich auch nichts gegen einen siebenstelligen Lottogewinn und ein Leben als bloggender Privatier einzuwenden hätte. Ansonsten versuchen wir in der Familie nach den Prinzipien Fairness, Transparenz und Gleichberechtigung zusammenzuleben. Wobei die Gleichberechtigung an ihre Grenzen stößt, wenn die Kinder unter der Woche abends Fernsehen schauen und dabei Schokolade essen möchten. Dann kommt doch das Primat der elterlichen Autorität zum Tragen und die Kinder müssen ins Bett. Damit wir in Ruhe Fernsehen schauen und Schokolade essen können.
Welche Unternehmensziele verfolgt der Familienbetrieb bis Ende 2015?
Eine schwarze Null am Ende des Betriebsjahres wäre toll. Oder der Lottogewinn. Beides ist allerdings eher unwahrscheinlich.

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