Neben mir stapeln sich Bücher über und Dokumente aus Schöneberg. Stadterneuerung 1974, Sanierungsgebiet Schöneberg-Bülowstraße 1976, 1980, 1984 … ich habe den Seitenflügel endlich gefunden, in dem einst die Künstler/innen gewohnt haben müssen. Es gab ihn also wirklich (siehe rote Markierung). Und auch die wahre Geschichte hinter dem Mythos vom brennenden Künstlerhaus schält sich nach und nach heraus. Ich grabe weiter. Das Graben ist – wie die Entwicklung der Berlins – eine Achterbahn.
Seit ihrem vergleichsweise kurzen Bestehen [als Groß- und Hauptstadt existiert Berlin erst seit 1701] durchlebt die Stadt einen ständigen Wechsel zwischen Boom und Schrumpfung, angesagt und abgemeldet. Und so hat die Aussage des Kunstkritikers und Publizisten Karl Schefflers aus dem Jahr 1910 bis heute nichts an ihrer Aktualität eingebüßt:
Ich folge diesem Werden durch die Fenster der Bülowstraße 90 und schwanke dabei zwischen Staunen, Erleichterung, Optimismus und Sorge. Dass die Vision der ‚autogerechten Stadt‚ beispielsweise nicht Wirklichkeit wurde, erleichtert mich sehr. Die aktuellen Entwicklungen am Immobilienmarkt hingegen weisen manch beunruhigende Parallele zu vergangenen Zeiten auf. So etwa zu Westberlin in den 1970er Jahren. Damals wie heute trieben Spekulationen die Mieten in die Höhe und die Mieter/innen aus ihren Häusern. Der Spiegel berichtet 1973 über die dubiosen Geschäfte mit dem Betongold; die ARD fragt 2014 Wem gehört die Stadt?. Damals formierte sich Widerstand: Ende der 1970er besetzten junge Leute die leerstehenden Häuser, was zu einem Umdenken in der Stadtentwicklungspolitik führte. Heute gibt es keine leerstehenden Häuser, aber auch manche Gegenbewegung. Ob sie etwas bewirkt und wohin sie führt, lässt sich noch nicht absehen.
- GESEHEN: Abschied – Die letzten Tage des Hotel Bogota
- GEHÖRT: Can
- GESESSEN: in der ‚Mutter‚
- GESTANDEN: auf der ‚Goldelse‚
- GESTAUNT: über die Aktualität Karl Schefflers Berlin-Polemik aus dem Jahr 1910
- GEFUNDEN: den verschollenen Seitenflügel der Bülow 90
- GETAN: mit zwei weiteren ehemaligen Bewohnern der Bülow 90 gesprochen
- GEFREUT: dass die Vision der „autogerechten Stadt‚ nicht Wirklichkeit [sonst würde heute alles so aussehen, wie das Bild unten]
- GEWÜNSCHT: dass der Sommer noch ein Weilchen bleibt
- GESUCHT: bei Fashion ID nach Herbstjacken [man muss sich warm anziehen]
- GEKLICKT: Berlin-Schöneberg [rbb-Reportage]
Diese Stadt ist, wie du schon gesagt hast, ständig im Wandel. Eine Seite ihres Charmes. Es ist nicht nur in Schöneberg so. Gut ist das es immer wieder zum umdenken kommt. Wie unsere Stadt wohl aussehen würde, wenn nicht?!
Die Spekulationen heute machen mir schon Sorgen, unsere Kinder finden keinen günstigen Wohnraum mehr, es sei denn sie gehen an den Stadtrand. Aber da will keiner hin…
Liebe Grüße
Andrea