Die vergangene Woche war – vom Standpunkt der Arbeit her betrachtet – kurz, aus Freizeitperspektive lang, mit nur vier Werk- und drei Feiertagen. Eigentlich recht angenehm. So könnte es einmal aussehen, das „neue Normalarbeitsverhältnis„: 32-Stunden- bzw. Viertagewoche.
Derzeit wird sie als staatlich gefördertes Arbeitsmodell für Eltern verhandelt. Perspektivisch könnte es für alle Beschäftigten gelten – nicht immer, aber immer wieder. Je nachdem was im Leben (neben seinem Unterhalt) gerade ansteht: Kindererziehung und/oder Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger, Aus- oder Weiterbildung, Sabbatical bzw. Bildungsreise. Das Zauberwort zur Reformierung des veralteten Normalarbeitsmodells (das sich am Prototyp des männlichen Alleinverdieners ausrichtet) lautet „Lebensphasenorientierung„. Sie soll die Quadratur des Kreises ermöglichen: zeitliche Flexibilität einerseits und materielle Sicherheit andererseits – und zwar für beide Seiten, Arbeitnehmer/innen ebenso wie Arbeitgeber/innen.
Jutta Allmendinger (Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin) ist sich sicher: Nicht nur die Beschäftigten, auch die Wirtschaft würde von von der 32-Stunden-Woche profitieren, da es zu einer produktiven Umverteilung von Arbeit führe: „Frauen würden mehr Stunden arbeiten, die Männer weniger. … Wir würden endlich die sehr gute Bildung und Ausbildung von Frauen nutzen und gleichzeitig den Pool von Kandidatinnen für Führungspositionen vergrößern. Auch die Produktivität von Männern würde zunehmen.“ Quelle
Bis sich die 32-Stunden-Woche als „neues Vollzeit“ und Normalarbeitsverhältnis durchgesetzt hat, wird aber wohl noch Zeit ins Land ziehen. Denn dieser „Change“ erfordert mehr als nur ein „Umparken im Kopf“. Es bedarf – um im Bilde zu bleiben – ganz neuer Automobile und noch unbekannter Mobilitätskonzepte in einer durch und durch digitalisierten (Arbeits-)Welt. Wie genau die aussehen wird, weiß ich nicht. Aber grobe Umrisse lassen sich bereits erkennen: Starre Arbeitszeiten, Anwesenheitspflicht und fixe Arbeitsorte werden in vielen, vor allem kreativ- und wissensbasierten Berufsfeldern ausgedient haben.
Die Festanstellung im (neuen) Vollzeit wird zwar weiterhin normal sein, aber noch weniger als heute dominieren (nur 22,726 Mio. von 42,494 Mio. Erwerbstätigen sind in Vollzeit angestellt). Das Prekariat wird über eine „SoloSozialkasse“ Zugang zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung haben – und damit weniger prekär leben. Man wird sich von der Mär, dass Führung auf Distanz oder in Teilzeit nicht möglich sei, ebenso verabschiedet haben wie von dem Irrglauben, dass sich Kind und Karriere nicht vereinbaren ließen. Nicht zuletzt da Erziehung und Betreuung als karriererelevante Kompetenzen anerkannt und Betreuungs- und Arbeitsinfrastruktur miteinander verzahnt sein werden. Die Grenze zwischen Arbeit und Leben aka Freizeit wird weitgehend aufgehoben sein, womit das Thema Vereinbarkeit in den Hintergrund und Fragen der Selbstorganisation in den Vordergrund rücken
Das ist nur eine recht optimistische Grobskizze, die viele Fragen offen lässt. Und natürlich könnte auch alles ganz sein: viel besser oder viel schlechter oder noch mal ganz anders. Was meint ihr: Wie sieht die Arbeitswelt der Zukunft aus und wie sollte sie aussehen?
Was ich neben der Arbeit und dem Nachdenken über sie noch so gemacht habe, steht hier:
- GESEHEN: B-Movie
- GEHÖRT: Garten
- GELESEN: Deutsche Eiche
- GEWESEN: im Kino International
- GEMACHT: Wein getrunken im Wein-Salon
- GEMOCHT: das Fotoprojekt von Paul Mayer über anarchische Zweckbauten
- GEPLANT: einen Besuch im FEZ
- GEFRAGT: Was bleibt vom Menschen, wenn’s so weitergeht?
- GEHOFFT: dass die „Revolution“ der Modeindustrie anhält und Wellen schlägt
- GEFREUT: dass sich unser Innenhof zum Treffpunkt und Spielraum für die Kinder entwickelt
- GESUCHT: eine Spielzeugkiste
- GEFUNDEN: ein Video zur Zukunft der Arbeit
- GEFALLEN: der Karneval der Kulturen mit diesem Charme des „Einfach-mal-mitmachen“
- GEWÜNSCHT: ein paar Tage auf dem Land
- GEKAUFT: eine weiße Bluse
- GEKLICKT: Margarete Margarete
Wenn man bedenkt: Als ich dermaleinst zur Schule ging, hieß es, dass Maschinen uns die Arbeit abnehmen würden. So müsse also jeder und jede weniger arbeiten in seinem Leben, dabei aber nicht weniger verdienen. Und wie sieht es inzwischen wirklich aus? Wer Arbeit hat, schafft Überstunden, andere sind arbeitslos. Schön wäre es, könnte man seine Arbeitszeit an seine Bedürfnisse anpassen. Aber das scheint nur in wenigen Fällen möglich zu sein.
