Inka Cee ist viel und weit gereist, hat viel gesehen und erlebt. Sie war in Afrika und der Antarktis, in Asien und Amerika. Doch wer reisen will, sagt sie, muss nicht weit fort.
Sobald wir uns öffnen für das Neue und Unbekannte, wenn wir bereit sind, uns zu verändern und verändern zu lassen, begeben wir uns auf eine Reise. Sie selbst ist von jeder Reise verändert zurückkehrt, egal ob sie auf einem Gletscher oder an den vorpommerschen Darß führte. Auf blickgewinkelt erzählt sie von ihren Reisen, im heutigen Montagsinterview spricht sie über das Reisen.
Vielen Dank, liebe Inka, für das anregende Gespräch, mit dem ich allen einen inspirierten Start in die KW 42 wünsche.
»Die Intention macht den Unterschied zwischen Reisen und Urlauben. Wenn ich mich öffne für das Neue, begebe ich mich auf eine Reise.«
Inka Cee – geboren in Wolfsburg, wohnhaft in Berlin, gärtnernd in Brandenburg. Welche Rolle spielen diese Orte in deinem Leben?
Sehr unterschiedliche. Ich habe mich häufig wieder neu erfunden, und doch gehören diese verschiedenen Welten natürlich alle zu mir. Zu Wolfsburg habe ich ein seltsames Verhältnis, ich bin dort geboren und aufgewachsen, habe mich dort das erste Mal verknallt und politisch erfunden, das erste Frauencafé Niedersachsens gegründet und meine ersten Demos mitgemacht. Aber ich habe dort auch meine Mutter beerdigt und mit Teenagerdepressionen gekämpft. Dass mein Vater das Haus irgendwann verkauft hat und weggezogen ist, ist einerseits tragisch und andererseits sehr befreiend.
In Berlin durfte ich ein ganz neues Leben starten, das war damals sehr wichtig für mich und meine Suche nach Ausgeglichenheit. Dann kam die übliche Studienzeit, wechselnde Partner, Nächte durchtanzen in der anonymen Großstadt – ich fand diese wilde Zeit sehr großartig.
Brandenburg habe ich entdeckt, als ich aufgrund von Rückenschmerzen anfing, viel zu laufen, was mir extrem gut tat. Zu der Zeit habe ich erst gemerkt, wie sehr Naturkind ich bin. Erst einige Jahre später habe ich dann den Mann kennengelernt, der einen Kirschkernspuck von Berlin weg in Brandenburg lebt und dann mit Bloggen angefangen, was mein Leben wieder sehr verändert und meine Zuneigung zu Brandenburg, zum gärtnern und überhaupt ländlichen Gegenden sehr vertieft hat. Also nicht, dass der Mann ländlich leben würde, aber wir träumen beide von einem alten Bauernhof, den wir irgendwann kaufen und ausbauen.
Wie und wo und warum lebst du in Berlin?
Dass ich nach meinem Abitur nach Berlin ziehen würde, war früh klar: Meine besten Freundinnen lebten dort, so hatte ich auch meinen damaligen Berliner Freund kennen gelernt, und mein Großvater stammte aus Berlin, dessen Berliner Schnauze ich immer heiß und innig geliebt habe. Und schließlich freute ich mich sehr auf die Anonymität und das Großstadtleben, und das war ja auch eine self fullfilling prophecy.
In Berlin halte ich meine kleine 2-Zimmer-Wohnung, obwohl ich meistens im Haus des Mannes bin. In diese Wohnung habe ich mich vor 10 Jahren sofort völlig verknallt, als ich sie betrat, und ich bin noch nicht bereit, sie komplett aufzugeben und ganz mit dem Mann zusammenzuziehen, zudem brauche ich ab und an mal meine Ruhe.
Der Mann hat Kinder, regelmäßig geht es bei uns etwas trubelig zu, und natürlich braucht es da auch Kompromisse. Ich hoffe, ich bin ein sehr kompromissbereiter Mensch, neige aber schon sehr zum Einsiedeln und war früher immer gewöhnt, mir meinen Alltag auch trotz Partner kompromisslos einzurichten. Da ist das natürlich eine große Umstellung, auch nach fast sechs Jahren.
Woher rührt deine Lust am Reisen?
Das wurde ich schon einige Male gefragt und ich habe keine wirklich schlüssige Antwort darauf. Ich vermute, es ist die Mischung aus Neugier, Entspannung, Herausforderung und Relativierung: Ich liebe es, neue Dinge zu entdecken, und ich liebe die Fotografie, insbesondere in der Natur. Da liegt das Reisen nahe, ob nun in Brandenburg oder in Südamerika.
