© Renate Wacker |
Wie (fast) immer beginnt die Woche mit einem ‚EinBlick‚. Meist sind es Blicke hinter schöne Blogs, manchmal hinter tolle Projekte, Initiativen oder Unternehmen. Heute werfe ich den Blick einmal hinter eine Webseite. Es ist die Seite der in Leipzig lebenden Illustratorin Renate Wacker, die das russische Märchen von ‚Mascha und dem Bären‘ illustriert hat. Es lag auf unserem Gabentisch an Weihnachten, und die eigenwillige, ausdrucksstarke, bisweilen irritierende Darstellungsweise hat mich neugierig gemacht auf die Person hinter diesen Bildern. Was die Suchmaschine zutage förderte, war spärlich. Doch das steigerte meine Neugier nur noch auf die Frau, die letztes Jahr mit dem e.o.plauen Förderkreis für ihre buchkünstlerischen Arbeiten ausgezeichnet wurde, ‚in denen sie universelle menschliche Erfahrungen wie Angst, Bedrohung und Gewalt ins Bild setze‘? Also habe ich sie direkt gefragt.
In unserem kleinen, aber feinen Montagsplausch erzählt sie von ‚Heimatliebe‘ und dem Kampf mit der eigenen Unzufriedenheit, über die Aufgabe und Funktion der Illustration und wie sie diese als Illustratorin umsetzt. Außerdem verrät sie uns einen ihrer liebsten Orte in ihrer Wahlheimat Leipzig.
Ich sage vielen Dank, Renate, für das Gespräch und wünsche euch eine anregende Lektüre und damit einen guten Start in die neue Woche.
Du bist in Neubrandenburg geboren. Was verbindest du mit der Stadt und Umgebung? Bist du noch oft und gerne dort?
In Neubrandenburg bin ich aufgewachsen. Ich fahre gern alle paar Monate dorthin. Die Wege sind die gleichen geblieben und atmen ein wohliges Gefühl von Erinnerung und Heimat, doch sehr vieles hat sich auch verändert. Ebenso gern fahre ich in die Umgebung. Ich liebe die Mecklenburger Landschaft, die kleinen Ortschaften und das Meer. Dort komme ich zur Ruhe und kann Kraft schöpfen für längere Projekte in meinem Leipziger Atelier.
Du hast Illustration studiert. Wie kam es zu diesem Entschluss?
Gezeichnet habe ich schon immer gern und viel. Doch habe ich mich erst nach dem Abitur für ein Grafikdesign-Studium entschieden. Dort erhielt ich die Bestärkung, in der Richtung Illustration weiterzuarbeiten. Ich ging nach Leipzig an die Hochschule für Grafik und Buchkunst um Illustration zu studieren, um zu lernen und meine Fähigkeiten zu verbessern. Hier kam ich meinem Ziel Bücher zu machen nahe, habe gezeichnet, Druckgrafik gemacht, Buchbinden und Buchgestaltung.
Was war das Schönste und das Schwierigste an deinem Studium?
Neue Drucktechniken auszuprobieren, neue Einblicke zu erhalten, erweitern die eigenen Ausdrucksmöglichkeiten und das ist ein schönes Gefühl. Schwierig ist es, die eigene Unzufriedenheit z. B. mit einer Zeichnung zu überwinden und wieder von vorn zu beginnen oder auch die oft kraftaufwendigen Druckmaschinen zu bedienen. Belohnung ist die Freude daran, die Ausdrucksmöglichkeiten für sich nutzen zu können und so viel freier arbeiten zu können.
Was bedeutet es, Meisterschülerin zu sein?
Da man den Titel nicht im Namen führt, ist der Titel Meisterschülerin eher eine persönliche Bestätigung des Erreichten. Er steht am Ende eines erfolgreichen Aufbaustudiums, einer Zeit der weiteren Vervollkommnung, des selbständigen Arbeitens, Experimentierens. Das bereits Erlangte zu überbieten ist das Ziel.
Was ist Illustration für dich? Welche Aufgabe und Funktion hat sie deiner Meinung nach?