Grüßle
Ursel
nachtrag: b-movie steht bei mir mir ganz oben auf der muss-ich-sehen-liste.
Oh, der wird dir gefallen. Witzig, unterhaltsam, informativ, schräg. Gute Mischung!
super interessantes thema. habe nach 15 jahren meine unbefristete stelle an den nagel gehängt – was interessanterweise von den geschätzte gelegen mit hochachtung und respekt betrachtet wurde…der satz "wäre ich jünger, würde ich das auch tun…." fiel erstaunlich oft…gedanken um sicherheit, vorsorge und versorgung der familie kreisen auch in meinem kopf, aber nachdem die gesundheit gelitten hat (und das ist kein jammern), der freundeskreis quasi aufgeraucht ist, kam die erkenntnis, das es so mit vollzeit 40h – 60h die woche (je nach projekt/auftrag) nicht weitergehen kann…insbesondere nicht mit meinen kindern.
ich finde das modell der eigenorganisation sehr interessant, an krankheitstagen meiner kinder hat das homeoffice erstaunlich gut funktioniert, um so mehr ärgert es mich, wenn starr am erscheinen des arbeitsplatzes ab morgens festgehalten wird bis zum ende der regulären arbeitszeit, aber auf der anderen seite kein hahn danach kräht, wenn ruhezeiten mehrfach nicht eingehalten werden oder man drei wochen durcharbeitet….sieht man mal von den ewigen nörglern und jammerern ab, so denke ich schon, daß viele absolut produktiv und motiviert sind und sich einbringen wollen – wenn man sie lässt und die gewünschten / benötigten freiheiten einräumt. davon abgesehen – nur weil jemand offiziell 60h gearbeitet hat, heisst es noch längst nicht für mich, daß es produktiv und effizient ist….was ich schon an sinnloser arbeitsstruktur und kommunikation erlebt habe, was die eigentliche arbeit unnötig in die länge zieht / zog…und was den streik angeht: ich bin schon der meinung, daß in manchen branchen garnicht genug leute auf die strasse gehen können, da sie in ihrer arbeit in der verantwortung, die sie haben, schlichtweg unterbezahlt sind…als fazit also: ein hoch auf 32h/woche, etwas mehr vertrauen in die stärken seiner arbeitnehmer und eine gerechtere umverteilung der arbeit. ach so: und gern auch einfach die stärke, unkompetente, bremsende und nicht lernfähige / änderungsunwillige (war so und muss so bleiben…..) leute vor die tür zu setzen. da öffne ich sogar freiwillig die tür.
du siehst..ich könnte hier und ich schweife ab….aber ich denke, unserer gesellschaft täte ein gravierendes umdenken in dieser hinsicht sehr sehr sehr gut.
hab ein gutes wochenende!
Oh, schweife gerne weiter aus. Sehr spannende Punkte, die du da ansprichst. Darf ich fragen, in welcher Branche du gearbeitet hast? LG I
ich bin/war (noch bis ende juni) producerin in einer filmproduktion, speziell automobil. spannend, toll, herausfordernd, viele menschen, viel kommunikation – aber die letzten 2 jahre absolut minimiertes privatleben mit einigen höhen und tiefen. also: arbeit an sich toll, aber die sache mit den kompromissen hat nicht so funktioniert. aber wie wir alle wissen, spielen da viele faktoren rein (z.b. auch der kunde, der sich an timings & deadlines nicht hält…). lieben gruss! (ps: ab nächste woche sortiere ich mich und der weg geht ja eh immer weiter …. ich freue mich auf das, was kommt…).
Die Krux an der Sache ist, alle wollen weniger arbeiten, mehr Freizeit (klar, wer will das nicht), aber dennoch das Gehalt einer 60h/Woche eines Bankers (soll nicht heissen, dass ich mit deren Löhnen einig bin), sowie eine sichere Rente etc. pp. Das funktioniert leider nicht! Wieso geht es der Schweiz so gut? Weil die meisten mindestens eine 42,5 Stunde Woche haben und nur 20 Tage Urlaub! Finde das auch nicht richtig, schwieriges Thema… Was mich an Deutschland nervt ist die Streikerei und die Jammerei, weniger Arbeit, mehr Gehalt, dass das nicht geht liegt auf der Hand, viele checken das aber nicht! Es gibt nämlich auch noch die, die auch wenig verdienen und durch keine Gewerkschaft vertreten sind, an die denkt keiner, die gehen einfach arbeiten!!
