Warum ich fortan das generische Feminin verwende
Die Vorstandsetage befindet sich im obersten Stockwerk. Holzvertäfelt mit Blick über die Stadt. Der Flur eine Ahnengalerie: Vorsitzender reiht sich an Vorsitzenden. „Würdenträger“ in Öl auf Leinwand. Mich fremdels. Wir treffen uns im Konferenzzimmer. Es ist einer dieser typischen Nur-Tisch-Räume. Das ovale Riesending mit hochglanzpolierter Oberfläche zwingt jede*n zum Festsitzen. Die Atmosphäre ist freundlich, die Machtverteilung klar und mir kommt Abigail Adams in den Sinn.
1776 schrieb sie einen Brief an ihren Ehemann. Darin bat sie den Mitbegründer der USA, er möge sich bei der Gesetzgebung der Frauen erinnern:
“ I long to hear that you have declared an independency. And, by the way, in the new code of laws which I suppose it will be necessary for you to make, I desire you would remember the ladies and be more generous and favorable to them than your ancestors. Do not put such unlimited power into the hands of the husbands. Remember, all men would be tyrants if they could. If particular care and attention is not paid to the ladies, we are determined to foment a rebellion, and will not hold ourselves bound by any laws in which we have no voice or representation.” Quelle
John Adams soll über ihre „frechen“ Worte gelacht und geantwortet haben, er wisse es besser, als das maskuline System abzuschaffen. Quelle
Das fiel mir ein. Da oben im Nur-Tisch-Raum über den Dächern der Stadt, nachdem wir zwei Tage lang an der Frage gearbeitet hatten, wie man mehr Vielfalt in die Organisation bringen und u.a. mehr Frauen* gewinnen könnte. Spontan nahm ich da mein Smartphone zur Hand und haute – was ich eigentlich nie tue – im Affekt einen Tweet raus:
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird fortan ausschließlich die weibliche* Form benutzt. #generischesFeminin
Twitter
Disclaimer: Ich weiß, dass die Umkehrung der Dinge keine Lösung ist und dass das generische Feminin trotz Genderstar* exklusiv bleibt. Aber die Umkehrung bringt die Absurdität des Status Quo frappierend genau den Punkt.
Bilder der Woche
Dialog der Woche
»Aber was ich am liebsten tue, ist gar nichts«, sagte Christopher Robin.
»Wie tut man gar nichts? « fragte Pu, nachdem er lange gegrübelt hatte.
»Das ist, wenn man es gerade tun will, und die Leute wollen von einem wissen: >Und was willst du jetzt tun, Christopher Robin?< Und dann sagt man: >Och, gar nichts<, und dann tut man’s einfach.«
»Aha, verstehe«, sagte Pu.
»Dies ist auch so eine Art Gar nichts, was wir jetzt tun.«
»Aha, verstehe«, sagte Pu wieder.
»Es bedeutet, daß man einfach so vor sich hingeht, sich alle Sachen anhörte, die man nicht hören kann, und sich nicht weiter darum kümmert.«
Aha!« sagte Pu.
aus: Alan Alexander Milne ‚Pu der Bär‘
Liste der Woche
- GESEHEN: Ed Atkins verstörende Arbeit „Ye Olde Food“ und Tomás Saracenos Installation „in orbit“ im K21 (Düsseldorf)
- GEHÖRT: Janina Kugel
- GELESEN: über die Möglichkeiten und Grenzen von Personas (Englisch)
- GEWESEN: in Düsseldorf
- GEDACHT: Nur nicht die Zuversicht verlieren. Nur nicht den Zuversicht verlieren. Nur nicht den Zuversicht verlieren… (siehe oben)
- GEMACHT: moderiert
- GEMOCHT: Pfingstrosen
- GESUCHT: die beste Europa-Wahlkampagne
- GEFUNDEN: den individualisierbaren Briefkastenzettel von Melanien Garanin
- GEFREUT: Es erweist sich nun auch in ökonomischer Hinsicht als gut, dass wir all die Menschen aufgenommen haben, die geflohen sind (Englisch).
- GEBANGT: um unsere Zukunft angesichts von Kipp-Punkten im Klima- und allzu starken Beharrungskräften im Politiksystem
- GEKLICKT: Wer will was für Europa? ZEIT-Erklärvideo