Bei der Illustration steht für mich die Bildidee an zentraler Stelle in einer künstlerisch ansprechenden Ausführung.
Zeitschriftenillustration sollte für mich stets durch die Bildidee bestechen. Sie muss in kurzer Zeit erfahrbar sein. Bei der Buchillustration kommt es verstärkt auf das Versinnbildlichen und Spürbarmachen von Stimmung und Atmosphäre an und eine wahrhaftige glaubhafte Gestalt der Figuren. Man hat hier durch die große Anzahl der Bilder einfach mehr Zeit, um zu erzählen. Auch der Betrachter bringt hier mehr Zeit ein, um zu schauen. Illustrationen müssen für den Text ein Zugewinn sein, neue Ebenen anbieten und dem Leser Freiraum für eigene Gedanken lassen.
Wie gehst du ans Illustrieren heran?
Am Anfang steht die intensive Auseinandersetzung mit dem Buchtext, dem Theaterstück oder dem Artikel. Ich versuche ein Gefühl für die Atmosphäre, die Umgebung, die Zeit und die Figuren zu bekommen.
Das bestimmt auch die spätere Auswahl der Technik für die Umsetzung. Manchmal folgt noch die Recherche, z. B. von Kleidung oder fremden Ländern. Buchillustration bedeutet für mich ein völliges Versinken in der Welt der Geschichte und eine Identifikation mit der Hauptfigur. Es macht mir Freude, immer wieder andere Zeichentechniken zu verwenden: Ich habe Bücher mit Gouachen illustriert, mit Bleistift, Aquarell, Siebdruck, Collage …
Im Bereich der Zeitschriften- und Zeitungsillustration, muss ich bestimmte Sachverhalte mit einer originellen Idee versinnbildlichen. Auf eine solche Idee zu kommen erfordert viele Skizzen, bis ich eine treffende und zugleich frappierende Lösung erhalte, die ich dann ausarbeite, vor allem in plakativer Form, denn sie soll sofort verstanden werden. Bei der Buchillustration mache ich nur wenige Skizzen, um den Raum zu organisieren oder einfach um die Abfolge und Anzahl der Bilder festzulegen.
© Renate Wacker (via Grafikbrief) |
Du lebst als freie Illustratorin. Was und für wen arbeitest du?
Als Illustratorin bin ich für Buchverlage, für Zeitungen und Zeitschriften tätig oder zeichne Plakate für Theater. Aktuell ist „Mascha und der Bär“ im kunstanst!fter Verlag erschienen.
Du lebst und arbeitest in Leipzig. Wie und wo lebst und arbeitest du dort?
Meine Zeichnungen entstehen in meinem Leipziger Atelier in einem Atelierhaus. Das heißt, ich verlasse zum Arbeiten meine Wohnung, um in einer ausschließlichen Arbeitsumgebung und in völliger Stille meine Zeichnungen anzufertigen. Am großen Fenster steht ein Sessel – für das Lesen von Manuskripten und zum Entspannen. Das wichtigste Möbelstück ist natürlich der riesige Tisch. Hier entstanden „Mascha und der Bär“, „Das Kristall-Ei“ von H. G. Wells oder auch Alberto Savinios „Tragödie der Kindheit“.
Was sind deine liebsten Orte in Leipzig?
Gern bin ich im Palmengarten. Palmen gibt es da schon lange nicht mehr, dafür aber eine einladende große Freitreppe, die sich in den Fluten des Elsterkanals verliert. Dort kann man sitzen, den Libellen zusehen und dabei neue Gedanken und Bilder einfangen.
In der NZZ vom 4.12.13 erzählt Renate Wacker von ihrer Arbeit an ‚Mascha und der Bär‚.
ich komm zu wenig zum lesen im moment. aber du hast mich sehr neugierig gemacht auf die frau hinter den illustrationen! abgespeichert für ausgedehnte lesezeiten. dank dir!
alles liebe und eine gute woche
dania
So schöne Worte, so schöne Bilder. Vielen Dank und liebe Grüße an euch beide!