»Reduktion könnte die Welt retten – und wenn nicht, dann ist es jedenfalls ein Weg, um selbst glücklicher zu werden«, davon ist Birgit, die auf »Fräulein im Glück« aus ihrem Leben erzählt, überzeugt. Wie es gelingt zu reduzieren, worin das Glück des »Weniger« und wo seine die Grenzen liegen – darüber spricht sie im heutigen Montagsinterview. Außerdem geht es um ihre Arbeit im SOS-Kinderdorf, in dem u.a. auch geflüchtete Kinder und Jugendliche eine Obhut finden.
Vielen Dank, liebe Birgit, für die spannenden Einblicke, mit denen ich allen einen guten Start in die vorletzte Woche des Jahres wünsche.
Bloggerin, Weltverbesserin und Mutter. Das ist Birgit. Was noch? Was nicht?
Weltverbesserin – haha – also sagen wir es mal so: Ich versuche es. Oder anders: Ich will nicht glauben, dass wir nicht zu einer besseren Welt beitragen können. Ich gebe die Hoffnung einfach nicht auf.
Was bin ich noch? Unendlich neugierig und leidenschaftlich. Mich interessiert alles. Meine Schwester sagt immer, ich wäre eine super Pharma-Vertreterin geworden, denn wenn ich eine neue Idee habe und von ihr überzeugt bin, dann mache ich sie allen schmackhaft.
Ich bin davon überzeugt, dass Weniger besser ist und vielleicht ein Weg, die Welt zu retten – und wenn nicht, dann jedenfalls ein Weg selbst glücklicher zu sein.
Du schreibst über Achtsamkeit und Minimalismus. Wie gelingt es dir, ein achtsames, reduziertes und nachhaltiges Familienleben zu führen?
Es gelingt mir nicht immer gut. Es gibt Phasen, da kommt die Bequemlichkeit durch, da kaufe ich so viel verpacktes Zeug, dass ich mich nachher selbst nicht aushalte, oder ich reduziere und reduziere, so dass meine Schwester schon sagt, »ihr habt aber ein leeres Kinderzimmer« {sie hat allerdings ein sehr volles ?} und mir kommt es trotzdem noch so vor, als würde ich im Kram versinken. Dann gibt es aber auch wieder Zeiten, in denen ich total glücklich mit allem bin und merke, dass ich schwierige Situationen mit meinen Kindern sehr gut meistere, weil ich mich durch die Achtsamkeit sehr gut beobachten kann und für mich sehr kluge Entscheidungen treffe.
Ich glaube, es ist eher eine Reise mit Höhen und Tiefen – und das ist auch in Ordnung so. Ich strebe ja nicht danach, perfekt zu sein oder die perfekte Mutter zu sein oder das sauberste und reduzierteste Kinderzimmer zu haben. Ich versuche einfach, ein glückliches und unkompliziertes Leben zu leben und wenig Schaden auf diesem Planeten anzurichten, weil ich will, dass für meine Kindes Kinder auch noch etwas übrig bleibt.
Was empfiehlst du Eltern für ein Leben ohne resp. mit wenig Stress?
Das Erste ist immer, seine eigenen Einstellungen zu überdenken. Brauche ich das alles wirklich? Muss ich wirklich immer noch mehr hinzufügen, damit das Leben noch besser wird? Oder wird es vielleicht besser, indem ich etwas weglasse? Wir sind so gewöhnt, Glück und Zufriedenheit mit »noch mehr« zu verbinden. Wir haben Angst, etwas zu verpassen, zu kurz zu kommen. Der Satz meiner Achtsamkeitslehrerin war für mich so überraschend wie erleichternd: »Es gibt nichts zu tun, nichts zu erreichen.« Es ist alles schon da, alles in uns. Wir müssen nur anhalten und in uns hinein hören. Das gilt für das Elternsein genauso wie für unser ganzes Leben.
Du arbeitest (als Social Media Managerin) in einem SOS-Kinderdorf. Was ist die größte Herausforderung, was die größte Freude an deiner Arbeit?
Die größte Herausforderung ist es, zu akzeptieren, dass man leider nicht allen helfen kann und dass es Menschen gibt, die sogar an der Arbeit mit Kindern noch etwas Negatives finden, zum Beispiel weil sich geflüchtet sind.
Das Schöne ist zu sehen, wie viele Menschen auf einmal aktiv werden, wenn Hilfe gebraucht wird. Das gibt mir sehr viel Hoffnung für die Welt.
Im Kinderdorf leben auch Kinder, die Krieg und Flucht erfahren haben. Welche Spuren hinterlassen diese schlimmen Erfahrungen und was brauchen diese Kinder, um sie gut zu verarbeiten?
Ich bin immer total überrascht wie positiv diese Kinder und Jugendlichen sind. Viele sind ja ohne ihre Eltern oder Verwandten hergekommen und völlig auf sich alleine gestellt. Und dann werden sie auch hier oft alleine gelassen und nicht nur das: Viele Menschen begegnen ihnen mit Hass. Die jungen Burschen aus unseren WGs haben es nach den letzten Terrormeldungen teilweise vorgezogen, in der WG zu bleiben, weil sie so verunsichert waren.
Wichtig ist es, dass Kinder und Jugendliche aufgenommen werden, eine Tagesstruktur bekommen, eine Ausbildung und natürlich auch therapeutische Angebote, um das Erlebte aufzuarbeiten, nur so können sie hier ein normales Leben leben und sich integrieren. Leider ist das nicht für alle zugänglich.
Du bist Optimistin, schreibst du. Wenn ich mich so umblicke in der Welt, verliere ich bisweilen den Glauben an das Gute im Menschen. Was gibt dir Hoffnung und wie bleibst du hoffnungsvoll?
Ich muss sagen, ich bin mit einem tollen Grundvertrauen gesegnet, dafür bin ich unendlich dankbar. Ich glaube fest daran, dass alles im Leben einen Sinn hat. Und die Achtsamkeit hilft mir natürlich auch sehr.
Es gibt eine Mediation, die heißt Metta-Meditation, eine sehr alte buddhistische Meditation. Metta heißt so viel wie »liebende Güte«, vielleicht kann man auch Liebe oder einfach Freundlichkeit dazu sagen. Man übt damit eine freundliche wohlwollende Haltung anderen gegenüber. Diese Übung kann man auch mit Kindern machen, indem man sagt: »Umarmt euch einmal selbst und wünscht euch selbst ganz viel Glück und Freude. Dann stellt euch jemanden vor, den ihr ganz lieb habt, die Mama und den Papa oder die Oma und den Opa, und wünscht ihnen dass sie glücklich sind und es ihnen gut geht.« Anschließend sollen sie ihre guten Wünsche in die Welt hinaus senden, indem sie sagen, was sie anderen Kindern wünschen. Viele Kinder antworten dann – ganz egal woher sie kommen, ob aus Österreich oder Syrien: »ganz viele Lego-Spielsachen«? Darin zeigt sich, dass alle Menschen im Grunde das Gleiche wollen, nämlich glücklich sein.
Mich und auch meine Kinder macht diese Übung offener gegenüber anderen Menschen und freundlicher. Das macht mich zuversichtlich und ich bin ich mir sicher, dass mein Vertrauen nicht enttäuscht wird.
Was wünscht du dir für das Jahr 2017?
Dass auch andere Menschen wieder Vertrauen können.
Ein tolles Interview mit dem Fräulein im Glück! Ich mag ihren Blog sehr und die Fragen sind sehr gut ausgewählt! Dankeschön!