Ein Tag ohne Frauen? #meintagohnemich #femnetz

8. März 2017

Stell dir vor, du wachst morgens auf und keine einzige Frau* ist mehr da. 24 Stunden lang wären sie wie vom Erdboden verschluckt. Du selbst vielleicht auch. Wie sähe dieser Tag aus?

Diese Frage hat das Feministische Netzwerk an Blogger*innen und Autor*innen gerichtet und sie aufgerufen, ihren Tag ohne Frauen  im Internet zu beschreiben. Inspiriert hat sie dabei das Bündnis des Women`s March, das anlässlich des heutigen Internationalen Frauentages zum Generalstreik »A Day Without A Woman!« aufgerufen hat. Sämtliche Beiträge findet ihr hier.


Der Internationale Frauentag wird seit 1911 gefeiert – seit 1921 am 8. März. In einigen Ländern ist er sogar gesetzlicher Feiertag. Erstmalig statt fand der Weltfrauentag am 19. März 1911 in Dänemark, Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA statt. Hauptziel und -forderung war damals das allgemeine Frauenwahlrecht.

In Deutschland wurde das Frauenwahlrecht {wie auch in Österreich, Polen und Russland} 1918 im gesetzlich verankert. Im Januar 1919 konnten deutsche Frauen erstmals in der Geschichte wählen und gewählt werden. → Mehr zum Thema


Gerne unterstütze ich die Aktion der Feministischen Netzwerker*innen und damit die freie und offene Gesellschaft, in der jede*r – ganz gleich welcher Herkunft, welchen Geschlechts, welcher Religion oder Weltanschauung, welcher Behinderung, welchen Alters, welcher sexuellen Identität – sicher, selbstbestimmt, gleichberechtigt und chancengleich leben kann.

Statt meine Version eines Tages ohne Frauen bzw. ohne mich zu erzählen, habe ich Freund*innen, Verwandte und Kolleg*innen gefragt, wie sie sich diesen Tag vorstellen. Aus ihren Antworten ist eine vielstimmige Collage geworden – so vielfältig und unterschiedlich wie sie. Würden sie heute nicht da sein, wären sieben wunderbare Menschen verschwunden und mit ihnen all das, wofür sie stehen: Esprit, Wohlwollen, Kreativität, Herzlichkeit, Witz, Entschiedenheit, Zähigkeit, Inspiration, Reflexion, Nüchternheit, Liebe, Bescheidenheit, Intellekt, Wärme, Dankbarkeit, Fröhlichkeit, Energie, Mut, Möglichkeits- und Realitätssinn, Empathie, Tatkraft u.v.m.

1.000 Dank, liebe Julia, Katja, Kirsten, Mama, Annett, Hazel und Lando.

*Mit dem »Gender-Star« werden alle Menschen aller Geschlechtsidentitäten einbezogen – diesseits und jenseits des binären Geschlechtsmodells. | Beitragsbild: Lionello DelPiccolo {Unsplash}


Maedchen in der Wueste

»Ich kaue auf der Frage herum und werde langsam ärgerlich« von Julia Kropf

Ein Tag ohne Frauen in meinem Leben. Ich hadere mit der Frage. Sie gefällt mir nicht so recht. Sie scheint ein vorschnelles Denken in Stereotypen nahezulegen. Ich kaue auf der Frage herum und werde langsam ärgerlich. Ich schwanke zwischen einem schnellen »scheiße wäre das, ist doch klar« und dem Versuch einer intelligente(re)n Antwort. Was soll die Frage bezwecken? Dass Frauen wichtig sind? Äh, ja klar. Dass ohne ihre (schlecht oder ungleich) bezahlte und vor allem unbezahlte Arbeit die Wirtschaft, unsere Gesellschaft, Familien nicht funktionieren würden? Natürlich nicht! Dass der gesellschaftlich Resonanzkörper recht hohl klingen würde? Absolut!