Dann gibt es auch Dinge oder Plätze, die sich einfach gut für mich anfühlen, zu denen ich immer wieder zurückkehren möchte. Das ist das ewige Eis, weshalb es mich immer wieder in polare Regionen treibt. Das ist das real gewordene Kirschblütental auf dem Darß an der Ostsee, wo ich jedes Jahr hinfahre. Das ist Afrika südlich der Sahara, dessen Mentalität mir in vielerlei Hinsicht gefällt.
Und dann reise ich wegen der Herausforderung, mich mit neuen, anstrengenden und auch unangenehmen Dingen auseinanderzusetzen. Im Grunde finde ich mich viel zu faul und fordere mich damit selber, meine Sinne neu zu entdecken und in meinem Kopf Dinge mal wieder umdenken zu müssen. Außerdem finde ich draußen in der Welt so viele Dinge, die mir zeigen, dass ich noch kleiner bin als der kleinste Furz, global betrachtet. Und das macht mich glücklich. Die eigene Person zu relativieren, zu wissen, dass ich so unwichtig im Großen und Ganzen bin, finde ich tatsächlich sehr tröstlich, das macht mich glücklich und angstfrei.
Oh, und Spaß natürlich, nicht zu vergessen. An fremden Orten fließt die Kreativität manchmal besser, und damit auch der Humor. Der Mann und ich stellen zum Beispiel gerne an Reiseorten berühmte Filmszenen nach… total albern, ich weiß. Wer weiß, welche Szene das hier auf dem Foto ist?
Welche Reisen haben dich – wie – verändert?
Tanzania, eine meiner ersten Fernreisen, hat mich verändert. Ich hatte damals wahnsinnig wenig Geld, konnte während des Studiums – ich habe unter anderem Afrikawissenschaften studiert – häufig die Miete nicht bezahlen und diese Reise konnte ich mir nur mit der Finanzierung durch meinen Vater leisten. Und dann waren da diese Kinder mit den aufgeblähten Bäuchen, die weinten, weil sie noch nie einen weißen Menschen gesehen hatten.
Ich habe meinen ersten Elefanten in der Wildnis getroffen, hatte das erste Mal Angst vor korrupten Polizisten, bin nachts durch die Straßen des geheimnisvollen Stown Towns auf Sansibar gelaufen und habe mir am Lagerfeuer Geschichten eines Rastas angehört. Da habe ich gewusst: Ich will noch so viel mehr erleben. Damals hätte ich das südliche Afrika gerne mehr kennen gelernt, leider fehlten mir die finanziellen Mittel. Einfach mal so durch die Weltgeschichte tingeln, wie viele Leute das heute machen, war einfach nicht drin.
Meine erste Fernwanderung hat mich verändert, es war der so unspektakulär klingende Rheinsteig. Damals ein Riesending für mich, und es fühlte sich unfassbar großartig an. Diese Erkenntnis hat viel bewegt. Seit damals weiß ich, was Selbstbewusstsein für mich bedeutet und dass in mir Glücksgefühle explodieren, sobald ich mich auf eine Wanderung begebe.
»Die Antarktis hat mich wahnsinnig ehrfürchtig gemacht: Ich darf hier am Ende der Welt sein und dieses Wunder sehen.«
Die erste Reise nach Grönland hat mich verändert, beim Anblick der riesigen Gletscher war es Liebe auf den ersten Blick. Und dann die Antarktis! Sie hat mich wahnsinnig ehrfürchtig gemacht: Ich darf hier am Ende der Welt sein und dieses Wunder sehen.
Kasachstan hat mich verändert: So viel Hoffnungslosigkeit, so viel Brutalität live zu sehen war ein Schock, oder vielmehr war der Schock, gar nicht damit umgehen zu können. Zudem hatte ich das erste Mal in meinem Leben die sehr reale Angst, im nächsten Moment vergewaltigt zu werden. Nie ist mir mehr bewusst geworden, dass ich jetzt mit meiner Beziehung auch Verantwortung trage und mich nicht mehr leichtfertig in jedes Abenteuer stürzen darf. Ich reise seitdem vorsichtiger.
Gut, ich merke, ich mache hier gerade endlos weiter. Im Grunde verändert mich wohl jede Reise, wenn sie etwas verändert hat in meinem Innern.
Was macht {für dich} den Unterschied zwischen „Urlaub im Ausland“ und {Fern}Reisen?
