Ein ungewöhnliches Gebäude
Es passt nicht ganz in die Kategorie „Design“, aber es ist „made in GDR“: das Funkhaus Nalepastraße, das ich kürzlich besuchte (und dabei zufällig auch ein UFO entdeckte). Ein imposantes Gebäudeensemble liegt da jwd direkt an der Spree und spricht eindeutig die Sprache des Bauhauses. Das ist ungewöhnlich ist, bedenkt man, dass es mitten im Formalismusstreit (1951 bis 1956) entstand.
Ungewöhnlich – und weltbekannt – ist auch seine Akustik. Diverse Musikgrößen und -labels nutzten das Studiogebäude ob seiner herausragenden Klangqualität, der optimalen Nachhallzeit und seiner Ausstattung. Darunter A-ha und Sting, Universal, BMG und Sony, das Deutsche Filmorchester Babelsberg, Kent Nagano und Daniel Barenboim, der es als „eines der besten Aufnahmestudios weltweit“ bezeichnet. Und die beste Akustik hat es angeblich auch.
Hinter dieser ingenieurtechnischen Meisterleistung stand, neben dem Chefingenieur Gerhard Probst, dem Akustiker Lothar Keibs und der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Gisela Herzog, der Architekt und Möbeldesigner Franz Ehrlich.
Bilder (c) Funkhaus Berlin
Der talentierte Herr Ehrlich
Ehrlich ist eine schillernde Gestalt. 1907 als fünftes Kind in Leipzig geboren, wächst der überzeugte Kommunist in einfachsten Verhältnissen auf. Nach der Volksschule absolviert er zunächst eine Maschinenbauehre. 1923 besucht er eine Bauhaus-Ausstellung in Weimar und weiß nun, was er werden will: „Bauhäusler“. Er studiert bei László Moholy-Nagy, Paul Klee, Oskar Schlemmer und Joost Schmidt.
Die neue Gesellschaft, die dann kam, war freilich nicht die, die er meinte. Als die Nazis die Macht übernehmen, arbeitet Ehrlich als Werbegrafiker in Leipzig und gibt nebenher die illegale Zeitschrift „Junge Garde“ mit heraus. 1934 wird er verhaftet und wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. 1937 kommt er nach Buchenwald: Zwangsarbeit im Steinbruch, ein Todesurteil.
Doch seine Fähigkeiten retten ihm das Leben. Ehrlich wird ins „Werkstättenaufbau-Kommando“ geholt. Dort entwirft er im Auftrag der Lagerleitung Wohnhäuser, Mobiliar für die Kommandanten, darunter eine Wiege mit SS-Runen. Viele seiner Blätter aus der Zeit im KZ sind erhalten geblieben. Ein Entwurf aber ist weltbekannt: der zynische Schriftzug im Tor des KZs, „Jedem das Seine“.
Designklassiker und Exportschlager
Auch der gelernte Bauhaus-Architekt und Möbelgestalter Franz Ehrlich steht für die serielle Typenproduktion. Seine in den 1950er Jahren entworfene Möbelserie 602 entwickelte sich zum Exportschlager und zählt zu den Design-Klassikern aus der DDR.
Als Gestalter wurde er in der DDR ob seines „formalistischen Stils“ verschmäht, gleichzeitig aber als Devisenbringer und Chef-Designer der DDR-Außenhandelsrepräsentanzen heiß begehrt: „Ob in Moskau oder Peking, in Kairo oder New Delhi, in Brüssel oder Paris: alle hat Franz Ehrlich gestaltet. Aber in der DDR scheiterte Ehrlich mit seinen Entwürfen.“
HINWEIS: Wer die Klangqualitäten des Gebäudes live erleben möchte, kann dies am 11. Juni im Rahmen des MIRA Festivals tun.
Wieder was gelernt.
Was für eine spannende Biographie!
Liebe Grüße
Anna-Lena
Danke für die unterhaltsame Geschichtsstunde.
Liebste Grüße
Eva
Vielen Dank für den tollen Tipp! In Dresden gibt es zu Hellerau und Franz Ehrlich eine Ausstellung…. hier ein paar Einblicke dazu: https://onlyinegypt.wordpress.com/2014/10/23/mobel-im-geiste-der-maschine/