Aber: Die Frage soll sich ganz konkret um einen Tag in meinem Leben drehen. Also, noch mal von vorne: Ein Tag ohne Frauen in meinem Leben, bei meiner Arbeit, auf der Straße, in der Bahn, in den Medien, in meinem Bücher- und CD-Regal … Und ich mittendrin? Vermutlich käme ich mir vor wie ein Alien, eine Fremde in meiner eigenen Welt. Vermutlich würde die gesellschaftliche Infrastruktur um mich herum so ziemlich zusammenbrechen. Was würde das machen mit der Selbstverständlichkeit, mit der ich mich in meiner Welt bewege, mit meinem Vertrauen?

Und ohne mich? Ein interessantes Sozialexperiment und vielleicht die bessere Alternative als die einzige zu sein. Um festzustellen, was es mit der Gesellschaft {in diesem Fall: den Männern} macht, bräuchte es sicherlich mehr als einen Tag. Konfusion, Hauen und Stechen, ungeahnte Potenziale?

Ich hadere immer noch mit der Frage. Und gleichzeitig verspüre ich eine große Dankbarkeit. Für die Tatsache, dass Frauen in meinem Leben einen unverrückbaren und selbstverständlichen, sichtbaren Platz haben. Frauen, die da sind, mich begleiten, herausfordern, beraten, trösten, ärgern, anregen. Frauen, die mir Gegenüber, Vorbild, Kontrastfolie, abschreckendes Beispiel, Freundin, Kollegin sind. Ein Tag ohne all diese Frauen wäre ein tiefer Krater in meinem Leben. Viele Frauen leben in so einem Krater – jeden Tag.

Die Uhr tickt. Wie viel Zeit bleibt uns, um das Schlimmste zu verhindern? Rechtsexetremismus

»Die Zeit bliebe stehen« von Katja Hiller

Tja, interessante Frage. Keine Kanzlerin, keine Verteidigungsministerin, keine Umweltministerin… Führerinnen-los dümpelt das Land vor sich hin, für 24 h Ausnahmezustand, angreifbar – aber auch ohne eine Frauke Petri und Eva Herrmann ?.

Verschwunden wären aber auch meine Tochter, meine Mama, meine Schwester, meine Oma, meine Nichte, meine Tanten und ich verlöre meine Identität als Mutter, als Schwester, als Nichte, als Enkelin. Verschwunden wären auch meine Chefin, meine Bäckereiverkäuferin, meine Haus- und Zahnärztin. Nicht nur meine kleine Infrastruktur bricht zusammen: kein Job, kein Geld, keine Versorgung! Sollte ich noch da sein, würde es einsam um mich und ich (be)fürchte zu viel Testosteron. Ohne Freundinnen blieben Dinge unbenannt, gibt es keine kleinen subtilen Botschaften mehr.

An diesem Tag käme kein Kind zur Welt. Die Zeit bliebe stehen. Es würde leise, dunkel und trist. Die Welt verlöre Wärme und Fürsorge, Melodie und Farbe, Erfahrung und Wissen, Harmonie und eine gehörige Portion Altruismus.

… es gäbe noch tausend andere Aspekte. Ein Szenario, das ich mir lieber gar nicht ausmalen möchte: eine Welt voller Männer.


 »Die Liebe fehlte« von Kirsten Frohnert

Mir fehlten bedingungslose Liebe und Freundschaft, Kraft-, Reflexions- und Inspirationsquellen!

Frau im roten Kleid und langem wallenden Haar von quentin keller

»Selbstbewusst und gleich« von Christel Zetzsche

Einen Tag ohne Frauen: nahezu leergefegte Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Verwaltungsbüros auf unterer und mittlerer Ebene, Geschäfte müssen schließen, Kassiererinnen und Verkäuferinnen fehlen, Schulen und Kindergärten haben nur noch minimale Notbesetzungen, Väter bleiben zu Hause für die Kinderbetreuung, Chefs und Abteilungsleiter müssen sich miteinbringen in Niedriglohntätigkeiten und erfahren deren Wichtigkeit und Wert. Gute Gründe für Frauen-Selbstbewusstsein, für gleichen Lohn, für gleiche Chancen.

Ein Tag ohne Männer würde vielleicht dazu führen, dass Frauen erleben: »Das kann ich auch« – und in einer nahen Zukunft erhält jede*r die Chance gleichwertig anerkannt (auch in €) seine Fähigkeiten einzubringen.