Die Intention macht den Unterschied, und damit auch die Wahrnehmung. Deshalb muss für mich eine Reise gar nicht unbedingt außerhalb meines Alltagsumfeldes stattfinden. Sobald ich mich aufmache, etwas Neues auf meinem Weg zu entdecken, begebe ich mich auf eine Reise. So entstand auch der Name „blickgewinkelt“, auch wenn das etwas kryptisch gedacht ist.
Der Begriff „Reise“ bedeutete ja ursprünglich „sich auf den Weg machen“, der „Aufbruch“. Wenn ich reise, bewege ich mich, ob nun körperlich oder geistig. Wenn ich Urlaub mache, möchte ich eine Pause von etwas, meist vom Alltag, und bewege mich eher wenig. Aber das sieht eventuell jede/r anders.
Mit den Kindern machen wir Urlaub, weil die Mehrzahl eher für „Lange-Schlafen und Nixtun“ ist – was nicht so ganz nach meinem Geschmack ist. Da ist ein perfekter Kompromiss übrigens eine Floß- bzw. Hausbootfahrt durch Brandenburg – einer meiner schönsten Urlaube bisher, was wir unbedingt wiederholen wollen.
Übernächstes Jahr möchte ich mit meinem 23jährigen Sohn eine ca. 10tätige Fernreise machen. Welche Reise würdest du mir warum empfehlen?
Puh, da muss ich schwer nachdenken. Ich mache jetzt mal ein Ausschlussverfahren: Zuerst einmal würde ich Nord- und Südamerika streichen, das finde ich für 10 Tage viel zu weit. Ohnehin sind 10 Tage etwas kurz, um sich einer sehr fremden Kultur anzunehmen, sonst hätte ich Äthiopien vorgeschlagen, was irre interessant ist. Ich persönlich hätte da aber lieber mehr Zeit, um mich darauf einzulassen.
Was Afrika angeht, wäre Südafrika noch eine Möglichkeit, das ist zwar weit, aber fast die gleiche Zeitzone, man fliegt über Nacht und Südafrika ist „Africa for Beginners“, wie wir im Studium immer etwas verächtlich gesagt haben, weil es sehr viel weiße, koloniale Strukturen hat, die uns nicht fremd sind. Das soll jetzt aber nicht so negativ klingen, ich fand Südafrika ganz toll. Auch Marokko wäre sicher sehr spannend.
Aber! Es soll ja vermutlich eine ganz besondere Reise sein, und da würde ich weniger eine Reise machen, bei der das Programm von A bis Z durchgeplant ist und wenig Zeit für die spannenden Entdeckungen am Wegesrand bleibt, denn die machen ja eine besondere Reise aus. Wie wäre es deshalb zum Beispiel mit einem Roadtrip zum Nordkap? Das muss unwahrscheinlich toll sein. Oder mit dem Zug durch Österreich, Slowenien, Kroatien bis nach Montenegro, das stelle ich mir unheimlich toll vor. Und zwischendurch mal Aussteigen und Leute kennen lernen. Von Mitreisenden im Zug Tipps holen.
Ansonsten: Immer wieder Griechenland. So riesig, so abwechslungsreich, die gastfreundlichsten Menschen, die ich je erlebt habe, viele tolle Gespräche, trotz der Sprachhürden. Die Akropolis, Geschichte hautnah spüren, im Dionysos-Theater sitzen, wo vermutlich Demokrit mal gesessen hat! Die tolle Landschaft, die Berge auf den Peloponnes, kleine Klöster, die in hunderten Metern Höhe an eine Felswand gequetscht sind, Olivenhaine, das Meer. Ich glaube, es kann gar keinen Menschen geben, der Griechenland nicht lieben kann.
Liebe Indre,
erst Kea und jetzt Inka, lauter Lieblingsfrauen hier! Ich freue mich, wieder einen neuen Einblick gewonnen zu haben und schicke dir und euch herzliche Grüße!
Theresa
Dankeschön liebe Resa! 🙂
Wie schön. Ich lese Inkas Blog sehr gern. Trotzdem habe ich noch einiges Neue erfahren. Vielen Dank euch beiden!!
Annett, das meinte sogar auch der Mann, dass er noch einiges Neues erfahren hat – was mich irgendwie gefreut hat. 🙂
Danke Dir für das Kompliment!
LG /inka
Ein wunderbares Interview. Mal wieder!
Mich hat es auch sehr gefreut. Danke Dir, Annton, und Dir natürlich Indre, für diesen schönen kleinen Platz auf Deinem Blog, den ich wirklich sehr schätze.
LG /inka