Wenn jemand die Kunst des liebevollen {Be-}Schreibens beherrscht, dann Okka Rohd {Slomo}. Ganz gleich um welches Thema geht, ihr Blick ist zärtlich. Sie schaut kritisch {im Sinne von genauer Prüfung}, aber sie verurteilt nicht. Einem vorschnellem Urteil, einer vernichteten Kritik oder strikten Bewertung begegnet man ihren Texten kaum, stattdessen aber dem Zweifel, dem {ungläubigen} Staunen, der Freude oder dem Unverständnis. So auch im heutigen Interview, das sich um das Leben mit zwei Kindern, das Glück eine Wohnung zu finden, um Politik und Projekte dreht.
Hab‘ vielen lieben Dank, Okka, für das schöne Gespräch, mit ich allen einen guten Start in die letzte Adventswoche wünsche und mit dem ich die montägliche Interviewreihe in diesem Jahr ausklingen lasse.
Seit über einem Jahr seid ihr zu viert. Was ist anders? Was ist besser?
Anders: Ziemlich alles. Was aber weniger an den zwei Kindern, als an diesem für uns ziemlich aufregenden Jahr lag. Erst wurde letzten Herbst unsere erste Tochter eingeschult, dann kam Hedi auf die Welt, dann sind wir umgezogen, dann habe ich mein zweites Buch fertiggestellt. An manchen Tagen war’s ganz schön viel. An manchen zu viel. Und trotzdem möchte ich nicht eine Sekunde missen, denn wenn ich mir ein glückssattes Leben vorstelle, ist es eigentlich genau wie dieses Jahr: aufregend, liebesvoll, schlaflos, wild, anstrengend, erfüllend und wieder von vorne.
Aber um deine Frage zu beantworten: Anders ist, dass wir unseren Alltag natürlich neu kalibrieren mussten. Vorher haben wir beide frei von zu Hause gearbeitet und unsere große Tochter war in der Kita oder Schule. Jetzt ist da noch ein kleines Mädchen, und nach Ende meiner Elternzeit müssen wir uns unsere Zeit nun ziemlich pingelig aufteilen, damit wir halbwegs etwas weggearbeitet bekommen – einen Kitaplatz für Hedi haben wir nämlich erst im nächsten Jahr. Also arbeiten wir jetzt abwechselnd und häufig nachts, was seine Vor- und Nachteile hat. Zu sagen, was nun besser ist, fällt mir schwer – weil vorher ja auch schon so vieles schön war. Irgendwie fühlt sich jetzt alles sehr richtig an, auch wenn unsere Tage gerade oft chaotisch sind und ich manchmal im Stehen einschlafen könnte.
Da ist noch mehr Liebe, auch wenn ich nicht dachte, dass das möglich ist. Diese ganzen kleinen Momente, die oft so riesengroß sind.
Wie ist es euch gelungen, in der wohnungsknappen Stadt Berlin eine familientaugliche Wohnung zu finden? Musstet ihr Kompromisse eingehen?
Im Grunde war unser Umzug ein Umzug light. Wir sind von der einen Haushälfte in die andere gezogen – nachdem wir der Hausverwaltung schon vor Ewigkeiten (also tatsächlich: vor Jahren) gesagt hatten, dass wir gerne in eine größere Wohnung umziehen würde. Wir haben immer wieder nachgefragt. Irgendwann hatten wir Glück. Kompromisse mussten wir also keine eingehen, dieser Umzug war für uns ein großer Glücksfall – auch weil die Kinder in ihrer Kita und Schule bleiben können und sogar die tollen Nachbarn die gleichen sind.
Gerade ist dein zweites Buch erschienen – ein Kochbuch. Wie kam es dazu?
Ich hatte das Glück, dass sich der Kailash-Verlag bei mir gemeldet hat und gerne mit mir zusammenarbeiten wollte. Irgendwann hatte ich die Idee, mir von wunderbaren Köchen das Kochen beibringen zu lassen. Einfach weil ich so gerne koche, aber nicht die geringste Ahnung hatte, was ich da eigentlich tue. Der Verlag mochte diese verrückte Idee, und dann sagten mir tatsächlich immer mehr Köchinnen und Köche zu, die ich gefragt habe, mir etwas beizubringen.