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»Die Frage hat sich erledigt« von Annett Jahn

Noch während ich im Kopf die Frage hin- und herbewege, welche Frauen ich gedanklich für einen Tag aus meinem Leben verschwinden lasse und ob ich mich selbst dazugesellen soll, wird im Radio erwähnt, dass bald Frauentag ist. Mein Sohn (4) hört mit und bestimmt: » … und Manntag … und Kindtag … und Omatag … und Johannatag.« – Die Frage hat sich erledigt.


 »Kommunizierende Gefäße« von Hazel Rosenstrauch

An einem unverhofft frühlingshaften Samstag ging ich durch Berlins Schöneberg, blinzelte, und retuschierte die Frauen weg. Männer in Schwarz oder Dunkelbraun, gepuffte Jacken, Jogginghosen und Jeans, stapften durch die Gegend, sie sahen etwas verloren aus der Wäsche, vielleicht, weil niemand  sie bewunderte, und sie auf niemanden hinunterreden konnten. Heimgekehrt (weil ich mich ja auch absentieren musste) sprang meine Phantasie ein paar Monate weiter. Ich sah dieselben Männer in bunter Kleidung, lachend, einige sogar elegant, schwatzend und mit erstaunlich beweglichen Körpern. Vielleicht sind nämlich die Geschlechter wie kommunizierende Gefäße und wenn ein paar »weibliche« Eigenschaften fehlen und Frauen die »männlichen« Haltungen übernehmen, werden die Männer, die uns so oft immer noch gegenüber und nicht neben uns stehen, die fehlenden »Weiblichkeiten« kompensieren?!

Selbstverständlich wird es nach und nach viele Facetten von Körperhaltungen, Kleidung, Benehmen geben – nichts ist mehr typisch. Und ist dieser Prozeß nicht längst im Gange? Als ich nach ein paar Minuten wieder nüchtern in den Reflexionsmodus schalte, bleibt die Frage, ob mir das gefallen wird, im Halse stecken.

Ieva Jansone, Zaubermathe, Kalabrien, Martin Wyrwich

»Welch ein Chaos« von Lando Jansone

Ich wäre sehr glücklich, wenn ich eines Tages nicht mehr automatisch als »Frau« gelesen würde (ich definiere mich als nicht-binäre Person1). Wenn alle Frauen* für einen Tag aus der Welt verschwinden würden – welch ein Chaos. Ich glaube, der ganze Care Bereich würde zusammenbrechen!

1»Binär« ist das lateinische Wort für »zwei«und steht hier für das in unserer Gesellschaft anerkannte Geschlechtsmodell aus weiblich und männlich. Nicht-binäre Personen sind solche, die sich nicht in diesem Zweiersystem wiederfinden, weil sie sich nicht als Mann/Junge oder Frau/Mädchen wahrnehmen. Geschlechtsidentitäten sind unabhängig vom körperlichen Aussehen und der sexuellen Orientierung. Mehr über nicht-binäre Geschlechtsidentitäten

2 Comments

  • 7 Jahren ago

    liebe indre,
    da hast du wirklich eine sehr spannende collage zusammengetragen und auch sehr facettenreich. herzlichen dank dafür. und doch fehlt irgendwie was. hier sind frauen zu wort gekommen, die sehr privelegiert sind. die in der lage sind, auf einem solchen niveau, wie sie es tun zu denken. und doch gibt es ja auch bei frauen unterschiede. das ist dir krux seit menschengedenken. es verläuft nicht nur zwischen den geschlechtern eine linie, sondern auch zwischen den gesellschaftlichen feldern. ich glaube wenn all die frauen, die vermutlich nichts von der existenz und bedeutung des heutigen tages wissen, „streiken“ würden, dann würde es uns allen wirklich weh tun.
    das nur als ergänzung.
    liebst,
    jule*

    • M i MA
      7 Jahren ago

      Liebe Jule, danke für die Anregung. Die Collage bildet ja nur einen kleinen Ausschnitt der Meinungsvielfalt ab. Was genau fehlt deines Erachtens an dieser Stelle? Die Perspektive von Frauen*, die weniger Bildung „genießen“ konnten? Oder die Sicht der Frauen, die dem ganzen Thema bzw. der Frauen*Bewegung kritisch oder gar ablehnend gegenüberstehen? LG I.

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