Funktioniert das wirklich alles viel besser in der Schweiz? Ich kenne die Arbeitsmarktsituation und -politk dort nur sehe schemenhaft. Für Frauen mit Kindern aber scheint´s mir da auch nicht gerade optimal…
Ich sage nicht, dass es da besser funktioniert und das ich mit der Situation dort 100%ig einig bin. Was ich sagen will ist, dass es mich nervt, dass in D alle Jammern und auch diese "Streikkultur" nervt mich zunehmend! Es gibt unendlich viele Jobs mehr in D die deutlich unterbezahlt sind (Architekten, Designer etc.) und die haben null Lobby, null Unterstützer, keine Gewerkschaften… Hat man die jemals Jammern hören? Soll jetzt auch nicht heissen, dass ich das korrekt finde, ganz und gar nicht, ich arbeite selbst in der Branche! Aber wir Arbeiten halt und versuchen das Beste aus unserer Situation zu machen und kommen so oft auch auf eigene Lösungen, die uns unserem persönlichen Optimum näher bringen, weil wir gar keine andere Wahl haben, weil wie gesagt niemand für uns gerade steht bzw. daran interessiert ist an unserer Situation was zu ändern. Und die, die eh schon nur 35h/Woche arbeiten und 30 Tage Urlaub haben und nicht sooo schlecht bezahlt sind, die wollen noch mehr, weniger Arbeiten, mehr Kohle… Sorry, dass das nicht funktioniert liegt auf der Hand! Ok, vielleicht wiederhole ich mich gerade und vielleicht ist das auch ein bisschen am Thema vorbei, aber es geht auch um ständiges Verlangen und Motzen und das hängt mir zu den Ohren raus!!
Wie versucht "ihr" aus der Situation das Beste zu machen? Die Arbeitsministerin sagte auf der Auftaktveranstaltung zu "Arbeiten 4.0" am 22. April, dass empören allein nicht reiche, sondern man sich organisieren müsse. Ich fand den Gedanken sehr bedenkenswert, trotzdem oder gerade weil er an die alte Arbeiterbewegung anknüpft. Was denkst du dazu?
In der Zeit gibt es übrigens gerade einen interessanten Artikel dazu (mit Blick auf die sog. Generation Y): http://www.zeit.de/karriere/2015-05/generation-y-mythos-leiharbeit-befristetung-unbezahlt-praktika?utm_content=buffer5c40e&utm_medium=social&utm_source=twitter.com&utm_campaign=buffer
Ich habe den Artikel gelesen und ich habe mich in der ein oder anderen Situation wieder gefunden! Auch mir hat man beschissene Gehälter angeboten, 2`300 EUR brutto/40h+ Woche etc. Nach Master Studium an einer der besten Unis der Welt was mein Gebiet angeht, mit 1.5 Jahren Berufserfahrung und so weiter und sofort… Kenne ich alles! Aber ganz ehrlich, dann zeige ich denen den Vogel und suche weiter! Und vielleicht muss ich mein Umfeld dann mal verlassen, auf jeden Fall findet sich immer was besseres… Und mittlerweile sehe ich mich mehr und mehr auf der anderen Seite, dass es uns gar nicht so schlecht geht, auch wenn ich alles anderes als ein Vermögen verdiene, ich kann noch immer keine grossen Sprünge machen, aber wir haben dennoch viele Freiheiten und Möglichkeiten. Und wenn mir das angestellt sein stinkt bzw. ich nur ausgenutzt werde, dann muss ich einfach mein eigenes Ding machen, mich unabhängig machen von Staat und Vorgesetzten, vielleicht ein Kollektiv mit anderen gründen, meine Fühler ausstrecken und mein Feld in gewisser Weise erweitern und die Sicherheit mal hinten anstellen und was riskieren. Wir befinden uns auch gerade in so einer Umbruchphase, die ist hart und da muss man durch, man kann es einfach nie von Anfang an perfekt haben… Nach und nach die Rädchen drehen und fein justieren und optimieren. Man kann nicht erwarten, dass man von der Uni kommt und einem alles zu fliegt, super Job, super Gehalt, Kita Platz, super Rente… Man muss halt schon auch was dafür tun! Diese Erwartungshaltung vieler finde ich anstrengend, dass einem alles zufliegt und man nichts dafür tun muss… Ich musste mich auch dran gewöhnen in letzter Zeit, dass es halt in langsamen Schritten geht, dass man nicht von heute auf morgen den grossen Wurf macht, zumindest nicht wenn man sich dauerhaft am Markt behaupten möchte… Ich hätte auch lieber ein cooles Büro und FvF Apartment in der Stadt anstatt hier auf dem super öden Land zu verweilen, aber das ist finanziell gerade einfach nicht drin, da muss man halt durch, es kommt schon und das Gefühl sich was hart zu erarbeiten ist ein unbeschreiblich gutes! Oh man ich könnte ich echt auslassen bei dem Thema! : )
Tine, da bin ich absolut bei dir: Es gibt unter einigen Menschen eine ziemlich seltsame Anspruchshaltung. Verwöhnt würde ich vorsichtig formuliert sagen. Borniert und egozentrisch weniger vorsichtig formuliert. Es würde helfen, Gegenwind nicht nur als "persönlichen Affront" zu betrachten, sondern auch als Chance. … Da könnte ich mich jetzt auch auslassen. Aber das machen wir besser an anderer Stelle 😉