Wie man einen richtig guten Käsekuchen backt, zum Beispiel. Oder: Wie ein Österreicher Schnitzel macht. Am Ende habe ich all diese Begegnungen aufgeschrieben und die Fotografin Simone Hawlisch hat dann Bilder von diesen tollen Menschen und den Gerichten gemacht, die sie mir beigebracht haben – Bilder, die es magischerweise hinbekommen, genau das Gefühl einzufangen, das ich bei diesen Begegnungen hatte. Und jetzt ist »Herdwärme« tatsächlich endlich fertig. Ich kann´s immer noch nicht glauben.
Welche neuen Schreib-Projekte stehen jetzt an?
Darüber habe ich mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken gemacht. Nach Ende meiner Elternzeit fange ich jetzt erstmal wieder mit dem Journalismus an, worauf ich mich wirklich freue – und schreibe weiter auf meinem Blog, der in den letzten Monaten ein wenig zu kurz gekommen ist.
Dein Mann ist auch im Schreibgewerbe tätig. Wie regelt ihr das Eltern- und Berufstätigsein so, dass es für beide Seiten stimmt?
Mal besser und mal schlechter. Seit ich wieder arbeite, haben wir uns die Woche aufgeteilt. Auf dem Papier sieht das super strukturiert aus – aber selbstverständlich haut das im Alltag nicht einen einzigen Tag so hin, wie wir uns das ausgedacht haben. Weil er plötzlich eine Geschichte reinbekommt, die schnell geschrieben werden muss. Weil ich kurzfristig ein Interview machen muss oder irgendeine Geschichte noch hakt. Weil ein Kind krank ist und zum Arzt muss. Weil jemand von uns die Grippe kriegt. Und immer so weiter.
Manchmal sind wir beide total genervt und muffen uns eine Runde an, aber dann ist es das zum Glück auch wieder. Uns ist beiden wichtig, dass das Grundsätzliche stimmt – dass wir uns aufeinander verlassen können, dass wir das Gefühl haben, fair miteinander zu sein und versuchen, den anderen so weit es nur geht zu unterstützen. Und dieses Gefühl habe ich immer.
Die Welt befindet sich – auch wenn vieles »nochmal gut gegangen« und anderes Gewohnheit geworden ist – im Umbruch. Wie geht es dir damit {gerade auch als Mutter von zwei Kindern}? Was nimmt dir die Angst und gibt dir Zuversicht?
Da fragst du was. Die Welt ist an vielen Tagen ein so dunkler Ort – manchmal mag ich gar nicht mehr die Nachrichten einschalten. Viel zu oft kriege ich das einfach nicht zusammen: All die Dinge, die jeden Tag passieren. Und unsere kleine Welt hier zu Hause mit unseren beiden Mädchen, die von all dem noch so gar nichts wissen. Das macht mir immer wieder eine Riesenangst. Und manchmal kriege ich sie auch nicht kleiner gefühlt. Zuversicht geben mir all die guten Menschen und guten Dinge – denn davon gibt es ja auch sehr viele. Wie hat Steffi das neulich auf Instagram so gut gesagt, als Alexa gefragt hatte, was sie ihrer kleinen Tochter über diese Welt einmal erzählen soll?
»Dann sagst du ihr, dass es mehr gute als schlechte Menschen auf der Welt gibt. Und das immer so sein wird.«
In deinen »16 Fragen an 2016« fragst du, ob man politischer geworden sei. Oder der Politik überdrüssig. Oder ob das kein Widerspruch sei. Wie lauten deine Antworten darauf?
Ich bin tatsächlich politischer geworden – und der Politik sehr überdrüssig. Ich lese viel mehr Nachrichten als früher, auch viel über die amerikanische Politik. Und je mehr ich lese, desto größer wird gerade das Kopfschütteln. Ich lese trotzdem weiter. Und spreche viel über die Dinge, die ich da lese und die Fragen, die ich habe. Wie geht es denn dir damit? Und euch?
Wie war 2017 für dich und was wünschst du dir für 2018?
Irgendwie fällt es mir schwer zu glauben, dass in einer Woche Weihnachten ist – und das Jahr schon wieder fast vorbei. Dieses Jahr ist gefühlt in drei Sekunden vergangen. Wenn ich mir etwas für 2018 wünschen dürfte, dann vielleicht ein wenig mehr Zeit zum Durchatmen (und manchmal auch: Anhalten). Sonst bin ich wunschlos gerade. 2017 lässt mich sehr reich und dankbar zurück.
Bilder: Okka Rohd