Der Wahltag rückt näher. Allerorten wird plakativ nachgerüstet. Bis zu vier Plakate reihen sich an einen einzigen Laternenpfahl und zeigen so eher versehentlich, was Demokratie aus- und darum eben gut macht: Es ist ein Wettbewerb um die besten Ideen und Deutungen, der verhindert, dass sich eine Meinung gegen andere durchsetzen kann. Es geht nur miteinander im konstruktiven Disput. Natürlich ist das manchmal frustrierend, weil es ein zäher und langwieriger Aushandlungsprozess sein kann, der womöglich mit einem Kompromiss endet, der mir nicht recht schmecken will. Aber lieber schlucke ich mal eine Kröte, als gar nicht mehr kochen zu können.
Im heutigen „Blick hinters Plakat“ erzählt Damiano Valgolio von den LINKEN, für welche Ideen und Deutungen er streitet. Vielen Dank, lieber Herr Valgolio, für die interessanten Einblicke.
Geboren 1981. Fachanwalt für Arbeitsrecht und ehemaliger Personalrat. Wer und was sind Sie noch?
Vielversprechendes Nachwuchstalent beim VfB Berlin Friedrichshain, offensives Mittelfeld.
Sie leben seit 2002 in Friedrichshain. Wo haben Sie vorher gelebt und was hat Sie hierher „verschlagen“?
Ich komme aus Hannover. 2002 bin ich nach Berlin gekommen, weil ich für eine linke Tageszeitung gearbeitet habe und die Redaktion in Berlin saß. Heute kann ich mir nicht mehr vorstellen, irgendwo anders zu leben. In Friedrichshain bin ich gelandet, weil es hier die billigsten Wohnungen gab. Außerdem war das damals schon der entspannteste Teil der Stadt.
IN FRIEDRICHSHAIN BIN ICH GELANDET, WEIL ES HIER DIE BILLIGSTEN WOHNUNGEN GAB UND ES SCHON DAMALS DER ENTSPANNTESTE TEIL DER STADT WAR.
Seit wann und warum sind Sie Mitglied der LINKEN?
Ich bin Mitglied der LINKEN seit sie 2007 entstanden ist. Vorher war ich Mitglied der WASG, in der sich junge Aktivisten und Gewerkschafter zusammengeschlossen hatten. Ich bin ein Linker, weil ich denke, dass sich vieles ändern muss und dafür braucht man eine gute Organisation. Ich finde Werte wie Gerechtigkeit und Solidarität wichtig. Ich will nicht in einer Stadt wohnen, in der jedes dritte oder vierte Kind unterhalb der Armutsschwelle lebt und die Menschen sich ihre Wohnungen nicht mehr leisten können.
ICH FINDE WERTE WIE GERECHTIGKEIT UND SOLIDARITÄT WICHTIG.
Als Anwalt und Mitglied der LINKEN setzen Sie sich für gute Arbeits- und Lebensbedingungen ein. Was zeichnet „gute Arbeits- und Lebensbedingungen“ für Sie konkret aus?
Zu einem guten Leben gehört zuerst materielle Sicherheit. Also eine vernünftige Wohnung, Mobilität, Kultur, Spaß und Sport, Urlaub und natürlich gutes Essen. Eine gute Versorgung mit Schulen, Kindergärten und Krankenhäusern. Außerdem gehört dazu, dass man sich überall frei bewegen kann und nicht so viel Stress hat, dass man kaum noch schlafen kann.
Von Arbeit muss man gut leben können, ohne Sorge um die Zukunft und ohne davon krank zu werden. Eigentlich ist das alles nicht zu viel verlangt. Gute Arbeits- und Lebensbedingungen müssen in einem reichen Land wie Deutschland für alle drin sein.
VON ARBEIT MUSS MAN GUT LEBEN KÖNNEN, OHNE SORGE UM DIE ZUKUNFT UND OHNE DAVON KRANK ZU WERDEN. EIGENTLICH IST DAS NICHT VIEL VERLANGT UND MUSS IN EINEM REICHEN LAND WIE DEUTSCHLAND FÜR ALLE DRIN SEIN.
Außerdem sind Sie für das Thema Antifaschismus zuständig und engagieren sich gegen Rechts. Friedrichshain gilt als eher linker Bezirk. Wie rechts ist Friedrichshain – und wo?
Offenen Rechtsextremismus und offene Nazitreffpunkte gibt es in Friedrichshain zum Glück immer weniger. Am Petersburger Platz gab es bis 2014 ein Thor-Steinar-Geschäft, das Kleidung für Neonazis verkauft hat. Das Geschäft haben wir mit langem Atem und vielen Anwohnerinnen und Anwohnern zusammen vertrieben. Aber wir müssen weiter aufpassen.
Derzeit erleben wir einen Rechtsextremismus mit bürgerlichen Antlitz, der versucht vorzudringen. Die Wahlerfolge der AfD sind dafür ein Indiz. Wenn die soziale Situation der Menschen sich weiter verschlechtert und wir keine solidarischen Antworten von unten finden, kann das sehr gefährlich werden.
DERZEIT ERLEBEN WIR EINEN RECHTSEXTREMISMUS MIT BÜRGERLICHEM ANLITZ, DER VERSUCHT VORZUDRINGEN. WENN SICH DIE SOZIALE SITUATION WEITER VERSCHLECHTERT UND WIR KEINE SOLIDARISCHEN ANTWORTEN FINDEN, KANN DAS SEHR GEFÄHRLICH WERDEN.
Wenn Sie freie Hand hätten – welche drei Dinge würden Sie zuallererst verändern im Bezirk?
- Bezirkliche Mietobergrenzen
- Enteignung der leer stehenden privaten Flächen und Gebäude im Bezirk, um günstigen Wohnraum zu schaffen
- Ein Fußballstadion mit Naturrasenplatz für die Friedrichshainer Vereine neben dem SEZ
Samariterkiez 2025 – welche Überschrift wollen Sie in der Zeitung Ihres Vertrauens an einem Montagmorgen im Jahr 2025 über den Samariterkiez lesen?
„Kostenloses öffentliches Schwimmbad eröffnet“
Was sind Ihre drei Wünsche für die kommende Wahl?
- DIE LINKE stärkste Kraft in Friedrichshain-Kreuzberg
- DIE LINKE erreicht berlinweit 20 Prozent
- Die AfD unter der 5-Prozent-Hürde
Liebe Indre, vielen Dank für diese wunderbare und wichtige Reihe.
Danke. Und Gerne. So gerne. 🙂